„ Wenn ich doch ein seidenes Kleid hätte!“ seufzte Margaret, „die Mutter hat mir eins versprochen, wenn ich achtzehn Jahr alt bin; aber noch zwei ganze Jahre warten, das ist eine Ewigkeit.“
„ Tröste dich, Margaret, unsere Popelinekleider sehen aus wie Seide und sind schön genug für uns. Deines ist ja so gut wie neu; meines freilich — ich hätte den Riss und die verbrannte Stelle darin fast vergessen. Was fange ich an? die verbrannte Stelle ist sehr sichtbar, und herausnehmen kann ich sie nicht.“
„Du musst so viel wie möglich sitzen bleiben, so dass man die Rückseite nicht sieht. Von vorn sieht das Kleid noch ganz hübsch aus. Ich werde ein neues Band ins Haar machen und Mama will mir ihre schöne Perlnadel leihen. Meine neuen Schuhe sind sehr hübsch, und meine Handschuhe können sich auch noch sehen lassen; so schön wie ich sie haben möchte, sind sie freilich nicht.“
„Meine haben leider Limonadenflecke, und neue kann ich mir nicht anschaffen; ich werde also wohl ohne Handschuhe gehen müssen,“ sagte Jo, die sich über ihre Toilette nie viel Sorgen machte.
„Handschuhe musst du haben, sonst gehe ich nicht mit,“ rief Margaret entschieden. „Handschuhe sind wichtiger als alles Andere.“
„Nun, so bleibe ich zu Hause, du weisst, diese Tanzgesellschaften sind für mich kein grosses Vergnügen.“
„Warum musst du auch so nachlässig sein! Handschuhe sind ein so schöner Artikel, und die Mutter hat gleich gesagt, sie würde dir diesen Winter keine neue wieder kaufen. Lassen sich die Flede denn gar nicht herausbringen?“
„Ich kann sie in die Hand nehmen, so dass niemand sieht, wie fleckig sie sind; einen andern Rath weiss ich nicht. Nein! ich will dir sagen, wie wir’s machen können: jede von uns, zieht einen guten Handschuh an und nimmt einen schlechten in die Hand; was meinst du dazu?“
„Deine Hände sind grösser als meine, und du wirst meinen Handschuh schrecklich aufweiten,“ sagte Margaret, die in Bezug auf ihre Handschuhe sehr eigen war.
„Nun, dann gehe ich ohne Handschuhe, es ist mir gleich, was die Leute sagen,“ rief Jo, indem sie zu ihrem Buche griff.
„Nein, ich werde dir einen von meinen leihen, aber mache ihn nicht schmutzig, halte dich gut und lege die Hände nicht auf den Rücken.“
„Mach’ dir meinetwegen keine Sorgen; ich werde mich musterhaft benehmen. Nun geh’ hin, um das Billet zu beantworten und lass mich dieses herrliche Buch beendigen.“
Margaret ging also hinunter, nahm ,die freundliche Einladung mit vielem Dank‘ an; besichtigte ihren Anzug und und sang vor Freude beim Anblick ihres ächten Spitzenkrageris, während Jo ihre Geschichte zu Ende las und dabei ihre vier Aepfel aufass.
Am Neujahrsabend war das Wohnzimmer verödet, denn die beiden jüngeren Schwestern spielten Kammerfrauen, und die beiden älteren waren ganz von ihren Toilettenangelegenheiten hingenommen. So einfach ihre Anzüge auch waren, gab es doch viel hin und her zu laufen; es wurde viel berathen und gelacht, und einen Augenblick war das Haus von einem starken Geruch verbrannten Haares erfüllt. Margaret wollte gern das Haar und die. Stirn gekräuselt haben, und Jo hatte es übernommen, die Papilloten zu brennen.
„Wie kommt es, dass sie so rauchen?“ fragte Lieschen, die auf einem Bette sass und zusah.
„ Das kommt von dem feuchten Haar, welches durchs Brennen trocknet,“ ersetzte Jo.
„ Was für ein sonderbarer Geruch! ganz wie wenn Federn verbrennen,“ bemerkte Amy, indem sie ihre eigenen hübschen Locken nicht ohne Befriedigung glatt strich.
„So, nun will ich die Papilloten los machen, und du wirst sehen, welche schöne Locken ich machen kann,“ sagte Jo, das Brenneisen, niederlegend. Sie nahm die papiernen Papilloten ab, aber ach! es kamen keine Locken zum Vorschein; das Haar blieb im Papier, und die entsetzte Friseuse legte eine Reihe kleiner versengter Bündel auf die Commode vor ihrem Opfer.
„O, was hast du gemacht? Ich bin ganz verunstaltet! Ich kann nicht hingehen,“ rief Margaret in Verzweiflung.
„O, das ist wieder meine unglückliche Hand! du hättest dich mir nicht anvertrauen sollen; ich verderbe alles. Ich kann dir nicht sagen, wie leid es mir thut; das Brenneisen muss zu heiss gewesen sein, stöhnte Jo mit Thränen in den Augen.
„Das Unglück ist nicht so gar gross,“ sagte Amy, sie tröstend; kräusele das kurze Haar ein wenig und binde das Band so, dass die Enden ein wenig auf die Stirn fallen. Das ist die allerneuste. Mode; ich habe viele junge Mädchen so frisirt gesehen.“
„Es ist die Strafe für meine Eitelkeit,“ rief Margaret. „Ich wollte, ich hätte mein Haar in Ruhe gelassen.“
„Das wollte ich auch, es war so glatt und hübsch. Aber es wird bald wieder wachsen,“ sagte Lieschen, indem sie das geschorene Schaf zärtlich küsste.
Nach verschiedenen kleinen Unfällen war durch die vereinigten Bemühungen der Familie die Toilette der Schwestern beendigt. Sie sahen in ihren einfachen Anzügen sehr niedlich aus. Margaret im silbergrauen Kleide mit blauem Sammetband im Haar, einem Spitzenkragen und der schon erwähnten Perlnadel. Jo im braunen Kleide, mit einfachem leinenen Kragen und einer weissen Blume im Haar. Jede von ihnen zog einen saubern Hellen Handschuh an und trug einen schmutzigen in der Hand. Alle fanden, dass sie sehr niedlich aussahen. Margarets hübsche Schuhe drückten sie sehr, obgleich sie es nicht zugestehen wollte, und Jo’s neunzehn Haarnadeln quälten sie nicht wenig, aber das waren unvermeidliche Uebel. Hoffart muss Bein leiden.
„ Ich wünsche euch einen vergnügten Abend, liebe Kinder,“ sagte Frau March, als die Schwestern auf den Fussspitzen durch den Garten gingen. „Esst nicht zuviel und kommt um elf Uhr zu Hause, wenn ich Hannah schicke.“
Als die Thür hinter ihnen zuschlug, rief eine Stimme aus dem Fenster:
„Kinder, habt ihr beide nette Taschentücher?“
„O ja, sehr hübsche, und Margaret’s Tuch ist obendrein mit kölnischem Wasser parfümirt,“ rief Jo, und fügte lachend hinzu: „Ich glaube, Mama, würde diese Frage nicht vergessen, wenn wir auch vor einem Erdbeben flüchteten.“
„Mama hat einen ächt aristokratischen Geschmack. Eine feine Dame erkennt man gewöhnlich an ihrem Fusszeug, Taschentuch und ihren Handschuhen,“ erwiederte Margaret, die selbst einen ziemlich aristokratischen Geschmack hatte.
„ Nun vergiss nicht, die verbrannte Bahn möglichst zu verbergen, Jo. Ist mein Gürtel gerade, und sieht mein Haar sehr auffallend aus?“ fragte Margaret, als sie sich nach langer Beschauung in Frau Gardiner’s Ankleidezimmer vom Spiegel abwandte.
„Ich fürchte, ich werde es vergessen. Wenn du siehst, dass ich irgend etwas Verkehrtes thue, so gieb mir nur einen Wink,“ sagte Jo, indem sie ihr Haar hastig bürstete.
„Ich werde die Augenbrauen zusammenziehen, wenn irgend etwas verkehrt geht, und nicken, wenn alles in Ordnung ist. Halte dich gerade und mache kleine Schritte. Schüttele auch nicht allen Leuten, denen du vorgestellt wirst, die Hand; das gehört sich nicht.“
„Wie fängst du es an, alle diese Dinge zu lernen? ich werde es nie so weit bringen,“ seufzte Jo. „Wie lustig die Musik klingt!“
Sie traten nicht ohne Herzklopfen in das Gesellschaftszimmer, denn sie nahmen selten an solchen Vergnügungen Theil, und so einfach auch diese kleine Abendgesellschaft war, für sie war sie doch ein Ereignis. Frau Gardiner, eine stattliche alte Dame, begrüsste sie freundlich und führte sie zu der ältesten ihrer sechs Töchter. Margaret kannte Sally und fühlte sich bald ganz heimisch; Jo aber, die an mädchenhaftem Geplauder nicht viel Geschmack fand, stand da, den Rüden ängstlich gegen die Wand gekehrt, und fühlte sich in dieser Umgebung so wenig zu Hause wie ein Füllen in einem Blumengarten. Ein halbes Dutzend munterer Knaben unterhielten sich in einem andern Theile des Zimmers von Schlittschuhen, und so hatte die grösste Sehnsucht, sich zu ihnen zu gesellen, denn sie war eine leidenschaftliche Schlittschuhläuferin. Sie telegraphirte Margaret ihren Wunsch, aber die Augenbrauen zogen sich