DER HAUSFRAUENMANN. Harald Heinz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Harald Heinz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754177969
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ein Mist, mein erster Arbeitstag und ich komme zu spät. Nur weil Du zu geizig bist, eine neue Batterie zu kaufen." Charlotte konnte es nicht fassen.

      Ein Grönland Tief hatte sich schon am Sonntag mit einem Temperatursturz angekündigt, in der Nacht seine weiße Fracht abgeladen und den Winter zurückkehren lassen. Florian musste den Passat, den sie nach der Geburt von Miriam gegen den Golf GTI eingetauscht hatten, von turmhohen Schneemassen befreien, aber jetzt streikte die Batterie.

      "Was is eine Battetie, Mami?" Miriam stand in ihrem weißen, wattierten Anorak neben ihrer Mutter und schaute sie neugierig an.

      "Nimm den Bus, ich besorg eine neue und heute Abend alles wie vereinbart," sie hatten ausgemacht, er fährt sie morgens zur Arbeit, bringt auf der Rückfahrt Miriam zum Kindergarten und holt sie abends wieder ab.

      „Wer weiß, wann der jetzt kommt," zu dritt, in unterschiedlicher Laune, stapften sie durch den Schnee. Die Haltestelle lag nicht weit entfernt, in derselben Richtung wie der Kindergarten.

      "Genau so habe ich es mir vorgestellt, aber Du weißt ja immer alles besser. Ich habe Dir vorige Woche schon gesagt, die Batterie macht es nicht mehr lange, aber nein, mein Herr Gatte ist ja immer schlauer."

      "Mit dem Bus kommst Du bei dem Wetter auf jeden Fall sicherer ins Büro."

      "Na wunderbar,“ schnaubte Charlotte, „dann muss ich Dir wohl noch dankbar sein, dass ich jetzt eingekeilt zwischen stinkendem Pöbel im Bus fahren darf."

      „Was is Pobel?“ Miriam ließ mit jedem Schritt den Schnee auffliegen.

      „Frag Deinen Vater.“ Aber Florian verzichtete auf eine Antwort.

      An der Haltestelle hatte sich eine Menschentraube gebildet, noch keinem Bus war es gelungen, bis hierher vorzudringen. Charlotte versuchte verschiedene vollbesetzte Taxis anzuhalten, ohne Erfolg. Ihre Laune passte sich der Außentemperatur an.

      Schon den ganzen Sonntag war sie unausstehlich gewesen, hatte fortwährend lamentiert, sie habe nichts zum Anziehen, und hatte Stunden vor dem Spiegelschrank im Schlafzimmer verbracht. Auf Florians Frage, ob sie morgen ein Casting beim Film habe, sauste ein Stiefel auf ihn zu, dem er geschickt auswich. Er hatte mit Miriam das Arbeitszimmer in sein neues Atelier umgebaut, der Computer musste Platz machen für die Staffelei, seine geliebte alte Staffelei, die er sorgsam verpackt aus einer Ecke des Kellers hervorholte. Die alten Farben waren eingetrocknet, was er sehr ärgerlich fand, er würde sich morgen neue besorgen müssen.

      Nach einer Viertel Stunde näherte sich, völlig überfüllt, der 315er. "Ich ruf Dich an, wann ich fertig bin," Charlotte, die vorwurfsvoll schweigend ihre missliche Lage akzeptiert hatte, drückte Miriam einen flüchtigen Kuss auf die Wange und schaffte es, sich als eine der Wenigen in den Bus zu quetschen.

      "Mami is heute böse, nich?"

      "Nein, sie ist nur ein bisschen aufgeregt, das ist heute Abend vorbei." Sie kämpften sich durch den Schnee, Miriam kletterte auf jeden zusammen gekehrten weißen Haufen, und er hatte Mühe, sie trotz Gummistiefeln mit trockenen Füßen im Kindergarten abzuliefern.

      Mit Brötchen für sein zweites Frühstück und der Zeitung unterm Arm öffnete er die Wohnungstür, zog die nassen Schuhe aus, setzte frischen Kaffee auf, öffnete die Hähne über der Badewanne und wanderte durch die Wohnung, die ihm jetzt jeden Tag bis 14.00 Uhr alleine gehörte.

      Sein Traum war ein renovierter Altbau mit Parkettboden, aber Charlotte war von dieser begeistert gewesen, und so waren sie eingezogen. Es war eine geräumige 4- Zimmer Neubauwohnung mit einem großen Balkon und zwei kleineren Zimmern für den Nachwuchs, wovon eins Miriam belegte und das andere jetzt sein neues Atelier war. Im Wohnzimmer setzte er sich in den alten französischen Lehnstuhl, den Charlotte mit in die Ehe gebracht hatte, ein Souvenir eines Frankreichurlaubs vor seiner Zeit. Die einzige Antiquität, die sie besaßen, mehr ein Dekorationsstück, denn er wurde nie benutzt. Er schloss die Augen und atmete tief aus: "Endlich!" Er konnte es immer noch nicht fassen und beglückwünschte sich selber zu seinem Mut, sich nur noch der Kunst zu widmen. Er schlenderte in sein Atelier, frisch gewachst stand die Staffelei gegenüber dem Fenster. "Born to be wild" singend, swingte er sich in ein selbstverliebtes, ausgelassenes Tänzchen, kehrte in die Küche zurück, schmiss seine Kleider auf den Stuhl, goss sich nackt eine Tasse Kaffee ein und machte es sich mit ihr und der Zeitung in der Wanne bequem. Er schlug das Feuilleton auf und suchte Frank´s Kritik, als das Telefon läutete.

      Er überlegte kurz es zu ignorieren, aber dann gewann die Neugierde die Oberhand, und er stemmte sich hoch. Zu heftig, die Kaffeetasse auf dem Rand kam ins Rutschen und versank im Badewasser, ein dunkelbrauner Fleck breitete sich aus. Er hatte noch versucht, sie aufzufangen, dabei aber die Zeitung kurz ins Wasser gedrückt, schlaff und triefend hing sie nun in seiner Hand. "Mist, verdammter," er stand auf dem Vorleger und griff nach seinem Bademantel, Franks Theaterkommentar ließ er auf den Boden platschen. Er lief in den Flur, aber kurz bevor er das Telefon erreichte, sprang der Anrufbeantworter an. Er hob den Hörer ab und schaltete die Maschine aus. "Schmidtlein, hallo." Aber er war zu spät.

      Er folgte den nassen Fußspuren auf dem Boden zurück ins Bad, betrachtete die hellbraune Brühe in der Wanne, hob die zusammen gepappte Zeitung auf und setzte sich an den Küchentisch. Aufs Baden verzichtete er.

      "Junger deutscher Regisseur versucht sich an Wedekind!" mühsam kämpfte sich Florian durch die nasse Rezension. Kritik konnte er es eigentlich nicht nennen, es war eine sarkastische Verurteilung der ganzen Aufführung, durchsetzt mit zynischen Anmerkungen. Florian verstand sie nicht, das Stück war ihm unbekannt, und Frank half ihm auch nicht, es kennenzulernen. Die Schauspieler wurden allesamt vernichtend beurteilt oder verhöhnt, an Herrn Fentzeck lobte er zum Beispiel seine Fähigkeit, Radfahren zu können und ein Herr Plätzbär wurde für sein Geigenspiel erwähnt. Dem Regisseur legte er den Berufswechsel nahe und nur ein gewisser Herr Mittelweg schien sich behauptet zu haben.

      „Gut, das er keine Ausstellungen kritisiert," Florian versenkte die Zeitung im Mülleimer.

      Gegen zehn Uhr rief er den ADAC an. Es könne gut eineinhalb Stunden dauern, beschied ihm eine freundliche weibliche Stimme. Es gab anscheinend noch mehr geizige Autofahrer, die nicht auf ihre Frauen hörten. Das mache nichts, er habe Zeit. Er schnitt ein Brötchen auf und widmete sich seinem zweiten Frühstück.

      "Wenn um 12 das Auto wieder läuft," überlegte er, "kann ich in Ruhe eine neue Batterie kaufen, die Farben besorgen und dann um 2 Mira abholen. Vielleicht mache ich heute Nachmittag eine kleine Skizze von ihr, die ich während der Woche vollende." Die Feigenmarmelade schmeckte ihm vorzüglich.

      Der Pannenhelfer kam um Viertel nach eins. Seit 12 war Florian nur noch nervös zwischen Kaffeetasse, Atelier und dem Fenster unterwegs gewesen, hatte nochmals angerufen, der Fahrer sei unterwegs, erklärte dieselbe weibliche Stimme, die ihre Freundlichkeit allerdings während des Vormittags eingebüßt hatte. Er hatte sich dann selbst beruhigt, schließlich sei morgen auch noch ein Tag, und Übermorgen und Überübermorgen auch, wozu die Aufregung, Zeit besaß er im Übermaß.

      Seine Werkstatt machte Mittagspause. Er fluchte leise vor sich hin und fuhr zum Kindergarten. Die ganze Stadt war ein einziges Verkehrschaos, er kam nur mühsam voran und fand dann keinen Parkplatz. Er parkte in der zweiten Reihe, schaltete die Warnblinker an und zog gewohnheitsmäßig den Zündschlüssel ab. Er trug seine Tochter auf dem Arm durch den Schnee, schnallte sie im Kindersitz fest und betätigte den Anlasser.

      „Scheiße, nein, bitte nicht," aber seine flehentliche Bitte erreichte die Batterie nicht, sie war wieder leer. Er öffnete die Motorhaube und starrte ratlos die nun unnütze Energiequelle an. Damit waren seine technischen Fähigkeiten erschöpft. Resigniert hockte er sich wieder ans Steuer.

      "Warum fähst Du nich, Papi, ich hab Hunge." Seine Tochter steigerte seine Hilflosigkeit und mit leicht nervösem Unterton erklärte er ihr: "Die Batterie ist doch krank, Mira, und muss sich ein wenig erholen." Er hoffte auf ein Wunder. Vergeblich. Mit einem wehleidigen Jaulen schaffte sie zwei Umdrehungen und verstummte. Er stieg aus, einen hilfsbereiten Autofahrer zu suchen. Der Erfolg ließ eine halbe Stunde auf sich warten.

      Nachdem der Passat mit einem Überbrückungskabel wieder funktionstüchtig,