Fightenant Clegg war ein dunkelhaariger Hüne. Er befehligte die Kampfabteilung der Glennrose. Ein guter Gardist, aber Anderson vermutete, dass der Mann ein wenig zu viel Ehrgeiz besaß. Er schien sich hervortun und bewähren zu wollen, um die Karriereleiter empor zu steigen. Er trat nach unten und zeigte sich nach oben hin dienstbeflissen. Anderson war ein Mann, der Härte und Disziplin zu schätzen wusste, aber Schikane konnte jeden guten Gardisten verderben. Es gab Offiziere, die sich derart unbeliebt machten, dass sie im Gefecht von hinten getroffen wurden. Clegg war immerhin brauchbar genug, so dass Anderson ihm dieses Schicksal möglichst ersparen wollte. Ondret war der Mann, der Clegg gelegentlich in Andersons Sinn ausbremste.
Prime-Sergeant Ondret fungierte in der offiziellen Besatzungsliste der Firma Richter als Lademeister, war aber zugleich ein sehr fähiger Regiments-Unteroffizier. Stämmig, wortkarg und immer bereit. Er war es, der für Disziplin sorgte und sie lieber mit seinen prankenartigen Fäusten, als mit der Neuro-Peitsche durchsetzte.
Sub-Sergeant Pfizer war fraglos der Spezialist an Bord, der über den Wert technischer Beute entschied. Ein hagerer Mann mit asketischen Gesichtszügen. Seine tief in den Höhlen liegenden Augen wirkten unheilvoll und düster. Ein kompetenter Mann mit wenig Humor.
Maschinen-Ingenieurin Tara hatte viele Liebhaber, jedoch nur eine Liebe: Die Maschinenanlage der Glennrose. Ihr unterstanden im Gefecht die Schadenkontrollteams.
Sloan war der Proviantmeister. Er jonglierte vorzüglich mit den verfügbaren Mitteln und schaffte es, die Verpflegung an Bord vielseitig und schmackhaft zu gestalten. Er leitete die Küche und schwang dort selbst gerne den Löffel. Sein Humor war gelegentlich ein wenig bissig, aber er hatte ein besonderes Vertrauensverhältnis zur Mannschaft. Gab es Unstimmigkeiten, so wandte man sich in der Regel an ihn, damit „die Suppe nicht nach oben kochte“ oder Ondret einschreiten musste.
Es gab noch eine Reihe von Sergeants und Corporals an Bord, die jedoch nicht zum kleinen Führungsstab des Schiffes gehörten.
Anderson, Horn und Tara trugen, wie die offizielle Besatzung, die roten Firmenoveralls. Dass die anderen die schwarzen Uniformen der Bruderschaft trugen, hatte seinen Sinn. Jeder, der eine solche Uniform trug wusste, dass er beim Besuch eines Raumhafens oder einer Station von der Bildfläche zu verschwinden hatte. Sie konnten nicht, wie die offiziellen „Firmenangestellten“, den Vergnügungsangeboten nachgehen, was hin und wider Murren hervorrief, auch wenn die Männer und Frauen die Notwendigkeit anerkannten. Ihre Entschädigung erfolgte, wenn das Schiff in einer Basis der schwarzen Bruderschaft ankerte.
Anderson hörte das leise Summen, als die Datei endlich eintraf und rief sie auf seinem Holoschirm auf. Er hatte diesen so eingestellt, dass die anderen nicht mitlesen konnten, denn er wollte sich erst sein eigenes Bild vom Inhalt der Nachricht machen. Der Funker behielt recht. Es war eine lange Nachricht und ihr Inhalt schwerwiegend. Skeet Anderson musste sich anstrengen, um äußerlich seine Ruhe zu bewahren.
Nachdem er die Nachricht nochmals gelesen hatte, musterte er unter halb geschlossenen Lidern die Anwesenden. Er wog die Konsequenzen der Informationen ab und wie die Besatzung darauf reagieren mochte. Es würde Probleme geben. Die entstanden immer, wenn man auf eine Gemeinschaft eingeschworen war, die es plötzlich nicht mehr gab. Auf jeden Fall durfte sein eigener Status nicht in Zweifel gezogen werden. Anderson zog unauffällig eine Schublade seines Schreibtisches auf und entnahm ihr sein liebstes antikes Stück: Eine alte Derringer-Pistole, die Bleiprojektile verschoss. Es war nicht einfach gewesen, die Munition für die kleine Waffe zu beschaffen, doch dafür ließ sie sich hervorragend unter der Manschette seines Overalls oder notfalls in der Handfläche verbergen.
„Die Nachricht, die wir über die Boje erhalten haben, ist von immenser Bedeutung für uns alle“, eröffnete er. Anderson erhob sich hinter seinem Schreibtisch, trat aber nicht in die Gruppe, sondern lehnte sich an die Kante des Möbels, da er von dort alle gleichzeitig im Blick behalten konnte. „Die Sky-Navy des Direktorats hat unsere Hauptbasis auf Hiveen-5 angegriffen. Unsere Kampfflotte wurde vernichtet oder aufgebracht und Hiveen von den Sky-Troopern des Feindes besetzt.“ Er sah das Erschrecken in den Gesichtern und fuhr mit harter Stimme fort. „Die Kreise der schwarzen Bruderschaft haben den Befehl, sich sofort aufzulösen. Alle Stützpunkte werden aufgegeben und geräumt, die Einrichtungen zerstört. Alle Kaperschiffe haben die Anweisung, sämtliche Aktivitäten mit sofortiger Wirkung einzustellen.“ Er warf einen Blick auf Kresser, der mit ausdruckslosem Gesicht dasaß. „Das gilt ebenso für alle Verbindungsleute und Agenten der Bruderschaft. Hinweise, die auf unsere Spur führen könnten, sind zu beseitigen.“ Ein erneuter Blick zu Kresser. „Das gilt auch für unzuverlässige Kontakte.“
In der Kabine herrschte betroffenes Schweigen, bis Kresser mit ganz ruhiger Stimme sprach. „Ich habe so etwas geahnt und keine losen Enden hinterlassen.“
Der Agent hatte also alle Verbindungsleute, die gefährlich werden konnten, umgebracht. Noch bevor der offizielle Befehl erfolgt war. Anderson bewunderte die Vorsicht und das Gespür des Agenten, andererseits hätte dieser sonst wohl auch nicht so lange überlebt.
Tara und Sloan sahen Kresser schockiert an. „Sie haben die Kontakte abgebrochen?“
„Und mich in die Registratur von Kelly´s Rest gehackt und dort alle Daten über die Glennrose gelöscht“, erklärte der Agent. Er sah Anderson lächelnd an. „Natürlich verschafft uns das nur einen Zeitaufschub. Beim nächsten Abgleich, mit dem Zentralregister des Direktorats auf dem Mars, werden die Dateien natürlich wieder hergestellt und wahrscheinlich gibt es auch ein paar Leute, die sich an die Besuche der Glennrose in der Freihandelszone erinnern können, aber jeder Zeitgewinn ist kostbar.“
„Dem stimme ich zu.“ Anderson erwiderte das Lächeln.
„Moment, was hat das zu bedeuten?“, fragte Proviantmeister Sloan.
„Das wir verschwinden müssen“, antwortete Anderson mit harter Stimme. „Und zwar schnell und endgültig.“
„Ich protestiere.“ Clegg war normalerweise nicht der Mann, der sich so weit aus dem Fenster lehnte und sich gegen eine Entscheidung des Captains stellte. „Selbst wenn Hiveen von der Sky-Navy genommen wurde, so bedeutet das ja nicht, dass alle Kreise und Stationen unserer Bruderschaft…“
„Die Befehle in der Nachricht sind eindeutig“, unterbrach Susan Horn.
„Und von wem wurden sie autorisiert?“, erregte sich Clegg.
„Eine solche Nachricht kann nur mit der Bestätigung eines Ersten der Kreise in eine Boje eingespeist werden“, wandte Ingenieurin Tara ein. „Welcher der Ersten das war, spielt keine Rolle.“
„Ach, und was sollen wir nun tun?“ Clegg sah die Anwesenden herausfordernd an. „Heißt das jetzt etwa, dass die Bruderschaft nicht mehr existiert?“
„Genau das“, bestätigte Skeet Anderson. „Sie ist aufgelöst und wir sind jetzt de facto Heimatlos und auf uns selber gestellt.“
„Also arbeiten wir künftig auf eigene Rechnung“, brummte Prime-Sergeant Ondret.
„Kann man so sagen.“ Anderson seufzte. „Wobei wir uns natürlich erst über unser künftiges Vorgehen im Klaren sein müssen. Wir werden unsere Aktivitäten im Raum vorläufig einstellen.“ Er straffte seine Haltung. „Es wäre zu gefährlich, die Aufmerksamkeit der Sky-Navy oder der Sky-Marshals zu erregen, indem weiterhin Schiffe verschwinden. Wir haben nun keine starke Organisation mehr im Rücken und auch keine Basis, zu der wir uns zurückziehen könnten. Wie ich schon erwähnte, sind wir auf uns alleine gestellt.“
„Nun, Sir, Sie sind sicherlich der Captain dieses Schiffes“, begann Clegg zögernd, „allerdings hat mich die Bruderschaft als kommandierender Offizier der Gardisten autorisiert. Da die Garde den weitaus größten Anteil der Besatzung…“
Clegg kam nicht weiter. Zwei Weichbleikugeln