Die Popularität des Vertheilungs-Vereins unter unsern Damen ist ohne Beispiel; – und der Kinderprüfungs-Verein geht seinem vollständigen Verfall entgegen.
Siebentes Kapitel
Unser nächster Nachbar.
Bei unsern Spaziergängen durch eine Straße machen wir uns gern unsere Gedanken über den Charakter und die Beschäftigung Derjenigen, welche in derselben wohnen, und nichts unterstützt uns dabei so wesentlich, als das Aeußere der Hausthüren. Das verschiedene Gepräge des menschlichen Gesichtes bildet einen schönen und interessanten Stoff für das Studium; aber es liegt fast eben so viel Charakteristisches und kaum weniger Trügliches in der Physiognomie der Thürklopfer. So oft wir Jemand zum ersten Mal besuchen, so betrachten wir die Umrisse seines Thürklopfers mit der angelegentlichsten Neugierde, denn wir wissen wohl, daß zwischen dem Mann und seinem Klopfer nothwendig ein gewisser Grad von Aehnlichkeit und Sympathie stattfinden muß.
So gehe ich z. B. eben an einem Thürklopfer vorbei, der zu der gewöhnlicheren Sorte gehört: er ist groß und rund, und ruht auf dem lustigen Gesichte eines zutraulichen Löwen, der einem freundlich zulächelt, wenn man mit den Fingern in den Haarlocken dreht, oder an dem Hemdkragen zupft, bis die Thüre geöffnet wird. Wir sahen nie einen solchen Klopfer an der Thüre eines filzigen Mannes, und unserer Erfahrung zufolge, verkündet er immer, daß man bei einer Flasche gern gesehen ist.
Man bemerkt einen solchen Klopfer nie an der Thüre eines kleinen Anwalts oder eines Papiermäklers, denn diese lieben eine andere Art von Löwen, eine wildaussehende Bestie mit groben Zügen, in denen sich viehischer Stumpfsinn ausdrückt: dieser ist eine Art Großmeister unter den Klopfern und das Lieblingssymbol eines selbstsüchtigen Grobians.
Dort ist ein kleiner naseweiser Aegyptier mit langem, schmalem Gesichte, aufgestülpter Nase und sehr spitzigem Kinn, den man vorzugsweise bei den Regierungsbeamten mit ihren hellbraunen Beinkleidern und Steifcravatten vorfindet. Diese sind kleine, sparsame, superkluge Leute, welche gewaltig von sich eingenommen sind und das non plus ultra aller Wichtigkeit zu sein wähnen.
Vor einigen Jahren wurden wir nicht wenig in Verlegenheit gesetzt durch eine neue Art von Thürklopfer, ganz ohne Gesicht, der nur aus einem von einer Hand oder von einem kleinen Stab herunterhängenden Ring bestand. Einiges Nachdenken setzte uns jedoch in die Lage, die Schwierigkeit zu überwinden und die Neuerung unserer Lieblingstheorie einzuverleiben. Man findet diesen Klopfer ohne Unterschied an den Thüren kalter, förmlicher Leute, die Einen immer fragen, warum man sie nie besuche, während sie Einen doch nie einladen.
Alle Welt kennt den Thürklopfer der Landhäuser in Vorstädten und ausgedehnteren Kostschulen: er bildet die hervorstechendste und bezeichnendste Species.
Einige Phrenologen behaupten, daß die Thätigkeit des menschlichen Gehirns bei verschiedenen Leidenschaften entsprechende Veränderungen in der Form des Schädels veranlasse. Man darf uns jedoch nicht so verstehen oder unsere Theorie so weit auf die Spitze treiben, daß, unserer Behauptung zufolge eine Veränderung in dem Charakter eines Menschen, eine erkennbare Wirkung auf die Physiognomie seines Thürklopfers übe; denn unsere Ansicht ist blos die, daß in einem solchen Falle der magnetische Rapport, der zwischen dem Mann und seinem Thürklopfer besteht, Ersteren veranlassen wird, den Letzteren zu entfernen, und ihn mit einem solchen zu ersetzen, der seiner veränderten Sinnesart angemessen ist. Findet man je, daß Jemand seine Wohnung ohne einen vernünftigen Grund wechselt, so kann man sich darauf verlassen, daß es deßhalb geschehen ist, weil der Bewohner nicht mehr mit seinem Klopfer übereinstimmte, obgleich dieß der Betheiligte vielleicht selbst nicht einmal ahnt. Unsere Theorie ist zwar neu, aber wir halten sie dem ungeachtet fest, und betrachten sie für ebenso geistvoll und untrüglich, als viele tausende der philosophischen Spekulationen, welche täglich zum Besten des allgemeinen Wohles und des häuslichen Glückes in's Leben treten.
Da die Klopfer für uns eine solche Wichtigkeit haben, so kann man sich leicht denken, mit welcher Bestürzung uns die Entfernung eines solchen von der Thüre unseres Nachbarhauses erfüllte, da derselbe vor einiger Zeit durch eine Klingel ersetzt wurde. Das war ein Strich durch unsere Rechnung, den wir nicht voraus gesehen hatten. Schon der bloße Gedanke, daß Jemand ohne Klopfer existiren könnte, erschien uns so träumerisch, daß wir ihn nicht einen Augenblick für möglich gehalten hätten.
Wir verließen unmuthig die Stelle und lenkten unsere Schritte nach Eaton Square, das eben im Entstehen begriffen war. Aber man denke sich unser Staunen und unsern Unwillen, als wir daselbst fanden, daß die Klingel zur Regel gehörte und der Klopfer nur eine Ausnahme bildete. – Unsere Theorie erlitt hiedurch einen gewaltigen Stoß. Wir eilten nach Hause, und da wir in den nächsten Zeiten schon dem gänzlichen Außerbrauchkommen einer solchen Thürzierde entgegen sehen zu müssen glaubten, so entschlossen wir uns, von Stund an unsere Forschungen an unsern nächsten Nachbar in Person anzustellen. Das Haus zu unserer Linken war unbewohnt, und wir hatten daher volle Muße, unsern Nachbar zur Rechten zu beobachten.
Das Haus ohne den Klopfer gehörte einem Stadtbediensteten, und in dem Fenster des Parterrezimmers stak ein zierlich geschriebener Zettel mit der Nachricht, daß hier eine Wohnung für einen ledigen Herrn zu vergeben wäre.
Es war ein niedliches, ziemlich kleines Haus auf der Winterseite, mit neuen, schmalen Bodentüchern in der Hausflur und neuen schmalen Teppichen auf der Treppe in den ersten Stock. Tapeten, Malerei und Hausgeräthe waren neu, und alle drei verkündigten die beschränkten Mittel des Bewohners. In einem der Zimmer lag ein kleiner roth und schwarzer Teppich, der nicht den ganzen Boden bedeckte; und ein paar eingelegte Sessel, ein Pembroketisch und zwei kleine Pfeilercommoden, auf deren jeder eine rosenfarbene Schaale stand, bildeten, nebst dem Theeservice, der Zuckerdose, einigen Muschelschaalen auf dem Kamingesims und drei geschmackvoll übereinander gelegten Pfauenfedern über demselben, die Ausstattung des Gemachs.
Dieß war das Zimmer, welches den ledigen Herrn den Tag über beherbergen sollte, während eine kleine Hinterstube auf demselben Boden das Schlafappartement abgeben sollte.
Der Zettel hatte noch nicht lange in dem Fenster gesteckt, als sich ein wohlbeleibter, gutmüthig aussehender Gentleman von ungefähr Fünfundvierzig als Bewerber um das Logis meldete. Die Bedingungen waren bald bereinigt, und unmittelbar nach diesem ersten Besuche wurde der Zettel wieder weggenommen. Ein paar Tage nachher zog der ledige Herr ein, und bald darauf erfuhr man auch, wessen Geistes Kind er wäre.
Zuerst ließ sich bemerken, daß er eine außerordentliche Vorliebe für das Aufbleiben bis drei oder vier Uhr Morgens hegte, wobei er Wiskey und Wasser trank und Cigarren rauchte; dann machte er auch gerne Einladungen an seine Freunde, welche sich um