Sie versuchte, sich von den frech zugreifenden Händen des Kaisers zu befreien. Doch das kurze Ringen entblößte nur ihre rechte Schulter.
Der Anblick der marmornen Halbkugel nahm den Cäsar gefangen. Er starrte auf die schneeige Haut und hielt inne in seiner Zudringlichkeit. Weit beugte er den Kopf vor und murmelte undeutliche Worte. Der überstarke Reiz seiner Sinne rettete für den Augenblick Messalina aus der Gefahr. Er legte eine Hand auf die blutdurchpulste Rundung des enthüllten Fleisches und sah regungslos, als lausche er auf die Ströme, die durch die Berührung mit dieser glatten, kühlen Stelle des jugendlichen Körpers auf ihn überfluteten. So verharrte er lange, bis er mit fast vorsichtigen Fingern auch die linke Schulter Messalinas vom Gewande befreite.
Sie duldete mit geschlossenen Augen, ohne Widerstand und ohne Möglichkeit der Bewegung, weil Caligula jetzt fest zupackte und sie in das Halbrund der Lehne zurückdrängte. Sie duldete jedoch auch, weil trotz allen Widerwillens gegen den Mann und seine Gewalttat eine Erschlaffung in ihrem Blute rieselte, die sie lähmte und willenlos machte.
Da zerrissen Worte des Kaisers den hypnotischen Bann. Diese Worte siedeten auf aus dem Sadismus des Kaisers, aus der krankhaften Mischung seines Gefühls, die seine Sinnlichkeit stets mit der Grausamkeit des mordlüstigen Wahnsinns tränkte.
»Die Schönheit deines Halses ist ein Wunder,« sagte er ganz klar, bewußt und kritisch. »Er baut sich auf wie aus Alabaster geschliffen. Er verheißt, wie deine Schultern, viel Körperschönheit.«
Ganz sacht betastete er in fast scheuer Berührung die Haut, ihre Kühle prüfend.
»Wäre es Tag, Messalina, und du säßest gegen die Sonne, so würde an beiden Seiten deines Halses ein rötlicher Schimmer leuchten, wie, wenn man die Hand gegen das Licht hält, zwischen den Fingern das Blut farbig pulst. Es muß schön sein, diesen Hals zu küssen. Aber es gibt noch etwas Schöneres!«
Er maß zwischen Daumen und Zeigefinger die Kehle.
»Von da bis da – ein rascher Schnitt – die Wunde klafft wie ein purpurner Mund. – Und wie deinem Munde heiße Worte der Liebe entströmen können, wenn du nur willst, so würde der Wunde heißes Blut entströmen.«
Er betrachtete seine gespreizten Finger und wischte sie an seinem Gewände ab, als müsse er sie von Blut reinigen. Dann sagte er nach einem Aufseufzen:
»Es müßte eine vernichtende Lust sein, Messalina, dir den Hals abzuschneiden. Ich könnte jetzt einen Sklaven rufen, es zu tun ... Aber lassen wir's ... Ich würde ihn vielleicht beneiden.«
Voller Grauen und Entsetzen hatte Messalina diese Reden über sich ergehen lassen. Worte, die fast ohne Ausdruck, eintönig wie das Tröpfeln von Blut, über des Kaisers Lippen fielen.
In Gedanken verloren, sah er da. Sein brennendes Begehren schien er vergessen zu haben.
Messalina nahm alle Kraft des Willens zusammen, die Angst vor diesem Manne zu bezwingen. Wenn sie jetzt flüchtete? Aber wer half ihr, aus dem Gemache zu entkommen? Die Griechin? Die stand noch immer mit geneigtem Haupte an dem Vorhang, leblos und in sich zurückgezogen, als wäre ihr die Gabe verliehen, mit dem Körper zugegen, mit Sinnen und Seele fern zu sein, bis man ihrer benötigte. Und der taubstumme Wächter draußen? Vielleicht war seine Pflicht nur, kein weibliches Wesen von der Türe fort, doch ungehindert die von dannen zu lassen, die einmal des Kaisers Gemach betreten hatten. Leise erhob sich Messalina – da rief das Rascheln des Gewandes den Imperator in die Gegenwart zurück.
»Du kannst den Raum nicht verlassen, Messalina,« bedeutete er, den Blick vollkommen ruhig erhebend. »Der Prätorianer draußen – er ist mein Liebling und der getreueste aller Germanen – läßt dich nicht hinaus ohne meinen ausdrücklichen Befehl. Behalte Platz, ich will mit dir sprechen.«
Er zog sie an den Händen in den Sessel zurück und hob sogleich an:
»Man erzählt sich, dieser Abalanda – er ist mein Gast in Rom, und ich habe deinen Vater geehrt, indem ich den nordischen Sendling eurem Hause zuwies – man erzählt, Abalanda bewerbe sich um deine Gunst. Gefällt er dir?«
Messalina glaubte schon, die Zusammenkunft mit dem Kaiser gleite in weniger gefährliche Bahnen. Da sie nun wußte, daß ihr jede Möglichkeit zur Flucht abgeschnitten war, entschloß sie sich, dem Gespräche standzuhalten. Vielleicht gelang es ihr, den Kaiser zu ermüden, daß er sie selbst freigab, überdrüssig ihrer Gesellschaft. Sie straffte sich, lehnte sich in den Sessel zurück und zwang sich mit aller Macht, vollkommen furchtlos zu erscheinen.
»Abalanda?« nahm sie die Frage des Kaisers auf. »Er gefällt mir, wie ein stattlicher Mann wohl jedem Mädchen gefällt.«
»Aber mit dem Gefallen muß doch ein Gefühl verbunden sein,« behauptete Caligula. »Ich hätte dich also richtiger fragen müssen: was fühlst du für ihn?«
»Nicht mehr als die Ehrerbietung, die man einem kaiserlichen Gaste schuldet,« antwortete sie. »Vielleicht auch ein wenig Freundschaft, da er höflich und aufmerksam ist, auch seine Neigung verbirgt, um mir nicht lästig zu werden.«
»Er wirbt also nicht offen um dich,« nickte Caligula vor sich hin. »Nun ja, das darf man von diesem Arkadier wohl auch kaum erwarten.«
»Arkadier?« fragte Messalina erstaunt. »Warum nennst du ihn so, da er doch kein Südländer ist?«
»Weil aus Arkadien die größten Esel und die einfältigsten Menschen kommen,« erklärte der Kaiser und lachte und freute sich, als habe er einen trefflichen Witz gemacht.
»Aber nicht das allein. Man muß, dem langen Barte nach, deinen Freund auch für einen sittenstrengen Mann halten, der den Liebesgenuß verschmäht. Als ich – ihn seines Vaters wegen auszuzeichnen – ihm erlaubte, gleich einem Römer die Toga zu tragen, konnte ich ihn nur mit Mühe überreden, sich das Haupthaar scheren zu lassen. Langhaarige Bartträger aber sind immer Sittenbolde und Schulmeister.«
»Und Glatzköpfe?!« fragte Messalina keck.
»Meinst du damit mich?« rief der Kaiser heftig und betupfte seinen kahlen Schädel.
Da ward dem Mädchen angst vor seinen zornigen Augen. Sie log verwegen. »Nein, Herr. Du bist nicht sittenlos. Das weiß ich und ganz Rom. Du liebst die Kaiserin, deine Gemahlin.«
Leicht, wie jeder Irre, von einem Gedanken abgelenkt, erwiderte er lebhaft:
»Oh, Cäsonia über alles! Es gibt kein Weib, das mich so liebevoll verstünde wie Cäsonia. Ich will dir erzählen, was mich mit ihr zusammenführte.«
Er erhob sich und befahl der Sklavin, den Stuhl beiseitezustellen.
»Ich spreche freier, wenn ich auf- und abschreiten kann,« erklärte er, zu Messalina gewandt.
Die Griechin erwachte für einen Augenblick aus ihrer Statuenhaftigkeit und räumte den kleinen Sessel fort. Dann nahm sie ihren Platz am Vorhang wieder ein. Und ihr Antlitz versteinte von neuem.
Der Kaiser ging eine Weile schweigend umher, als überdenke er seine Worte.
Endlich begann er:
»Die Menschen beneiden mich um den Glanz meiner Stellung, um die Macht in meinen Händen, um den Reichtum. Hinter dem Glanze verbirgt sich die Dunkelheit eines seelischen Leides, das ich keinem offenbaren kann. Hinter der Macht verborgen ist erbärmliche Machtlosigkeit. Denn wenn ich allem gebieten kann, so kann ich doch nie meinem Schlaf gebieten, daß er mich erquicke. Hinter dem Reichtum also lauert die Armut eines Menschen, der an dem Köstlichsten, der kraftspendenden Ruhe und Erholung, darbt. Reichtum überhaupt – er ist nur gut, um vertan zu werden. Hat es Zweck, Reichtum zu mehren? Auf Erden bleibt vom irdischen an mir nichts