Das junge Bürgerthum lässt seiner nicht spotten. Durch Mauern fest, ist es noch fester von Sinnesart; die Kraft und der Muth der Urväter, denen Mauern verhasst waren, hat sich im Bürgerthum erhalten und in neuer Weise erfreulich entfaltet; der uralt eingeborene Freisinn hat durch den Sinn für Ordnung und Gesetzlichkeit seine Weihe bekommen. Die Tüchtigkeit der Bürgerschaft von Giessen zeigt sich schon bald nach jener Anordnung des Landgrafen Otto. Er hatte langen Zwiespalt mit dem Kurfürsten Peter Aichspalter von Mainz. Dessen Nachfolger, Matthias, belagert, mit dem streitbaren Kurfürsten Balduin von Trier verbündet, 1327 das feste Giessen und erstürmt es nach mannhaftem Widerstand. Nun waltet das Kriegsvoll in der eroberten Stadt voll Uebermuth gar übel gegen Zucht und Recht. Aber die Bürger erduldend nicht lang. Wenige Wochen vorbei; da schallt es in allen Gassen: „Waffen zur Hand!“ und die Bürgerschwerter blitzen, die Uebermüthigen flieh'n; die Bürger aber übergeben die Stadt ihrem Landgrafen getreulich wieder. Sagt an: Was gibt es Edleres im Staat Tils Bürgersinn? Was stützt Fürsten so sicher? Und was festigt so gut, wie Freiheit, die Kräfte zu üben, die sich in schlimmen Zeiten erprobten? Und immer stattlicher wächst die Bedeutung Giessens heran, wie die Landgrafen die Stadt mit Freibriefen begaben, so Heinrich, zubenannt der Eiserne (1367), so Hermann, zubenannt der Gelehrte (1400), und Wilhelm (1498). Kaiser Maximilian I. verleiht der Stadt (1497) einen freien Jahrmarkt auf 8 Tage. Auch die neue Richtung des Handelsweges wird für Giessen von grossem Einfiuss. Die Verbindung zwischen dem deutschen Norden und Süden verfolgt den Zug über Giessen und Marburg. Die Heerstrasse bringt der Stadt Güter und Kaufleute; die engen krummen Gassen wimmeln von Menschen, und die Münze mit aller Herren Wappen rollt rascher von Hand zu Hand. Wohlhabenheit hat stets auch auf das Zunehmen der politischen Bedeutung einer Stadt für‘s Land wichtigen Einfluss, denn sie dient dem Selbstgefühl als Pfeiler, wenn auch nicht als Fundament; dies bleibt stets die Gesinnung. Und die Gesinnung ist in Giessen eine unwandelbare Liebe zum Fürstenhause. In der verhängnissvollen Zeit der Irrungen zwischen den beiden Brüdern, dem Landgrafen Ludwig dem Freimüthigen und Heinrich III, steht die Stadt Giessen (1469) in der Reihe der Vermittler. Nach dem Tode des Landgrafen Wilhelm II. soll sie mit Kassel, Marburg und Eschwege dessen letzten Willen vollziehen; — Beweise der höheren Bedeutung, welche sie errungen hat, der achtunggebietenden Stellung, welche sie im Lande behauptet.
Was rauschen die Wasser plötzlich so mächtig? Das klingt wie Gesang von alten Helden, wie ein hohes Lied von deutscher Kraft und Herrlichkeit! Welche Zeit, o Nixe, sahst du so sonnig über dir aufgehen, dass du alle Töne der Freude so hell und voll austönen lässest?
Der Frühling kommt, mit Holm und Speere,
Ein leuchtend Schwerdt in seiner Hand;
Er zieht heran für deutsche Ehre,
Sein Ruf: Ein freies Vaterland!
Nicht länger soll in dumpfen Mauern
Des Volkes allgemeiner Hort.
Der Geist — als ein Gefangner trauern,
Nicht länger sei gebannt, o Wort!
Da spannt der Lenz den goldnen Bogen,
Die Pfeile fliegen weit und breit;
Und Fürsten kommen hergezogen
Zu ihm als ritterlich Geleit.
Sie reichen sich die starken Rechten,
Und freudig ruft ihr bester Held:
„Die Wahrheit treulich zu verfechten
Gilt mehr als alles Gut der Welt!“
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