Auf einer dieser Inseln, wo sich Wasser und Holz vorfanden, wurden nun Zelte aufgeschlagen und die Kranken, durch eine starke Abteilung Bewaffneter geschützt, darin untergebracht. Die Eingeborenen kamen sofort an Bord, einzelne übernachteten sogar daselbst, und der Tauschhandel begann, erleichtert durch ein tahitisches Wörterbuch, bald im großen Maßstabe.
„Ich bemerkte“, sagt Crozet, „unter den seit den ersten Tagen an Bord gekommenen Wilden zu meinem Erstaunen drei verschiedene Stämme, von denen der eine aller Wahrscheinlichkeit nach der der wirklichen Urbewohner weißen, ins Gelbliche spielenden Teint hatte. Die Zugehörigen dieses Stammes sind die größten der Bewohner; ihr Körper misst gewöhnlich 5 Fuß und 9 bis 10 Zoll, ihre Haare sind glatt und schlicht; andere haben dunklere Hautfarbe, etwas gekräuseltes Haar und geringere Größe; die Kleinsten endlich sind wollhaarige Neger mit breit entwickelter Brust. Die erstgenannten haben sehr wenig, die Neger sehr starken Bartwuchs.“
Die Richtigkeit dieser merkwürdigen Beobachtung sollte später volle Bestätigung finden.
Es erscheint unnütz, sich hier ausführlicher über die Sitten der Neuseeländer, über ihre befestigten Dörfer, von welchen Marion eine sehr eingehende Beschreibung liefert, über Waffen, Bekleidung und Nahrung derselben zu verbreiten, diese Details sind unseren Lesern schon aus den Reisen Cook's u. A. bekannt.
Die Franzosen hatten drei Lagerposten auf dem Lande: den der Kranken auf der Insel Matuaro; einen zweiten auf der Hauptinsel, der als Sammelstelle, Niederlage und als Verbindungsglied für den dritten, nämlich den der Zimmerleute diente, der zwei Meilen weiter, mitten im Walde errichtet war. Verlockt durch das freundschaftliche Benehmen der Wilden, unternahmen einzelne Leute von der Besatzung sehr ausgedehnte Ausflüge in das Landesinnere und hatten sich überall eines wirklich herzlichen Empfanges zu erfreuen. Dadurch nahm das gute Vertrauen so sehr zu, dass Marion, trotz Crozet's Widerspruch, befahl, die ans Land gehenden Schaluppen und Boote nicht mehr zu bewaffnen. Gewiss die unverzeihlichste Unklugheit in einem Lande, wo Tasman die erste Stelle, die er seinerzeit anlief, doch nicht ohne Ursache die „Bai der Mörder“ nannte, und wo Cook Anthropophagen antraf und bald selbst umgebracht worden wäre!
Am 8. Juni ging Marion persönlich ans Land und wurde mit ganz außergewöhnlichen Freundschaftsbezeugungen empfangen. Man rief ihn zum Oberhäuptling des Landes aus, und die Eingeborenen steckten ihm vier weiße Blumen als Zeichen der Souveränität ins Haar. Vier Tage später ging Marion wiederum ans Land, mit zwei jungen Offizieren, de Vaudricourt und Le Houx, einem Volontär, dem Rüstmeister und einigen Matrosen, zusammen siebzehn Mann.
Abends kehrte niemand nach dem Schiffe zurück, ohne dass das jemand beunruhigt hätte, da man die fast aufdringliche Gastfreundschaft der Wilden kannte. Man nahm vielmehr an, Marion werde gleich auf dem Lande geschlafen haben, um am nächsten Tage den Arbeitsplatz der Zimmerleute bequemer besuchen zu können.
Am 13. Juni lief die Schaluppe der „CASTRIES“ aus, um den Tagesbedarf an Holz und Wasser zu holen. Da sah man um neun Uhr einen Mann auf die Schiffe zuschwimmen: man sandte ihm eine Jolle zu Hilfe. Es war einer der Leute aus der Schaluppe, der allein bei der Niedermetzelung seiner Kameraden entkommen war. Er hatte zwei Lanzenstiche in der Seite und verschiedene Spuren erlittener Misshandlung am Körper.
Seiner Erzählung nach erwiesen sich die Eingeborenen bei Annäherung der Schaluppe ebenso freundlich wie immer und trugen sogar die Matrosen, welche sich nicht durchnässen wollten, auf den Schultern ans Ufer. Als letztere sich aber zum Einsammeln von Holz zerstreut hatten, erschienen die Eingeborenen, bewaffnet mit Lanzen, Stöcken und Keulen, in großer Anzahl wieder und stürzten sich je Sechs bis Sieben auf einen Matrosen. Ihn selbst überfielen nur zwei Männer, die ihm einige Lanzenstiche beibrachten, und denen er nur deshalb glücklicherweise entfliehen konnte, weil er sich in der Nähe des Meeres befand, wo ihn ein Gebüsch von weiterer Verfolgung schützte. Von da aus sah er die Hinmordung aller seiner Kameraden mit an. Die Wilden hatten die Leichen sofort der Kleidung beraubt, denselben die Bauchhöhle aufgeschlitzt und begannen sie eben zu zerstückeln, als er geräuschlos sein Versteck verließ und in der Hoffnung, sein Schiff schwimmend wieder zu erreichen, trotz Erschöpfung ins Wasser sprang.
Hatten die sechzehn Mann, welche Marion begleiteten und von denen bis jetzt jede Nachricht fehlte, dasselbe Schicksal erlitten? Das war leider anzunehmen. Jedenfalls galt es jetzt, keine Minute zu verlieren und alles aufzubieten, um die drei Posten auf dem Lande zu retten.
Chevalier du Clesmeur übernahm die Ausführung der nötigen Maßregeln, und nur seiner Energie ist es zu verdanken, dass das Unheil nicht noch größere Dimensionen annahm.
Sofort wurde die Schaluppe der „MASCARIN“ ausgerüstet und zur Aufsuchung der Schaluppe Marion's und dessen Begleitbootes ausgesendet mit dem Auftrag, alle Posten dem entferntesten, wo Masten und Raaen hergestellt wurden, zu Hilfe zu senden. Unterwegs sah man auf dem Ufer, nahe dem Dorfe Tacoury's, die beiden vermissten Boote, umringt und geplündert von Wilden, welche die Matrosen umgebracht hatten.
Ohne sich durch die Wiederwegnahme der Fahrzeuge aufzuhalten, spannte der Offizier alle Kräfte seiner Leute an, um möglichst schnell nach dem Zimmerplatze zu gelangen. Dieser war zum Glück noch von einem Angriffe verschont geblieben. Natürlich wurden die Arbeiten sofort eingestellt, Werkzeuge und Waffen gesammelt, die Flinten scharf geladen und die Gegenstände, welche man nicht mitnehmen konnte, unter den Trümmern der in Brand gesetzten Baracke begraben.
Nun erfolgte der Rückzug mitten durch mehrere Haufen Wilder, die immer die unseligen Worte riefen: „Tacouri mate Marion!“ (Tacouri hat Marion erschlagen!) So zog man zwei Meilen weit hin, ohne dass ein Angriff auf die aus sechzig Mann bestehende Abteilung erfolgt wäre.
Erst als man in die Nähe der Schaluppe kam, drängten die Wilden heran. Crozet ließ nun zuerst die mit Paketen belasteten Matrosen einsteigen und machte den Wilden, indem er auf der Erde eine Linie zog, verständlich, dass jeder, der es wagen würde, diese zu überschreiten, dem sicheren Tode entgegengehe. Dann erfolgte der Befehl zum Einsteigen, und es war gewiss ein merkwürdiges Schauspiel, die Tausende von Wilden widerspruchslos gehorchen zu sehen, trotz ihres Verlangens, sich auf eine sicher geglaubte Beute zu stürzen, die sie sich jetzt entgehen sahen.
Crozet schiffte sich zuletzt ein. Kaum hatte er den Fuß in das Boot gesetzt, als ein wüstes Kriegsgeschrei erschallte und Wurfspieße und Steine von allen Seiten herbeiflogen. Die Wilden gingen nun zu offenen Feindseligkeiten über und wateten sogar ins Wasser, um ihren Gegnern besser beizukommen. Crozet sah sich endlich gezwungen, den Betörten das Übergewicht seiner Waffen fühlbar zu machen, und ließ Feuer geben. Als die Neuseeländer ihre Kameraden tot oder verwundet zusammenbrechen sahen, scheinbar ohne von einer Waffe berührt worden zu sein, hielten sie stutzend inne. Sicherlich wären alle im nächsten Umkreise getötet worden, wenn Crozet nicht selbst dem Blutbade ein Ziel setzte.
Die Kranken wurden ohne Unfall an Bord zurückgebracht und die verstärkte und jetzt doppelt vorsichtige Wache bei denselben nicht weiter belästigt.
Am nächsten Tage versuchten die Eingeborenen, die auf der Insel Matuaro ein ansehnliches Dorf besaßen, doch wieder, die Matrosen am Einholen des nötigen Wassers und Holzes zu hindern. Diese drangen aber mit gefälltem Bajonett auf die Wilden ein und vertrieben dieselben bis nach dem erwähnten Dorfe, wohin sie sich zurückzogen. Da vernahm man die Stimme der Häuptlinge, die sie zum Kampfe reizten. In Pistolenschussweite von dem Eingange des Dorfes eröffnete man nun das Feuer, als dessen erste Opfer, die Häuptlinge fielen. Darüber erschrocken, ergriffen die Eingeborenen die Flucht. Man streckte noch etwa fünfzig zu Boden, jagte die Übrigen ins Meer und legte das Dorf in Asche.
Es war natürlich gar nicht daran zu denken, die schönen Maste aus Zedernstämmen, deren Fällung so viele Mühe gemacht hatte, nach dem Strande zu schaffen, und man musste sich zur Vervollständigung des Mastwerkes damit begnügen, einzelne, auf den Schiffen vorhandene Holzstücke möglichst haltbar zu vereinigen. Die Beschaffung