„Bis zum 13. Oktober segelte man längs der Küste desselben hin, an welchem Tage man einen, gegen alle Winde geschützten, von einer Menge kleiner Inseln gebildeten Hafen auffand, der den Namen „Port Praslin“ erhielt; dieser liegt unter 7° 25' südlicher Breite und 151° 55' östlicher Länge von Paris.“
Beim Einfahren in diesen Hafen bemerkten die Franzosen einige mit Lanzen bewaffnete Indianer, welche eine Art Schild auf dem Rücken trugen. Bald wurde die „ST.JEAN BAPTISTE“ von vielen Piroggen mit einer Menge Eingeborener umringt, die nichts Gutes im Schilde zu führen schienen, doch gelang es, sie von Feindseligkeiten abzuhalten. Etwa dreißig der Kühnsten kletterten an Bord und betrachteten mit großer Aufmerksamkeit alles, was sie hier fanden. Diesem Beispiel wollten darauf so viele andere folgen, dass man Mühe hatte, sich ihrer zu erwehren, um bei dem durch Krankheit stark verminderten Bestand an Mannschaft nicht eine zu große Anzahl Eingeborener auf einmal zuzulassen.
Trotz des ihnen zuteil gewordenen freundlichen Empfanges schienen sich die Wilden doch nicht für sicher zu halten, wenigstens legten sie durch ihr Verhalten stets ein entschiedenes Misstrauen an den Tag. Bei der geringsten unerwarteten Bewegung auf dem Schiffe sprangen sie in ihre Piroggen oder unmittelbar ins Meer. Nur ein Einziger trat etwas vertrauensvoller auf. Surville ließ ihm einige Geschenke überreichen. Der Indianer stattete seine Erkenntlichkeit dafür dadurch ab, dass er durch Gebärden eine Stelle im Grunde der Bai bezeichnete, wo man Wasser finden könne.
Der Kommandant gab daraufhin Befehl, die Boote klar zu machen, deren Führung er seinem zweiten Offizier, Namens Labbé, anvertraute.
„Die Wilden schienen nur auf die Abfahrt der Boote vom Schiffe zu warten“, sagt Fleurieu in seinen „Entdeckungen der Franzosen“, „denn jene hatten kaum abgestoßen, als ihnen auch schon alle Piroggen nachfolgten. Eine der letzteren schien die übrigen zu führen; es war diejenige, in welcher sich der Indianer befand, der Surville über die Lage eines Wasserplatzes unterrichtete. Im Hinterteile derselben stand ein Mann aufrecht mit belaubten Zweigen in den Händen, die er in Kopfhöhe hielt und taktmäßig hin und her schwenkte. In der Mitte der nämlichen Pirogge stand auch noch ein junger Mann, gestützt auf einen langen Spieß, mit ruhig-ernster Würde aufrecht. Seine Ohren und Nasenscheidewand waren mit roten Blumen geschmückt und das Haar weiß gepudert.“
Gewisse auffällige Bewegungen erweckten indes bald den Verdacht der Franzosen, welche sahen, dass sie in eine Art Sackgasse gelockt werden sollten, in der sich, den Versicherungen der Wilden nach, ein Süßwasserquell befände. Trotz des Drängens der Eingeborenen hütete sich Labbé doch, seine Boote bei nur zwei bis drei Fuß Wasser über schlammigem Grunde weiter vorwärts gehen zu lassen. Er sendete zur näheren Untersuchung vielmehr nur einen Korporal mit vier Mann voraus. Diese kehrten sehr bald mit der Meldung zurück, dass sie statt der vorgeblichen Quelle nur einen Morast gefunden hätten, in dem man bis zum Gürtel einsinke. Offenbar planten die Wilden also einen Verrat. Labbé ließ sie jedoch nicht merken, dass er ihre Absicht durchschaut habe, sondern begehrte von ihnen nur die Nachweisung eines Wasserplatzes.
Die Eingeborenen führten die Boote hierauf nach einer drei Meilen entfernten Stelle, von der aus man die Schiffe nicht sehen konnte. Noch einmal wurde der Korporal mit einigen Leuten an das Land gesendet; er fand daselbst aber eine sehr dürftige Quelle, die kaum zur Stillung des Durstes für ihn und seine wenigen Begleiter ausreichte. Während seiner Abwesenheit versuchten die Eingeborenen auf jede Weise, Labbé zum Betreten des Landes zu bewegen, indem sie auf den Überfluss an Kokosnüssen und anderen Früchten hinwiesen, während sie sich sogar des Stoggers oder Bootshakens der Schaluppe zu bemächtigen suchten.
„Über 250 Insulaner, heißt es in dem Berichte, ausgerüstet mit Lanzen von sechs bis sieben Fuß Länge, mit hölzernen Keulen, Bogen und Steinen versehen, manche davon durch Schilde gedeckt, waren am Strande versammelt und beobachteten die Bewegungen der Boote. Als das kleine, aus fünf Mann bestehende Detachement wieder vom Ufer abstoßen wollte, sprangen die Wilden auf dasselbe zu, verwundeten einen Soldaten durch Keulenschläge, den Korporal durch einen Lanzenstich und die anderen auf verschiedene Weise. Labbé selbst trafen zwei Pfeile in die Schenkel und ein Stein an den Fuß. Jetzt gab man Feuer auf die Verräter. Schon die erste Salve machte sie erstarren, vorzüglich weil die in ganz kurzer Entfernung abgegebenen Schüsse eine verheerende Wirkung hervorbrachten. Dadurch gewann man Zeit, ein zweites Mal zu laden und zu feuern, wodurch die Gegner in die Flucht getrieben wurden und wobei sie der Tod ihres Häuptlings noch mehr zur Eile zu drängen schien. Labbé selbst hatte diesen nämlich daraus erkannt, dass er von den Kriegern getrennt stand, die Hände gen Himmel erhob und wie zur Anfeuerung der Krieger an seine Brust schlug; Labbé zielte und streckte ihn durch einen glücklichen Schuss nieder. Die Wilden schleppten ihre Verwundeten mit hinweg, ließen aber zwischen dreißig und vierzig Tote am Platze. Jetzt gingen die Franzosen ans Land, sammelten die da und dort verstreuten Waffen der Feinde, verbrannten die vorgefundenen Piroggen und nahmen nur eine derselben im Schlepptau mit.“
Surville wünschte indessen lebhaft, einen Eingeborenen in seine Gewalt zu bringen der ihm als Führer dienen und, nach gewonnener Einsicht in die Überlegenheit europäischer Waffen, seine Landsleute bestimmen könnte, gegen die Franzosen nichts weiter zu unternehmen. Zur Erreichung dieses Zweckes verfiel er auf ein etwas ungewöhnliches Mittel. Er besetzte nämlich die angebrachte Pirogge mit zwei Neger-Matrosen, denen man die Köpfe weiß gepudert und eine Kleidung angelegt hatte, welche die Eingeborenen leicht irreführen musste.
Wirklich ruderte bald eine Pirogge auf die „ST.JEAN BAPTISTE“ zu, deren Insassen sich, als sie zwei der Ihrigen scheinbar im Tauschhandel mit dem Schiffe sahen, nur noch argloser näherten. Als die Franzosen das Gelingen ihres Planes gesichert glaubten, schickten sie zwei Boote zum Einfangen der Wilden ab. Diese witterten Unheil und entflohen, wobei sie bald offenbar an Distanz gewannen, so dass ihre Verfolger sich entschlossen, zu feuern, um sie zum Anhalten zu zwingen. Einer der Eingeborenen fiel auf der Stelle und brachte die Pirogge, als er ins Wasser stürzte, zum Kentern, während der andere, ein Bursche von vierzehn bis fünfzehn Jahren, schwimmend den Strand zu erreichen suchte.
„Endlich erhascht, verteidigte er sich heldenmütig und verwundete noch die mit den Zähnen, welche ihn zu bändigen suchten. An Händen und Füßen gebunden, brachte man ihn nach dem Schiffe. Hier stellte er sich eine volle Stunde lang tot; als man ihn aber aufrecht hinsetzte und er, seiner Rolle getreu, sofort umfiel, bemerkte man recht wohl seine Bemühung, mit der Schulter eher als mit dem Kopfe auf das Verdeck aufzuschlagen. Als er seiner Rolle müde wurde, öffnete er die Augen, und verlangte, da er die Mannschaft essen sah, nach Schiffszwieback, den er, seinen ausdrucksvollen Zeichen nach, mit größtem Appetit verzehrte. Aber auch jetzt sorgte man dafür, ihn soweit gefesselt zu halten, dass er nicht unversehens ins Meer springen konnte.“
Im Laufe der Nacht war man genötigt, die andrängenden Piroggen, welche das Schiff überrumpeln wollten, mit Gewehrschüssen zu vertreiben. Am folgenden Tage nahm man den jungen Eingeborenen mit in ein Boot und brachte ihn nach einem Eilande, das seitdem den Namen „Insel de l'Aiguade“ erhielt. Kaum hatte jener das Land betreten, als man noch rechtzeitig bemerkte, dass es ihm gelungen war, seine Fesseln mit einer scharfrandigen Muschelschale fast vollständig zu zerschneiden.
Der junge Wilde wurde später auf einem anderen Wege wieder nach dem Ufer des Meeres geführt, warf sich aber, als er bemerkte, dass man ihn wieder mit einschiffen wollte, zu Boden und wälzte sich heulend und die Zähne in den Sand eindrückend umher.
Die Matrosen entdeckten nach mancher vergeblichen Bemühung eine reichliche Quelle, an der sie Wasser fassen und Holz holen konnten. Ein in der Nähe stehender Baum, den man fällte, schien geeignet zum Färben, denn Meerwasser nahm von ihm eine blutrote Farbe an. Man kochte versuchsweise dessen Rinde aus, und auch Baumwolle, welche in den Absud getaucht wurde, färbte sich darin schön rot.
Etwas Palmenkohl, sehr schmackhafte Austern und andere genießbare Muscheln lieferten der Mannschaft recht wertvolle Nahrungsmittel. Auf der „ST.JEAN BAPTISTE“ befanden sich eben ziemlich viele Skorbut-Kranke. Surville hatte gehofft, dass diese Rast ihre Wiederherstellung beschleunigen sollte; der sechs volle Tage anhaltende