»Entschuldige mich bitte kurz. Ich muss Gwen begrüßen.«
Richard blieb alleine zurück und nippte an seinem Champagner.
»Guten Abend, Mr. Sullivan«, vernahm er hinter sich eine vertraute Stimme.
»Guten Abend, Mr. Baxter. Schön, dass Sie es einrichten konnten.«
Die beiden Männer plauderten einige Minuten über die Abendveranstaltung, doch schnell wendete sich das Gespräch der gemeinsamen Arbeit zu.
»Unserer Geologen haben ergiebige Vorkommen im Herzen des Wood Buffalo Nationalparks entdeckt. Wenn wir die ausbeuten, können wir Milliarden Gewinne machen«, sagte Richard Sullivan.
»Der Nationalpark ist per Gesetz vor unserem Zugriff geschützt«, gab Charles Baxter zu bedenken.
»Dann müssen die Gesetze geändert werden. Sie sind der Anwalt. Wenn jemand das kann, dann Sie.«
Charles überlegte, wie er das ermöglichen könnte.
»Wir können eine Ausnahmegenehmigung erwirken. Doch dafür müssen Sie die Politiker auf unserer Gehaltsliste erinnern, wem ihre Loyalität gilt.«
»Ich werde mich darum kümmern«, erwiderte Richard Sullivan, der Vorstandsvorsitzende von ENTAL.
»Dann gehen wir den üblichen Weg. Wir konsultieren die First Nations. Dieses Mal muss ich die Unterlagen allerdings noch umfangreicher und komplizierter gestalten lassen. Im letzten Jahr haben sie häufiger die kritischen Punkte gefunden.«
»Das darf nicht geschehen.«
»Keine Sorge, das wird es nicht. Selbst wenn sie Klage einreichen, werden wir das Verfahren in die Länge ziehen. Währenddessen fördern wir weiter. Das neue Gesetz, das auf unsere Initiative hin verabschiedet wurde, macht es möglich.«
Richard nickte zufrieden.
»Letztendlich werden wir den Prozess gewinnen, so wie immer«, bemerkte Charles Baxter.
»Redet ihr schon wieder über die Arbeit?«, wurden sie von Leanne unterbrochen. Sie sprach leise, damit die Umstehenden sie nicht hörten. »Ich habe dich mehr als einmal darum gebeten, auf unseren Benefizveranstaltungen nicht darüber zu sprechen.« Der scharfe Unterton in ihrer Stimme strafte das Lächeln Lügen, das sie aufgesetzt hatte.
Richard wusste, dass seiner Frau die Art, wie er sein Vermögen gemacht hatte, nicht gefiel. Doch ihre moralischen Bedenken hielten sie nicht davon ab, den Lebensstil einer wohlhabenden Frau zu genießen.
»Guten Morgen«, begrüßte Eric Isabella.
Sie bereitete das Frühstück vor. Er beobachtete ihre schnellen routinierten Bewegungen, immer noch ungläubig und staunend, dass sie leibhaftig vor ihm stand. Er wollte nichts lieber als ungestört mit ihr reden, sie in seine Arme schließen, sein Gesicht in ihrem Hals vergraben, sie küssen und nie wieder loslassen. Doch die Gelegenheit für ein ungestörtes Gespräch hatte sich noch nicht ergeben. Ständig war Tom in der Nähe.
»Guten Morgen«, hörte Eric Toms Stimme hinter sich. Er begrüßte ihn ebenfalls und wandte sich dann an Isabella.
»Kann ich dir helfen?«
»Ja, du kannst den Tisch decken.«
Sie zeigte ihm, wo sich das Geschirr befand.
»Tom, kannst du bitte nach Sunny sehen?«
Kaum hatte Tom die Küche verlassen, fasste Eric Isabella eindringlich am Arm: »Wir müssen reden!«
»Ja, ich weiß, aber nicht jetzt«, wich Isabella ihm aus.
Eric nickte und half ihr weiter bei den Frühstücksvorbereitungen. Immer noch kämpften unterschiedliche Gefühle in ihm. Er war froh und erleichtert, dass es ihr gut ging. Doch er empfand auch Enttäuschung und Eifersucht, weil Isabella mit einem anderen Mann zusammenlebte.
Nach dem Frühstück begaben sie sich auf den Weg zum Treffen der Umweltschützer. Es war ein Fußmarsch von einer Stunde. Sie bewegten sich nur auf schmalen Waldpfaden. Als Umweltschützer musste man in dieser Gegend sehr vorsichtig sein. ENTAL verfolgte jeden, der ein vermeintlicher Gegner war und das konnte sehr gefährlich werden.
Isabella ging mit Sunny voran, Tom und Eric folgten ihnen.
»Hallo Amy, hallo Tom«, wurden sie begrüßt, als sie in das Haus eintraten, in dem die Versammlung stattfand. Sie betraten das große Wohnzimmer. Es hatten sich bereits einige Personen eingefunden.
»Wer ist das?«, fragte ein junger Mann mit schwarzen Haaren misstrauisch und deutete auf Eric.
»Das ist Eric. Er ist aus Europa gekommen, um uns zu unterstützen«, antwortete Isabella.
»Woher sollen wir wissen, dass er kein Spitzel ist?« Der junge Mann funkelte Eric unfreundlich an.
»Er ist kein Spitzel. Ich verbürge mich für ihn.« Isabella trat einen Schritt näher an den Mann, der sich vor ihr aufgebaut hatte und sah ihm mit festem Blick in die Augen.
Der junge Mann wollte etwas entgegnen, aber ein älterer kam ihm zuvor. Er hatte graue Haare, die zu einem langen Pferdeschwanz zusammengebunden waren.
»Eric, es freut mich, dich kennen zu lernen. Ich bin James. Setzt euch und lasst uns anfangen.«
Zu Beginn der Versammlung gab es eine kurze Diskussion darüber, wie die Lebensverhältnisse in der Gegend verbessert werden konnten. Dann gingen sie zu der Frage über, wie der Abbau von Ölsand gestoppt werden könnte, wobei letzteres mehrere Nummern zu groß für die hier Anwesenden war. Isabella und James vertraten eine gemäßigte praktische Position, die die ohnehin schon prekäre Situation der Umweltschützer nicht unnötig verschlimmerte. Die radikaleren, allen voran der junge Tyrell, waren der Meinung, man solle am besten die Anlagen von ENTAL in Brand setzen. Daraufhin erklärte Isabella, welche furchtbaren Folgen so eine Aktion haben würde. Eric bewunderte sie für ihre Geduld mit diesem Wichtigtuer.
»Dann müssen wir die Zufahrten blockieren«, rief Tyrell.
»Und was soll das bringen?«, fragte Isabella.
»Was willst du eigentlich hier, wenn du alle Vorschläge nur schlecht machst?«, fragte eine junge Frau, die begeistert von Tyrells Vorschlägen war.
»Nun mal sachte. Es ist völlig legitim, wenn Amy ihre Meinung sagt. Ihre Einwände sind schließlich nicht unbegründet«, schaltete James sich ein, in dem Versuch die Wogen zu glätten. »Wir haben schon häufiger versucht, die Zufahrten zu blockieren. Spätestens nach einer halben Stunde taucht der Sicherheitsdienst auf und die Aktion ist beendet. Dann findest du dich im Gefängnis wieder.«
»Wir könnten ein Video von der Blockade ins Internet stellen«, überging Tyrell die Einwände.
Tyrell fand mehrere Unterstützer für seine Idee und schließlich fragte er jeden Einzelnen, ob er bei der Aktion mitmachte. Als er bei Isabella ankam, verneinte diese und erklärte noch einmal, warum sie die Idee für schlecht hielt. Tyrell wollte davon jedoch nichts hören.
»Du kannst dich nicht immer nur in deiner Hütte verstecken und darauf warten, dass sich die Probleme von alleine lösen. Manchmal muss man auch ein Wagnis eingehen. Aber dazu bist du wohl zu feige!«
Eric ballte wütend die Fäuste. Wie konnte dieser Spinner Isabella vorwerfen, dass sie feige war. Schließlich hatte sie sich vor drei Jahren einem mächtigen Energiekonzern entgegengestellt und war mehr als einmal bedroht worden. Sie wusste genau, wovon sie sprach. Es folgte betretenes Schweigen auf Tyrells Vorwurf.
»Es kann eben nicht jeder so mutig sein wie du, Tyrell«, antwortete Isabella ruhig. Sie stand auf und verließ den Raum. Alle sahen ihr hinterher. Nach einem kurzen Moment des Schweigens ging die Diskussion weiter. Eric hatte keine Lust mehr, sich das weiter anzuhören und folgte Isabella.
Vor dem Haus angekommen, atmete Isabella tief durch. Sie ging vom Eingang weg in Richtung Wald. Eric hatte