»Na schön, du darfst mir zeigen, was du als Geldwäscher so draufhast.«
»Ehrlich?« Adriano strahlt. »Toll! Ich werde Sie nicht enttäuschen, Boss.«
Ach ja? Na, das werden wir ja sehen. Aber ich brauche eh jemanden für die Finanzen, und um ein paar Scheinchen zu waschen, muss man ja nicht latschen können. Vielleicht ist diese Schießbudenfigur echt dafür geeignet.
Wenn Adriano aber versagt, gebe ich seinem Rolli so einen kräftigen Schubs, dass er erst in Padolfi wieder zum Stehen kommt. Soll er dem Capo sein Scheitern erklären. Ich bin dann jedenfalls fein raus, denn ich habe den ja nicht ausgesucht.
»Das Gesundheitsamt hat das Blue Parrot mit irgendwelchen fadenscheinigen Ausreden dichtgemacht. Wenn ich rauskomme, will ich, dass der Laden wieder brummt«, befehle ich.
Kakerlaken in der Küche sind etwas, was zuverlässig die Gäste vertreibt. Was recht ärgerlich ist, denn das Blue Parrot ist seit Jahren ein Garant dafür, dass nichts in München passiert, von dem die Famiglia nichts mitbekommt. Dass Dr. Walther mal eben Harakiri begehen kann, ohne dass wir auch nur ahnen, dass da was im Argen ist, zeigt doch, wie sehr wir das Restaurant brauchen.
»Äh …«, sagt Adriano unsicher.
»Du wolltest doch eine Herausforderung, oder, Kleiner?«
»Ja ja, klar, das ist super! Ich … hm … mir fällt sicher was ein, sobald ich mir das Blue Parrot angesehen habe.«
»Du kannst jederzeit herkommen, und um einen Rat bitten«, sage ich generös.
»Danke, Boss! Das bedeutet mir so viel. Das mache ich ganz bestimmt. Sie sind so nett!«
Nett?! Vaffanculo! Die in Padolfi wollten ihn loswerden. Eindeutig. Hat dem die Kugel auch noch das Hirn zermatscht?
»Darf ich gleich was fragen, Boss?«, fragt Adriano und legt schon los, ohne meine Zustimmung abzuwarten: »Silvers verfügte doch über ein ansehnliches Privatvermögen, was ist denn damit …«
»Silvers hatte Familie«, unterbreche ich ihn.
Mehr muss ich nicht sagen. Für die Angehörigen verstorbener Mitglieder zu sorgen, ist Ehrensache. Außerdem ist Toshs Kohle bei der kleinen Mayra erst mal sehr gut aufgehoben. Nicht nur, dass sie sich um den ganzen Kram mit der Beerdigung und der durchgeknallten Mutter gekümmert hat, obwohl die Sache mit dem Grab natürlich sentimentale Mädchenscheiße war. Ich würde ihr sogar zutrauen, Toshs Mörder zu finden. Wenn sie mal einsehen würde, dass ich es nicht war. Aber seit Tosh unter der Erde ist, ist die Frau scheinbar völlig durch den Wind. Wahrscheinlich muss sie nur mal wieder kräftig durchgevögelt werden – ein neuer Stecher kann bei den Weibern ja Wunder bewirken. Eine Aufgabe, der ich mich durchaus annehmen würde, sobald ich hier rauskomme.
Wie auch immer. Solange die Chance besteht, dass sie Vernunft annimmt, haben alle Weisung, die Finger von ihr zu lassen. Marco und Hugo weichen von sich aus nicht von ihrer Seite. Mir nur recht. So kommt auch Toshs Mörder nicht an sie ran. Nur, falls der Killer auf die Idee verfallen sollte, Tosh könnte im Bett was ausgeplaudert haben. Als ob!
»Darf ich gehen, Boss?«, fragt Adriano unsicher.
»Geht das denn?«, spotte ich und er wird tatsächlich rot. »Verschwinde. Ich erwarte exzellente Arbeit.«
»Naturalmente! Danke, Boss!«
Er wendet und rollt hinaus, während ich mir eine Zigarre anzünde und darüber nachdenke, was Adrianos Auftauchen für mich bedeutet.
Ich muss unbedingt mehr Druck machen. Ich kann nicht ewig hier drinhocken. Es ist nicht ungewöhnlich, dass sie jemanden aus Padolfi herschicken, aber einen Krüppel, der der Contabile werden soll? Sieht so aus, als fürchten die Bosse in Italien, ich könnte die Lage hier nicht mehr im Griff haben.
Leider kann ich unmöglich die Hälfte der Famiglia aus dem Weg räumen, in der Hoffnung, dass der Verräter dann schon dabei sein wird – also ich kann natürlich schon, aber das lassen sie mir dann doch nicht durchgehen. Toshs Mörder zu erledigen, wenn der sich sogar Chancen auf meinen Posten ausrechnet, wird möglicherweise heikel genug.
Dann dieser Nachfolger von Dr. Walther, der hat mir gerade noch gefehlt. Ich habe wirklich Besseres zu tun, als nach Flecken auf der blütenweißen Weste dieses italienischen Adeligen zu suchen. Aber es hilft ja nichts. Es wird höchste Zeit, wieder ein bisschen mitzumischen.
Kapitel 5
München-Maxvorstadt, 16. Oktober 2019, nachmittags
Zwei Tage nach meinem letzten Treffen mit Schneider bricht vor meinem Büro ein Tumult aus, der schließlich eine junge Frau in mein Büro spült.
Eine sehr junge Frau, klein, aber mit einer augenfälligen fraulichen Figur. Recht attraktiv, wenn man diesen Typ mag. Allerdings versteckt sie ihre Kurven in einem absolut blödsinnigen Kostümchen, dessen Pastellfarbe ihrer Großmutter gut zu Gesicht stünde, aber doch nicht ihr. Sie sollte Rot tragen, das würde wunderbar zu ihrem kastanienbraunen Haar passen, das am Hinterkopf zu einem strengen Dutt zusammengefasst ist, der ebenfalls nach Oma aussieht.
Wahrscheinlich glaubt sie, dieser absurde Aufzug sei nötig, um niemanden zu provozieren, aber wer keine vernünftige Begrüßung herausbringt und seine ersten Worte wie eine Kampfansage klingen lässt, braucht sich doch um so etwas wirklich keine Gedanken zu machen.
»Oberstaatsanwalt D’Vergy?«, trompetet sie, kaum, dass sie einen Fuß in meinem Büro hat. »Mayra Jennings.«
Das ist die Jennings? Ich bin ein wenig überrascht. Man soll ja nicht schlecht über einen Toten reden, aber was zum Teufel hat Tosh Silvers geritten, eine so junge Anwältin zur Testamentsvollstreckerin und Betreuerin seiner Mutter zu bestimmen? Das macht doch niemand, der noch alle Sinne beisammen hat, jedenfalls nicht, wenn man einen Mann wie Cortone an den Hacken hat. Ich sollte wirklich froh sein, dass sie nicht als Nebenklägerin auftreten wird. So ein Mädel wie die verspeist Carlo Cortone doch zum Frühstück, die setzt mir womöglich den ganzen Prozess in den Sand.
»Ich verlange eine Erklärung!«, sagt sie in absolut unangemessener Lautstärke und marschiert auf mich zu.
»In welcher Angelegenheit kann ich Ihnen denn behilflich sein, Frau Jennings?«, sage ich betont arglos, als hätte ich nicht die geringste Ahnung, mit wem ich es zu tun habe.
Inzwischen ist sie vor meinem Schreibtisch angekommen und sieht sich stirnrunzelnd um. »Ist ihr Büro noch nicht fertig eingerichtet?« Ihr Blick huscht durch den Raum. »Haben Sie mal daran gedacht, einen Innenarchitekten zu engagieren?«
Mache ich sie nervös, oder ist sie von Natur aus so frech? Ich antworte nicht.
Derweil hat sie den rustikalen Konferenztisch entdeckt und stöckelt hinüber. Sie beginnt, mit einiger Mühe einen der schweren Stühle in Richtung meines Schreibtisches zu zerren. »Oder ist Ihrer Behörde das Geld für die Büroausstattung ausgegangen?«, mault sie.
Weder bittet sie um Hilfe, noch biete ich sie ihr an. Offensichtlich hat sie meine Intention durchschaut und keine Lust, mitzuspielen. Interessant. Möglicherweise wusste Tosh Silvers ja doch, was er tut.
Schnaufend lässt sie sich auf den Stuhl fallen. Ich würde mir ja gerne einreden, dass sie meinetwegen so außer Atem ist, aber ich fürchte, das liegt eher an der ungewohnten sportlichen Betätigung. Mayra Jennings wäre nicht die Erste, die nach dem Jurastudium in die gleiche Falle tappt: Das Sportprogramm fällt immer öfter wegen dringender Überstunden flach, die Vorbereitung des nächsten Prozesses ist wichtiger als gesundes Essen, und ehe man sich versieht, ernährt man sich ausschließlich von Salamipizza und bewegt sich nur noch vom Schreibtisch weg, wenn man zu Gericht muss. Hätte ich in ihrem Leben etwas zu sagen, würde ich das unterbinden. Aber das geht mich ja nun wirklich nichts an.
Ich