Aufenthalt bei Mutter. Hellen Scheefer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hellen Scheefer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753182759
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ohne zum Höhepunkt zu gelangen. Karl genoss ihre anschmiegsame Art. Dennoch vergingen Wochen und Monate, ohne dass Beth sich entspannen konnte. Es brauchte ganze zwei Monate, ehe Karl ganz in sie eindringen konnte, und sie nicht vor Schmerz verging. Aber die Lust blieb Beth weiter versagt. Karl wurde nervös. Er grübelte, dachte laut nach und kam zu dem Schluss, dass Beth ihn wohl nicht liebte. Anders konnte es nicht sein.

      Beth hatte inzwischen ihre anfängliche Unsicherheit gegenüber Karl verloren. Sooft es ging, besuchte sie ihn abends im Club. Er hatte nur Augen für sie. Jeden freien Moment kuschelten und knutschten sie verliebt. Beth genoss diese Art von Zärtlichkeit, auch wenn sie öffentlich und für jedermann sichtbar stattfand. Oder war es gerade das, was sie genoss? Dieser schöne Mann, ein Bild von Männlichkeit und Kraft, gehörte ihr, hatte keinen Blick für andere Frauen. Jedenfalls nicht, wenn Beth da war.

      Das schmeichelte ihr. Sie fühlte sich ganz, liebenswert und endlich vollwertig. Irgendein Makel hatte Beth angehaftet, seit sie dem Kind entwachsen war, und nun hatte seine Liebe zu ihr diesen von ihr genommen.

      Und doch war da ein Aber: ihr Unterleib versagte den Dienst. Er blieb kalt. Sie liebte ihn, begehrte ihn. Sie mochte seinen Körper. Aber ihr Körper konnte keine Lust empfinden, wenn sie miteinander schliefen. Sie kannte es nicht, in Ekstase zu verfallen und den Rausch der Lust zu spüren und das schönste, wenn er in Wellen den Körper durchströmte und alles mit sich nahm, wenn er abebbte. Doch. So ganz stimmte das nicht. Sie kannte diese Ekstase, wenn sie sich selbst befriedigte. Je nachdem, wie sehr sich darauf einließ. Aber mit Karl zusammen blieb ihr diese Offenheit versagt.

      Beth hatte Angst Karl zu verlieren. Sie überwand ihre Scheu und bat ihn, mit dem Finger nachzuhelfen. Doch seine Hand war hart. Sie wagte nicht, ihn zu korrigieren. er hatte doch so viel mehr Erfahrung als sie. Sie begann Lust zu spielen. Sie bewegte sich wild, stöhnte, als triebe die Ekstase sie, stimulierte sich heimlich selbst. Sie stellte sich vor zu Masturbieren. Sie gewöhnte sich an den Schmerz, den Karl ihr verursachte, wenn er in sie eindrang. Sie verfluchte sich selbst und ihren störrischen Charakter, und irgendwann verwuchsen Schmerz und Lust in eines.

      Die Beziehung war gerettet. Karl fasste wieder Vertrauen in ihre Liebe.

      Elli. zwei.

      „Du kriegst aber nicht die Murmel. Das ist meine!“ Elli ist außer sich. Sie schreit. Dauernd hat der Bruder so blöde Ideen. Irgendwie ärgert er sie immer nur. Nie kann er mal so spielen, wie sie das möchte. „Klatsch!“ Das hat ‚gesessen’. Der Bruder ist halt älter und somit stärker als Elli. Seine Ohrfeige hat Elli erschrocken und nun hat er doch die Murmel an sich gerissen. Die Tür geht auf. Die mittlere Schwester flüchtet vor dem Krach aus dem Zimmer. „Mutti, die streiten schon wieder.“ Mutter bügelt gerade die Wäsche. „Vati, geh du doch mal.“ Wieder geht die Tür auf. „Klatsch!“ und noch einmal „Klatsch!“ Jetzt schreien beide Kinder. Der Vater packt sie bei den Händen. „Hausschuhe anziehen!“ befiehlt er. Sie gehorchen beide. Inzwischen war der Vater auf den Hausflur gegangen und hatte den Fahrstuhl geholt. Sie wohnen nämlich in einem großen Haus. Ein Neubaublock. Acht Stockwerke hoch über dem Erdgeschoss. Und auf jeder Etage wohnen drei Familien. Aber nur wenige Familien haben so viele Kinder wie ihre. Sie sind vier Kinder. Und das ist sehr viel. Zuviel, sagen die Eltern. Vater muss immer Vorträge halten, wenn er sich mal eine neue Hose kaufen möchte. Sagt er.

      Nun kommt der Vater zurück und bestimmt den Kindern mitzukommen. Sie fahren in den Keller. Das Haus hat viele Keller. Zwei Etagen voller Kellern. Vater hat viele Schlüssel für die Keller. Die muss er haben, er ist doch der Hausobmann. Und der muss doch immer überall Zugang haben. Sagt Vater. Vater jedenfalls hat überall Zugang und er kennt Keller, die sonst keiner kennt. Heute sperrt er Elli in den Wäscheraum. Aber in den Anderen, für den sonst niemand einen Schlüssel hat. Er öffnet das Vorhängeschloss, schickt Elli in den fensterlosen Raum, löscht das Licht und geht. Die Eisentür schlägt zu, der Schlüssel dreht im Schloss. Der Bruder wird in einen anderen Keller gesperrt.

      Die Dunkelheit ist das schlimmste. Inzwischen hat Elli sich schon ein bisschen gewöhnt. Diese Strafmaßnahme macht Vater schon seit längerem. Anfangs hat sie geweint und geschrien, bis der Vater sie wieder aus dem Keller geholt hatte. Inzwischen hat sie gelernt, in die Dunkelheit zu hören. Wenn man ganz genau hinhört, kann man ein bisschen sehen. Das Holzgatter zum Beispiel. Bevor man durch die Eisentür ins Treppenhaus geht, muss man erst das Gatter öffnen. Hat es nicht eben aus dieser Richtung geknackt? Kommt da etwa jemand? Das wäre peinlich. Jemand würde das Licht anmachen und Elli hier sitzen sehen. Er würde sie fragen, was sie hier mache. Und Elli müsste zugeben, dass sie unartig war. Nein, dann schon lieber allein im Dunkeln sitzen.

      Elli weint wieder. Sie hat Angst und irgendwie findet sie alles ungerecht.

      Da! Wieder knackt es. Ein Schlüssel klappert, dreht im Schloss. Die Eisentür geht auf. Elli bebt. Wenn das ein Fremder ist... Die Schritte kommen näher, das Schloss am Holzgatter wird geöffnet. Das muss Vater sein, nur er hat den Schlüssel. Das Licht bleibt aus. Es ist Vater. Er macht nie Licht, wenn er sie holen kommt. Jedenfalls nicht sofort. Erst nach einer Weile. Er findet sie weinend. Er tröstet Elli auf seine Art. Solange wie ‚Es’ ihm Spaß macht. Elli kann sich nicht mehr erinnern, wie es ihr anfangs ‚Damit’ ging. Inzwischen hört sie manchmal auf, dabei zu weinen. Sie weiß, dass dann der ganze Spuk gleich ein Ende haben wird. Wenn Vater zufrieden ist, wird er das Licht anmachen und sie wieder nach oben führen.

      Dann kann sie endlich weiter mit den Murmeln spielen.

      Beth. vier.

      Beth studierte sehr ernsthaftig. Das Fach interessierte sie. Die naturwissen­schaftlichen Aufgaben stachelten ihren Ehrgeiz an. Sie genoss es, die Zusammenhänge zu verstehen, und die statischen Berechnungen, das Ermitteln von Bauteilgrößen oder Lastannahmen zu beherrschen. Ihr fielen gute Noten zu, ohne dass sie sich sonderlich anstrengte. Wichtiger aber noch als das Studium waren ihr die Hobbys. Sie sang leidenschaftlich gern und gut, manchmal malte sie und ihre Kleider nähte sie meist selbst. Mit ihren Kommilitonen kam sie gut aus. Mitunter war sie ausgelassen lustig. Manchmal träumte sie selbstvergessen vor sich hin. Dann nahm sie niemanden um sich herum wahr. Die meisten Leute ihrer Seminargruppe mochte sie ganz gut leiden, war aber mit Niemandem enger befreundet. Mit Karl änderte sich das. Er war der einzige Mensch, der für Beth wirklich wichtig war. Sie wollte so viel wie möglich Zeit mit ihm verbringen, am liebsten immer um ihn sein. Wenn er mehrere Tage lang nicht in ihrer Nähe war, überfiel sie Eifersucht. Sie war stolz auf ihn. Durch ihn und neben ihm war sie Wer. Er war schön. Manches Mädchen beneidete sie um ihn. Sein dunkles Haar umrahmte sein kantiges Gesicht. Die Augen blinkten wie blauer Stahl. Sein muskulöser Körper schritt kräftig und mit hartem Tritt aus.

      Beth wurde schnell schwanger. Schneller als ihr lieb war. Sie kannten sich kaum ein Jahr lang. Angst packte sie. Wie sollte es nun weitergehen? Wenn das Kind geboren würde, hätte sie erst die Hälfte ihres Studiums absolviert. Sie wollte auf keinen Fall ihr Studium aufgeben. Sie wollte später arbeiten, in einem Beruf, der sie forderte und ihr Spaß machte. Sie wollte wirtschaftlich unabhängig sein. Passte das alles zusammen?

      Sollte sie das Kind abtreiben? Was war, wenn ihr Körper daran Schaden nehmen würde? Sie war kein Sonderfall, und die meisten Ärzte taten diesen Job ungern. Sie würden es ihr einfach absaugen, und mitunter nahm die Gebärmutter bei diesem Eingriff dauerhaften Schaden. Sie mochte Kinder. Sie wollte später einmal unbedingt Kinder haben. Mindestens zwei. Oder mehr. Nur vier, so viele wie sie damals zu Hause gewesen waren, waren zu viel. Beinahe täglich hatte ihr Vater gestöhnt, dass vier Kinder eines zu viel seien. Beth war das vierte, das Jüngste gewesen.

      Also zwei, oder vielleicht drei Kinder. Unbedingt. Ohne Kinder ist das Leben sinnlos!

      Beth weinte. Sie hatte Angst und sie konnte sich nicht entscheiden. Aber nach vier Wochen Grübeln siegte ihre Liebe zu Kindern. Sie entschied sich, das Kind auszutragen. Irgendwie würde es schon gehen. Sie würde einen Krippenplatz bekommen. Als alleinstehende Studentin hatte sie vorrangigen Anspruch darauf. Sie konnte die meisten Prüfungen vorziehen, andere nachholen. Wenn das Kind krank würde, konnte ihre