Die Straße zum Schloss hinauf war steil und anstrengend. Für eventuelle Fahrzeuge gab es auf der einen Seite in regelmäßigen Abständen Haltebuchten. Ansonsten wäre es unmöglich gewesen, dass zwei Wagen aus unterschiedlichen Richtungen sie hätten passieren können. Für einen Bürgersteig war ebenfalls kein Platz, was bedeutete, dass sie immer wieder die Haltebuchten nutzen mussten, um ein Auto passieren zu lassen. Nach gut zwanzig Minuten hatten die drei ihr Ziel erreicht und wurden sofort aufgehalten.
"Wo möchten Sie bitte hin?", fragte ein junger Mann höflich.
"Wir würden gerne in das Schloss, wenn das möglich ist", antwortete der Älteste.
"Haben Sie einen Ausweis, der Sie dazu berechtigt?"
"Nein", sagte der Älteste etwas verwirrt. "Ich dachte…"
"Das Schloss ist Regierungsterritorium. Hier dürfen nur Mitarbeiter der Regierung rein oder Personen mit einer Aufforderung sich hier zu melden." Der junge Mann lächelte entschuldigend, blieb aber standhaft im Weg stehen.
"Das wussten wir nicht", erwiderte der Älteste. "Wir wollen natürlich keine Probleme machen."
"Sie sind wahrscheinlich nicht von hier", bemerkte der Mann jetzt etwas mitleidig. "Vermutlich dachten sie, das Schloss wäre so eine Art Museum."
"Ja, ja. So in etwa", antwortete der Älteste geistig abwesend. "Entschuldigen Sie unser Eindringen bitte."
"Das ist nicht so schlimm", wehrte dem Mann ab. "Sie sind da nicht die Ersten."
"Vielen Dank für Ihr Verständnis. Wir werden dann mal wieder gehen. Einen schönen Tag noch." Der Älteste wendete sich zum Gehen und nahm seine Begleiter mit.
"Die Sturmredner hatten noch nie eine Wache vor ihren Basen. Ich glaube, wir sind hier völlig falsch", murmelte die Frau.
"Einen Moment!", rief der Mann ihnen plötzlich völlig überraschend hinterher. Die Dreiergruppe blieb abrupt stehen und wendete sich langsam zu dem Wächter um.
"Entschuldigen Sie bitte, wenn ich mich verhört haben sollte. Sagten Sie eben etwas über die Sturmredner?" Die zwei Begleiter und der Älteste sahen sich fragend an. Was war die richtige Antwort, dachte jeder von ihnen.
"Das stimmt", bestätigte der Älteste die Frage.
"Es ist mir etwas unangenehm dies zu fragen aber welchen Bezug haben sie zu dieser Organisation?"
"Darf ich Sie fragen, welches Interesse Sie daran haben?", wollte der Älteste vorsichtig wissen, bevor er antwortete.
"Nun, der Gottkaiser hat ein gewisses Interesse an den Sturmrednern."
"In welcher Hinsicht?", kam es etwas unsicher vom Ältesten.
"Er möchte mehr von ihnen kennenlernen." Erneut betrachteten sich die drei fragend. Er möchte mehr von ihnen kennenlernen, hatte der junge Mann gesagt. Das bedeutete unmissverständlich, dass er bereits einige von ihnen getroffen haben musste. Möglicherweise war das Schloss doch einst eine Basis von ihnen gewesen.
"Wir sind die letzten Sturmredner aus Nuhåven. Und wir müssen die anderen und auch ihren Gottkaiser vor einer großen Gefahr warnen."
"Ist das ihr Ernst?" Der Gesichtsausdruck des jungen Mannes entgleiste. "Dann kommen Sie bitte sofort mit."
Der Mann eilte voran, ohne auf eine Reaktion der drei zu warten. Mit schnelle Schritten durchquerte er den Hof des Schlosses, bevor er dann in einer Seitentür verschwand. Für einen Moment hatten der Älteste und seine Begleiter ihn aus den Augen verloren und blieben hilflos stehen. Offensichtlich war dem Wächter jedoch bewusst geworden, dass seine Begleiter nicht mehr hinter ihm waren. Er öffnete die Tür zum Hof und winkte der Gruppe, die sich auch sofort auf ihn zu bewegte. Dann ging es einige Treppen rauf, unendliche Gänge entlang, durch mehrere Zimmer, bis sie endlich ihr Ziel erreichten. Die kleine Gruppe war von der Größe und der Ausstattung des Inneren überaus beeindruckt, obwohl sie in der Eile nur wenig aufnehmen konnten. Nach einer gefühlten Stunde und ebenso gefühlten mehreren Kilometern, blieb der Mann in einem luxuriösen, mit Holz verkleideten Wänden, Raum stehen. In einer Ecke am Fenster saß eine ältere Person an einem schweren Eichenschreibtisch hinter dem sich ein überdimensionaler, blauer Teppich mit Verzierungen befand. Er hatte nur kurz aufgeschaut, als die Tür zum Vorzimmer aufgeflogen war, um sich dann wieder den Papieren zuzuwenden, die er intensiv bearbeitete.
"Diese Männer müssen unbedingt so schnell wie möglich zum Gottkaiser", eröffnete der Wächter sein Anliegen.
"Aus welchem Grund besteht eine solche Dringlichkeit, den Herrscher zu stören?", war die lakonische Antwort.
"Diese drei sind die letzten Sturmredner aus Nuhåven", erklärte der junge Mann mit sich fast überschlagender Stimme.
Bei der Erwähnung der Sturmredner blickte der alte Sekretär des Gottkaisers langsam auf, schaute den Ältesten und seine Gefährten nachdenklich an, um sich schließlich erneut seinen Papieren zu widmen. Der junge Wächter wurde sichtlich nervöser und der Älteste bekam das Gefühl, er wolle sich am liebste auf den Sekretär stürzen und ihn so lange würgen, bis dieser ihm die Audienz beim Herrscher genehmigte. Der alte Mann bemerkte dies, sah erneut auf und drehte sich nun halb zu der Gruppe um. Er setzte den rechten Ellenbogen auf die Tischplatte und stützte sein Kinn mit dem Daumen ab. In dieser Position verharrte er einige Sekunden.
"Ist das so?", fragte er rhetorisch in den Raum.
"So ungefähr", mischte sich nun der Älteste in das Gespräch ein. "Die letzten stimmt nicht ganz. Es sind noch einige mehr von uns in der Stadt. Ich wollte den Gottkaiser nur nicht mit einer derart großen Gruppe entgegentreten. Das wäre unpassend gewesen."
"Für wahr", sinnierte der Sekretär. Dabei nickte er leicht mit dem Kopf. "Und ihr seid also Sturmredner? Dann, seit ihr demnach Metawesen. Ist das Richtig?"
"Das ist richtig", bestätigte die Frau der Dreiergruppe.
"Und euch soll ich zum Gottkaiser vorlassen, ohne dass dieser sich vor euren Angriffen schützen kann?"
"Wir haben nicht vor, den Gottkaiser ein Leid zuzufügen. Im Gegenteil. Wir müssen ihn vor einer großen Gefahr und damit verbundenem Leid warnen."
"Dann sprecht zu mir. Ich werde die Informationen weiterleiten", erwiderte der alte Mann, schob seinen Stuhl zurück und machte es sich bequem. "Fangt an."
"Unsere Basis in Nuhåven wurden von einer Megamutantin zerstört, die weitere Mutanten um sich geschart hat, um gegen die normalen Menschen vorzugehen. Sie will das Land und vielleicht noch viel mehr reinigen und beherrschen."
"Ich nehme an, die Metamenschen, die sie um sich geschart hat, waren eure Schützlinge", unterbrach der Sekretär und ließ mit seiner Äußerung den Ältesten verstummen.
"Die Adepten war zu jung, um zu verstehen. Ysana ist in ihrer Art sehr überzeugend", versuchte sich der Mann der kleinen Gruppe zu erklären.
"Und jetzt zieht diese Ysana mit ihrem Gefolge auf Deusakem zu? Verstehe ich das richtig?"
"Nein. Sie will zu einer alten Industrieanlage, in der noch mehr Mutanten leben sollen. Ysana will sich mit ihnen zusammenschließen. Wir müssen herausfinden, wo diese Anlage liegt und sie daran hindern, dort anzukommen."
"Woher wissen Sie das alles?"
"Einer meiner Telepathen konnte das Mädchen heute Morgen ausmachen und ihre Gedanken lesen."
"Dann wissen Sie, wo die Anlage ist", stellte der alte Sekretär fest.
"Leider nein. Die Anlage wurde in den Dokumenten