Genuss mit Freunden. Andreas Berg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Andreas Berg
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754166314
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war puterrot. Sie keuchte. Dann verlor sie jede Farbe im Gesicht und kippte bewusstlos ins Gras. Tätäää. Da war sie - die Rache – und so süß. Die Dosierung hatte genau gestimmt. Schließlich war ich Profi und kannte mich mit Nussallergien aus. Vor allem mit der von Pamela.

       Die Gulaschlüge

      Martina Raguse

      

      In meiner Familie waren Kochen und Essen sinnstiftende familienrelevante Themen.

      Meine Mutter kochte täglich, für Familie, für die Mitarbeiter unserer Firma, für jeden und alle. Es türmten sich an jedem Wochenende Spülberge in der Küche, die dann wir Kinder abarbeiten durften. Während des gemeinsamen Sonntagmittagessens seufzte meine Mutter ein wenig vorwurfsvoll, dass sie stundenlang gekocht habe und wir alles binnen 10 Minuten aufgegessen hatten. Das schmälerte unseren Genuss nur unerheblich. Was sie nie sah, es lag an ihr. Es herrschte unterschwellig Krieg, Futterneid, es gab immer etwas weniger, als die Personenzahl am Tisch gerne gehabt hätte. Mama verzichtete dann gerne auf ihr Stück Fleisch, das wiederum machte uns ein mieses Gefühl. Aufgrund dieser großen Geste arbeiteten wir Kinder, ohne zu murren, den Abwasch des gesamten Wochenendes ab.

      Sie hätte nicht verzichten müssen, Papa schaffte genug Geld ran. Aber sie gefiel sich in ihrer Rolle. Sie führte uns an unsichtbaren Fäden in die Gesellschaft ein. Sie lehrte uns so Moral, Neid, Missgunst, aber auch ein Wir-Gefühl, den Blick auf das große Ganze und Pflichtgefühl. Alles, was man braucht. Wir sparten nie mit Lobeshymnen auf ihre Kochkünste.

      So wurde ich erwachsen, stellte, wie Mama, meine Kochkünste in den Dienst der Familie. Eingeladene Freunde konnten allerdings sicher sein, es gab nie zu wenig, immer zu viel, so dass als Abschiedsritual den Gästen ein Tupperdöschen überreicht wurde. Viele Jahre vergingen, bis ich merkte, es ist nicht meine Bestimmung, das Leben meiner Mutter nachzuleben. So packte ich meine Koffer und machte mich auf, in ein neues Leben.

      Das Leben einer alleinstehenden Frau auf der Suche nach ihrer intellektuellen Identität gefiel mir zunächst ausgesprochen gut. Tagsüber studierte ich, abends saß ich in Kneipen und brachte meine Synapsen mit Hilfe hochprozentigen Alkohols in eine entspannte Stimmung. Alles schien perfekt. Doch plötzlich meldete sich eine Stimme der Einsamkeit in meinem Inneren, ich musste zugeben, mir fehlte etwas, Liebe, eine Beziehung zu einem Mann. So besann ich mich auf meine familiären Talente und kochte. Liebe geht schließlich durch den Magen. Meine Mama hat immer gesagt, willst Du einen glücklichen Mann, koche ihm Rindergulasch, er wird Wachs in deinen Händen sein. Mein Gulasch wurde geliebt, wieso sollte ich dieses Talent nicht nutzen.

      Vorausschauend beschrieb ich meine Kochkünste an der Theke und wenn ich mein Profil in Dating Apps erstellte. Und es funktionierte. Hatte ich Kontakt zu einem Mann, kamen wir sehr schnell auf meine Kochkünste zu sprechen und ich lud ihn zum Gulaschessen ein.

      Nach dem hochgelobten Essen kam es zum gepflegten Nachtisch, Desserts waren nie meine Stärke, also bot ich mich als süßen Abschluss an. Er blieb meist bis zum Morgen.

      Am Mittag war ich wieder einsam, der Verdauungsprozess war beendet. Manche Männer fragten nach weiteren Gulaschdates, die ich nur selten ablehnte.

      Eines Tages verabschiedete sich ein Mann, mit dem ich mich schon einige Male getroffen hatte, mit den Worten »Sonntag? Ich freue mich schon sehr auf den Gulasch.«

      Ich winkte ihm noch nach, bis er ins Auto stieg und fragte mich in diesem Moment, wo bleibt mein Genuss, ist es das, was ich wollte? Ich kam mir ein wenig vor wie eine Freierin, die ihre Lover mit Gulasch bezahlte, immer in Vorkasse. Der Gulasch im Bauch öffnete nie die Türe zu unseren Gefühlen, er täuschte eine gewisse Wohligkeit vor, vielleicht für den Moment sogar Vertrautheit.

      Ich löschte alle Profiltexte und erfand mich nun wirklich neu.

      Ich glaube nicht mehr daran, dass Liebe durch den Magen geht. Liebe spürt man im Herzen, Vertrautheit in der Seele und Wohligkeit im Arm eines geliebten Menschen.

      Und wenn das alles da ist, dann können wir gemeinsam Gulasch kochen.

       Gin Honig

      Nadejda Stoilova

       »Eine schöne Geschichte, die ich damals nicht kannte. Damals als ich noch unreif war. Unreif für die Liebe. Eine Geschichte, von der ich heute noch Gänsehaut bekomme. Eine Geschichte, die erzählt werden will. Es ist eine Geschichte von einem jungen Mann, der ganz schüchtern war. Er liebte tanzen, aber er traute sich nicht, eine Frau anzusprechen. Er wusste nicht wie. Er hatte Angst, dass sie »Nein« sagt. So stand er eines Abends am Rande der Tanzfläche. Sein Fuß wippte im Takt der leidenschaftlichen Rhythmen. Er versuchte sich, in den Mann gegenüber zu versetzen. Fast spürte er die Brünette in seinen Armen. Und doch nur fast. Es fehlte etwas.«

      Tango ist nicht für jeden. David dachte, er bekommt die Schritte besser hin. Er war aufgeregt. Wie eine aufgedrehte Feder stand er angespannt am Rande der Tanzfläche. Die Musik wechselte zu heißen kubanischen Rhythmen. Er glühte vom innen.

      Dann kam ein Fremder neben ihn. Eine Zeitlang guckte er ihn von der Seite an. David fühlte sich beobachtet und drehte sich unwillig um. Genervt sah er den Mann an. Groß, korpulent, gut gebaute Figur. Man könnte fast neidisch werden. Elegante Muckis. Knackiger Arsch. Die Tattoos ließen Davids Herz sprunghaft schneller schlagen. Eine brutale Szene entwickelte sich seinen Nacken entlang. Von links nach rechts kämpften mystische Wesen mit einander. Das rubinrotfarbige Herz eines Dragons pulsierte fast im Takt der Buena Vista Beats.

      Er sah das Gesicht des Fremden mit einem Mal anders. Seine freundliche Ausstrahlung überraschte ihn. Eine unerklärliche Weichheit machte ihn neugierig. Denn sie stand im Kontrast zu seinem tätowierten Körper. Ein Lächeln erwachte aus seinem Innern. Dann kam die Stille.

      Dieser Moment dauerte eine gefühlte Ewigkeit. So kam es David vor. Seine innere Unruhe wurde vom Blick des Unbekannten gezähmt.

      David errötete. Zum Glück war es dunkel. Doch ihm war so zumute, als starrte ihn die gesamte Welt.

      Ein Flashback entführte ihn zurück. Sein Vater platzte unerwartet in sein Zimmer. Ein stummer Schrei folgte. Die Ohrfeige brannte immer noch auf seiner Wange. David stand perplex da. Er trug die magentafarbene Satinunterwäsche seiner Schwester. Die Scham überwältigte ihn. Sie sprachen danach nie darüber. David war für ihn gestorben. Nie mehr blickte er in seine Augen. So wuchs David mit diesem Geheimnis auf. Er war Elf. Seitdem klebte die Scham an ihm.

      In der Schule blieb er ein Außenseiter. Seine Mitschüler interessierten ihn nicht. Auf dem Schulweg blieb sein Blick immer zum Boden gerichtet. Nur an der Mauer des Gefängnisses blieb er stets stehen. Durch ein winziges Loch beobachtete er die Insassen, die im Hof spazierten. Im Sommer glitzerten deren nackte Oberkörper. Ihre Tattoos schienen fast lebendig. Er liebte die Fantasien, die später aus diesen Hautfetzen in seinen Träumen erwachten. Schlachten, Verfolgungen, Erotik. Sein Schweiß tropfte wie Honig. Plopp ... Plopp …

      »Magst du was trinken?« durchbrach eine kräftige Stimme seine Erinnerung.

      Fast erschrocken wachte David auf. Das Lächeln von gegenüber traf ihn und er konnte nicht »Nein« sagen.

      Sie gingen zur Bar, ein Raum nebenan, wo sie sich in Ruhe unterhalten konnten.

      »Zwei Monkey 47«, bestellte der Kräftige.

      David lachte nur zustimmend zurück und fragte: »Respekt! Woher kennst du meinen Geschmack?«

      »Du bist kein Wein-, kein Bier- und auch kein Whiskey-Typ«, scherzte der Mann locker zurück.

      »Was treibt dich hierher?« wollte David freundlich wissen.

      »Urlaub.«

      »Hah? Du machst Urlaub in einer Salsa Tanzbar mitten in der Pampa in Bulgarien?«

      »Ich bin auf der Durchreise. Salsa mag ich nicht. Ich wollte nur was trinken. Hier bin ich zufällig gelandet.«

      »Hmm, eigenartig. Ich käme nie auf


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