Der Junge mit dem Feueramulett: Der heilige Vulkan. Frank Pfeifer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Frank Pfeifer
Издательство: Bookwire
Серия: Der Junge mit dem Feueramulett
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754178171
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      Madad erfand dann eine dramatische Geschichte, in der er sich mit dem Langen, so hatte man Kard dann hier an Bord getauft, um die Gunst eines Mädchens stritt. Um sie zu beeindrucken habe er, der Bucklige, behauptet, dass er es wagen würde, sich über den Waldrand hinaus zu trauen und bis in die Alte Stadt zu gehen. Etwas, was jeder normale Wahter tunlichst vermied, auch wenn die Alte Stadt die einzige Ansammlung fremder Wesen war, die sie überhaupt besuchten. Aber der Lange hier, hatte ein große Klappe. Jedenfalls wenn es um Mädchen ging, nicht wahr? Kard ließ ein Grunzen vernehmen, das man als Zustimmung werten konnte. Der hätte dann behauptet, dass er sich sogar bis auf die Hochebene vor der Alten Stadt wagen würde. Man musste sich das mal vorstellen. Nirgends ein Baum oder ein Felsen, auf den man klettern konnte. Nur dieses flache Land, ab und zu ein Strauch oder eventuell ein vereinzelter Baum. Sonst diese Leere. Diese Weite. Ein Alptraum für jeden Wahter. Schließlich hätten die beiden sich derart hochgeschaukelt, dass man am Ende lauthals verkündete, man würde sich bis ans Meer trauen. Bis nach Klatschmünde. Nur die großen Helden der Wahter hatten das bisher gewagt. Und ein paar Händler. Und ein paar Abenteurer. Und der Onkel des Schwiegervaters der Tochter von dem einen, von dem sie mal gehört hatten. Aber vor allen Dingen die Helden. Und leider hätte dieses Mädchen mit den mandelbraunen Augen und dem samtweichen Fell sie nicht etwas angstvoll zurückgehalten und sich allein an ihren Worten ergötzt. Nein, dieses wunderhübsche aber völlig mitleidlose Mädchen wollte, dass den Worten nun auch Taten folgten. Und der ganze Stamm schien das ebenfalls zu erwarten. Also war ihnen nichts weiter übrig geblieben, als loszuziehen. Hinaus aus dem schützenden Wald, hinaus auf die leere Ebene und bis zu diesem schrecklichen, schrecklichen Meer, dessen schiere Unendlichkeit sie bis in ihre tiefsten Träume nun verfolge. Zum Glück habe ihr Govan, jeder weiß, dass die Wahter eher Branu zugeneigt sind, ihnen diesen Haarzauber verpasst. So mussten sie nicht dauernd in die Leere schauen, sondern konnten sich in ihr eigenes Dunkel zurückziehen, was sie an die Heimeligkeit ihres schützenden Waldes erinnerte. Daher die langen Haare, dessen Wachstum tatsächlich magisch sei. Nein, nicht alle Wahter sähen aus wie sie, etwas kürzer wären die Haare normalerweise schon. Die Hälfte der Mannschaft schnarchte schon, als der Bucklige endlich endete. Aber die, die noch wach waren, nickten verständnisvoll. Ja, man soll den Mund nicht zu voll nehmen. Das konnte ein böses Ende nehmen.

      Ganze sieben Tage dauerte es, bis die Bos-Ochsen es geschafft hatten, die schwere Morena gegen die Strömung bis zu den Klatschfällen zu ziehen. Die Deckplanken glänzten, als käme das Schiff frisch aus der Werft. Niemand wollte mehr Wahtergeschichten hören. Jeden Abend dieser gleiche monotone Singsang, die Mannschaft hatte jetzt wirklich genug und betrachtete abends doch lieber die schweigenden Sterne.

      Während Kslam bald wieder mit neuer Ladung zurück nach Klatschmünde fahren würde, mussten sich Kard und Madad nun eine neue Mitfahrgelegenheit zur Alten Stadt suchen. Zuvor aber freuten sie sich, dass diese Nacht endlich Neumond war und sie nun endlich das Haarschrumpfmittel einnehmen konnten. Da die Nacht lauwarm zu werden versprach, suchten sie sich ein Lager im Freien, ein wenig abseits vom Umschlagplatz, denn auch nach Sonnenuntergang wurde weiterhin Ladung gelöscht oder die leeren Schiffe mit neuer Ware beladen. Im schummrigen Licht der Abenddämmerung las Kard nochmals genau den Beipackzettel. Die Gova in Klatschmünde hatte ihnen eingeschärft, diesmal wirklich alles genau nach Vorschrift zu machen, da sonst unerwartete Nebenwirkungen auftreten könnten. Kard und Madad hatten erstmal genug von allen Nebenwirkungen und waren erpicht darauf, alles genau nach Vorgabe zu erledigen. Da Madad zwar wie ein Buch reden aber nicht lesen konnte, war es Kards Aufgabe, alles zu entziffern.

      »Eine Stunde vor, bis eine Stunde nach Mitternacht…«, grummelte Kard vor sich hin. Sie hatten sich eine Anhöhe in der Nähe der Klatsch ausgesucht, ein kleiner Hügel, der von einem kleinen, krummen Baum gekrönt war und auf dem das Gras, wahrscheinlich von Schafen, gemäht worden war. Die sogenannten Mäh-Schafe waren in ganz Haragor beliebte Mittel der Flurpflege, schmeckten gut und ihr Fell gab wunderbare Liegekissen für Säuglinge her. So hatten die Freunde eine gute Sicht auf Treidelpfad und Fluss und in dieser Nacht auch einen funkelnden Sternenhimmel, der sich gerade langsam ankündigte.

      »Goiba zu Ehre, Goiba zu loben, Goiba zu preisen dreimal laut singen, wenn möglich in C-Dur.«

      Kard führte seine Finger über die Buchstaben, er konnte zwar lesen, aber seine herausragendste Fähigkeit war das nicht gerade.

      »Dabei siebenmal einen Hampelmann machen. Also Beine und Arme springend auseinander breiten und wieder zusammen klatschen.«

      »Und wie soll ich das machen?« Der Haarberg, unter dem sich Madad befand, wackelte seltsam, wahrscheinlich versuchte er gerade, die genannte Übung auszuführen.

      »Credna für die viele Liebe, die sie in die Welt bringt, danken. Und Luchta für den ganzen Reichtum. Falls man weder Liebe verspürt, noch reich ist, genügt es, wenn man sich einfach so bei den Schwestern von Goiba bedankt. Danach aber Goiba um so mehr danken.«

      Kard murmelte leise vor sich hin und übte schonmal die Danksagungen. Dann vertiefte er sich wieder in den Zettel. Seufzend blickte er auf.

      »Also, wenn wir bei Wallas damals ab und zu Branu gedankt haben, brauchte man nicht so viele Worte. Ein Räucherstäbchen anstecken und fertig. Erinnert mich aber doch ganz schön an das Waisenhaus damals. Die Govas bekamen gar nicht genug vom Beten. Morgens, mittags, abends und zur Nacht mussten wir alle niederknien. Hatte ich ganz vergessen.«

      »Aber Wallas hat erzählt, dass du bei jeder Kleinigkeit in die Tempel gerannt bist.«

      »Hat er das?« Kard strich sich die Strähnen aus dem Gesicht und wollte Madad anblicken, sah aber nur diese riesige Perücke. »Stimmt schon. Habe ich mir damals wohl so angewöhnt. Nichts machen ohne den Segen der Götter. Der Göttinnen, eher gesagt. Und in Conchar haben das alle gemacht. Goiba hier, Goiba da. Hallo? Conchar ist die Stadt von Tsarr. Das Goiba-Zentrum des Reiches. Nacht und Kälte gib uns deinen Segen, Goiba unser im Himmel und so, das haben da alle gemacht.«

      »Ja, ja, ist ja schon gut, Kard. Dann bist du ja der richtige Mann für dieses Ritual hier, oder?«

      »Genau!« Kard warf sich in die Brust.

      »Die Pille nicht lutschen, sondern sofort mit einigen Schlucken Wasser herunterspülen«, las Kard weiter vor.

      »Entweder schmecken die diesmal abscheulich oder wieder so gut, dass man süchtig wird«, knurrte Madad.

      »Ich werde es nicht ausprobieren. Ich folge den Anweisungen. Wenn ich mir das recht überlege, hätte ich das sowieso machen sollen. Dann wäre ich nicht hier und müsste mich nicht um dieses Minas-Schwert kümmern. Einfach den Geboten folgen, das wäre das Beste gewesen.«

      »Brav, brav, brav, du armes kleines Schaf.«

      »Was heißt hier brav, selber Schaf. Ihr Cus haltet euch sowieso an keine Regeln.«

      »Doch, doch. Mama sagt immer, folge immer deinen eigenen Regeln.«

      »Ja, sage ich doch.«

      »Wieso, sind doch auch Regeln, halt die eigenen.«

      »Ja, aber jeder normale Mensch schaut doch, dass er den Geboten der Götter folgt. Wo kämen wir denn da hin, wenn jeder macht, was er will?«

      Die Diskussion mit Madad ermüdete Kard. Außerdem wusste er, dass sie sowieso nichts bringen würde. Madad war einfach ein Dickkopf. Und hörte, wenn überhaupt, nur auf seine Mama. Goiba, Branu, sollten die Götter sich doch erst einmal untereinander einig werden. Jetzt galt es erstmal, die Haarpracht wieder loszuwerden. Ob mit Goiba oder Branu oder welchem Gott auch immer, war Kard gerade ziemlich gleichgültig. Die Haare mussten weg! Auch wenn sie zugegebenermaßen Vorteile brachten.

      Kards innerer Wecker klingelte genau eine Stunde vor Mitternacht. Erschrocken stellte er fest, dass er eingenickt war, auch die Perücke neben ihm schnarchte lautstark.

      »Madad.«

      »Was, wie, wo?«

      »Es ist so weit, wir können jetzt die Pillen nehmen.«

      Kard und Madad begannen die Göttinnen zu preisen. Eine Eule, die sich den krummen Baum als Aussichtsplatz