In der gleichen Arbeitswoche verabredeten wir uns im Büro für eine allabendliche Spritztour ins Grüne. Bei der Tour erzählte er mir, er habe sich einen Geldbetrag auf ein separates Konto transferiert, falls seine Holde ihn vor die Tür setzt. „Er ist auf dem Weg,“ sagte mir mein Engelchen. Er legt Geld für einen Neuanfang weg? Eines verstand ich nicht. Wieso spekulierte er darauf, dass ihn seine Frau vor die Tür setzt? Sie hatte doch keine Ahnung von mir, von uns, der Liebe, der Beziehung? War es nicht ebenfalls sein Haus, indem er wohnte? Dann wäre ein Rausschmiss doch gar nicht möglich, oder? Ich schaute ihn fragend an. Er erzählte mir weiter, dass er sich schon nach geeigneten Schulen für die Kinder umschaute, und schmiedete eifrig Pläne. Das gab mir einerseits unheimliche Zuversicht und ließ bei mir keinen Zweifel offen, dass wir eine gemeinsame Zukunft angehen werden. Nach seinem Monolog gab es Momente auf der Fahrt, in denen er äußerst nachdenklich am Steuer saß. Das waren die Situationen, die mich verunsicherten, und mir mein Kopf-Teufelchen ins Ohr flüsterte: „Er wird seine Frau nicht verlassen. Er sucht nur einen emotionalen Ausgleich für das lieblose Zuhause!“ Warum schaltet mein Kopf nicht ab? Wir erreichten einen idyllisch gelegenen Waldparkplatz. Im Auto sitzend erzählte er mir, dass er nach Rückkehr am Hochzeitstag zu Hause den Satz fallen ließ: „Jetzt liebe ich zwei Frauen“. Dabei hatte er sein Kind auf dem Schoß. Ja wenn das kein Wink mit dem Zaunpfahl war. Wie unbekümmert ist denn ein MANN? Er hält seine Gattin, zugespitzt formuliert, für unsensibel und naiv, so meine Interpretation des Satzes. Oder war es reine Provokation an die Person, die mit ihm verheiratet ist? Sieht er es als seine Aufgabe an, seine Gattin mit mir auf die richtige Spur der Ehe zurückzubringen? Beides war möglich. Der Wunsch und die Sehnsucht, mit diesem Mann mein Leben zu teilen, in guten wie in schlechten Zeiten, gegen alle Widerstände der Welt, war groß. So riesig, dass ich die zweifelhaften Gedankengänge im Kopf nicht zu Ende durchspielte und dem Bauchgefühl und dem Herzen folgte. ER war der Mann an Carolines Seite für den Rest
Автор: | Caroline Sehberger |
Издательство: | Bookwire |
Серия: | LEBENSAUTOBAHN |
Жанр произведения: | Языкознание |
Год издания: | 0 |
isbn: | 9783752901085 |
Ich liebte diesen Mann, Thomas! Das wurde mir mit jeder verstrichenen Minute bewusster. Ich erschrak vor mir selbst, weil ich bis dato nie einen Mann so tief in meinem Herzen hatte. Die Welt war für einen Augenblick vollkommene Glückseligkeit. Wir waren in unserem Leben angekommen. Thomas öffnete den Wein, goss ihn in die Gläser und reichte mir lächelnd das meinige. Wir schauten uns tief in die Augen. Eine Frage meinerseits unterbrach die Stille und auf meine so typisch schreckliche, direkte Art fragte ich ihn: „Auf wen oder was stoßen wir zwei denn heute an? Ich hoffe auf etwas Bedeutendes.“ „Auf uns und auf die Ewigkeit“, sagte er und stupste mein Weinglas an. „For Eternity?“ Bohrte ich nach. „Ja. Auf die Ewigkeit. Nur Du, ich und das Leben!“ Wir tranken einen Schluck und küssten uns innig. Dieser Gedanke und die Vorstellung daran, mein ganzes, restliches Leben mit dem Mann zu teilen, sprachen mir aus tiefstem Herzen. Ja, wir liebten uns. Er sagte es am Picknick Tag im Sommer. Und nicht nur an diesem Tag. Thomas schwor es mir am Christopher Street Day, und an vielen anderen Orten, die wir zusammen aufsuchten. Immer und immer wieder. Es war erst eine kurze, aufflammende Liebe, doch für Seele und Herz dauerte sie schon eine gefühlte Ewigkeit. Wochenende. Es kam der Geburtstag meiner Mutter. Ihr 74-zigster, mit Beigeschmack. Es war Thomas Hochzeitstag. Zum ersten Mal im Leben hasste ich Gemeinsamkeit. Fragend schaute ich aus dem Bürofenster. Wie verbringt er den heutigen Jahrestag zu Hause? Mit Hochzeitsgeschenk für eine Frau, die er nicht mehr liebt? Heute noch werde ich es erfahren. Den Nachmittag hatte ich mir freigenommen, um mit der Familie den Ehrentag meiner Mutter gebührend zu feiern. Das lenkte mich ein wenig von seinem Hochzeitstag ab. Irgendetwas sagte mir dennoch: Zieh dich elegant an. Das bleibt nicht beim Geburtstagskaffee. Mein Handy, seit Mai der ständige Begleiter, piepste leise. Eine SMS von Thomas. Ich schaute auf das Display. „Sehen wir uns nach Feierabend, schöne Frau“? Ich saß längst bei meiner Mutter an der Kaffeetafel und schrieb knackig kurz zurück: „Du hast doch Hochzeitstag! Trotzdem begehrst du mich, zu sehen?“ Seine Antwort war ebenfalls rasch und klar: „Den Tag gibt es für nicht mehr. Treffen bitte!“ Wow, das war eindeutig. Befehlstonmäßig seine SMS. Ich simste zurück. „OK, aber nicht vor sechs. Werde auf den Vater meiner Kinder warten. Erst dann komme ich.“ Befehlston zurück. „Einverstanden freue mich“. Mehr sendete er nicht zurück. Na, der hatte ja eine Laune und so überhaupt keine Lust, den Tag mit seinem alten Herzblatt zu verbringen. Ich verstand ihn nur zu gut. Er meinte es demnach ernst mit mir und der Liebe, philosophierte ich. Nach dem Eintreffen meines Ehemannes verabschiedete mich von der Geburtstagsgesellschaft, dem Ehrengast Mutter, von unseren Kindern und fuhr in freudigem Optimismus los. Was wird mich heute mit ihm erwarten? Die SMS klang bestimmend, aber hilfesuchend. „Mal schauen,“ sagte ich. Wie immer, trafen wir uns auf dem bekannten Parkplatz. Es wurde einer dieser Abende, an dem er seiner Seele wieder Luft verschaffte. Ich habe ihm nur zugehört. Vollkommen weg geblendet hatte er diesen Tag nicht, denn er redete nur. Das ist so seine Art, wenn ihm etwas auf der Seele brennt. Dann war ich stets Therapeutin und Seelsorgerin in einer Person, liebend und verständnisvoll. Von seiner Frau zu Hause kannte er das nicht. Das Herz und mein Bauch signalisierten mir aber, dass er lange nicht so weit war, wie er immer vorgab, zu sein. Er erschreckte sich vor sich selbst, seinen Gefühlen und der tiefen Sehnsucht nach der Frau, die er erst kurze Zeit kannte. Er merkte mit jedem, neuen Tag, dass es die wahre Liebe gibt, und das es das ist, was uns verband. Bis zu unserem Zusammentreffen im vergangenen Jahr hatte er vermutlich die Ehe, die er lebte, für Liebe gehalten. Es ist nicht auszuschließen, dass er in einem inneren Konflikt steckte. Kein Mensch streift seine gewohnte Haut ab. Niemand verlässt Hals über Kopf seine Familie, oder doch? Den Ehepartner, den man nicht mehr liebt ja. Aber was ist mit seinen Kindern? Er vergötterte alle. Es sind seine kleinen „Götter“. Er sprach an dem Abend über sämtliche Themen, die ihn seit seiner Kindheit innerlich aufwühlten. Er genoss es, wenn ich ihm meine vollkommene Aufmerksamkeit schenkte. Ich war gerne für ihn bereit, den Zuhörer zu spielen. Im Gegensatz zu seinen Familienmitgliedern. Seine „Lieben“ waren eine verschmolzene Einheit und ich hatte schon damals das Gefühl, hörte es aus all seinen Erzählungen heraus, dass er nur der Versorger, und nicht der Ehemann oder gar Vater in ihren Augen war. Er hatte eine Aufgabe, eine personifizierte Funktion zu erfüllen, die hieß Geld zu erwirtschaften. Er selbst, der Mensch, Mann und Vater Thomas, die menschliche Komponente, war, wie drückt man es aus, wenig wert. Aber dazu später. Trotz alledem war es ein halbwegs gelungener Abend. Zwar so gänzlich ohne die heißersehnten Umarmungen, Küsse und Streicheleinheiten, aber aufschlussreich in Sachen Thomas Vergangenheit. Beim Abschied legte er seine rechte Hand auf das Autodach, setzte sein vertrautes, bäriges Lächeln auf und wartete auf meine Reaktion. Nachdenklich, nach all den erzählten Einzelheiten, ließ ich den Blick schweifen und stellte fest, dass er seinen Ehering abgestreift hatte. Ich stutzte, schaute ihn an und fragte erstaunt: „Du hast ja keinen Ring mehr an“. „Den habe ich abgelegt. Die Ehe ist vorbei. No Future. Du bist meine Zukunft!" Antwortete er überzeugend. Ich war außerordentlich überrascht. Das klang alles vollkommen entschlossen. Gestern unentschlossen und heute das. Bedeutete es Erleichterung? War das schon seine Entscheidung für ein neues Leben? Eine Zukunft mit mir? Ich wünschte es so sehr. Seltsame Vorstellungen schwirrten mir durch den Kopf: Wir hätten mehr Kinder, ein großes Haus, von Thomas gebaut und täglich buntes Treiben. Das wäre das Größte. „Stop. Nicht durchdrehen. Es ist kompliziert genug. Nur nicht zu früh freuen,“ hörte ich mein Teufelchen reden. Thomas legte ein Tempo vor, das mir zugleich ein wenig Angst bereitete. Was zu vorschnell entschieden wird, erst recht einseitig, ist oft nicht gutgegangen. Die Frage war: Strebte ich ebenfalls eine schnelle Entscheidung an? Eine gemeinsame Zukunft für uns? Beim Abschied hielt er mich lange in seinen Armen. Ein seltsames Gemisch aus Emotionen stieg in mir auf. Ein Gefühlsgemisch, das sich so formulierte: Halte Caroline fest und fühle, ob das das Gleiche ist wie zu Hause. Oder ist es gar intensiver, besser, das Beste!? Das war es, was ich in seinen Armen empfand. Anziehend und doch unnahbar! Und trotz alledem wirkte er mit seinen Zeichen, die er setzte, so wahnsinnig entschlussfreudig. Seine Umarmung löste sich und der langersehnte Kuss, der mir jedes Mal die Sinne raubte, folgte. Lang, unheimlich intensiv. Nach dem Abschiedskuss fuhr ich äußerst nachdenklich zurück zu meinen Kindern, die garantiert schon in ihren Betten träumten. Es war ein Hin- und hergerissen sein zwischen Himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt. Am Abend siegte das Engelchen auf meiner Schulter, dass mir zuflüsterte: „In diesem Kuss lagen jede Menge Emotionen, seine ganze Liebe und die unerfüllten Sehnsüchte. Er liebt dich!“ Alles das, war ich gewillt, ernst zu nehmen. Er war so entschlossen wie an keinem anderen Tag zuvor. Somit entschied ich mich für himmelhochjauchzend.