Sommer des Zorns. Roberta C. Keil. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roberta C. Keil
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738099591
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      Es wäre auf die gleiche Antwort hinausgelaufen. Michael, Aidens verstorbener Vater, war immer fasziniert von den Mustangs gewesen. Und die Indianer hatten von je her mit den Mustangs gelebt, sie gezähmt und zu Nutztieren gemacht. Natürlich beobachtete er sie.

      „Denkst du, Jack hat Recht? – Ich meine, wir könnten es doch mal mit einem versuchen. Was vergeben wir uns damit?“

      Aiden hob die Schultern an.

      „Ich zweifele die Entscheidung des Bosses nicht an. Du hast da eine andere Position.“

      Er lächelte leicht und konzentrierte sich darauf, den Draht durch die Öse zu ziehen, die er gerade in den Holzpfahl gedreht hatte. Mein Blick klebte an seinen feingliedrigen und durch die Sonne gebräunten Händen. Sein etwas dunklerer, indianischer Teint fiel kaum auf. Wir arbeiteten ständig im Freien und auch ich war mittlerweile sonnengebräunt.

      „Aber, wenn der Chef dich fragen würde, wie du darüber denkst. Was würdest du dann sagen?“

      „Ich bin deiner Meinung. Man könnte es mal mit einem Tier versuchen. Und dann weitersehen.“

      „Ah!“

      Somit fand ich in ihm einen Verbündeten.

      „Wir könnten einfach mal einen einfangen. Jack müsste es ja nicht wissen.“

      „Jacky! Du arbeitest an deinem Vater vorbei?“

      Ich lachte. Manchmal musste Jack zu seinem Glück gezwungen werden.

      „Kann ich mich auf dich verlassen?“

      Er zuckte wieder die Achseln.

      „Ich weiß nicht. – Vielleicht, wenn wir mal nicht so viel zu tun haben. Dann könnten wir in die Berge reiten und nach den Mustangs suchen.“

      „Abgemacht?“

      „Abgemacht.“

      Er zog jetzt den Draht stramm und wickelte ihn zweimal um die Öse, damit er die Spannung hielt.

      „Wie geht es dir eigentlich mit dieser Phoenix-Sache? Hast du dich mit Jack versöhnt?“

      „Er weiß, ich habe nichts damit zu tun!“

      „Ist mir schon klar. Jeder weiß das. Wie geht das jetzt weiter?“

      Ich zuckte die Schultern und reichte ihm den Zweipfünder Hammer. Er musste damit die Eisenstange in den Boden treiben, um das Loch für den nächsten Pfahl vorzubereiten. Während er mit der im Boden steckenden Stange durch kreisende Bewegungen das Loch vergrößerte, hing mein Blick an seinen Oberarmen. Seine Muskeln waren angespannt bei dieser anstrengenden Arbeit, und die Oberarme gingen in einer sanften Rundung in die Schultern über. Leicht ausgestellt, Stärke demonstrierend, die mir jederzeit präsent war. Aiden war stark. Sein ganzes Leben lang hatte er auf dieser Ranch hart gearbeitet. Jetzt zog der Staub, der sich mit seinem Schweiß verband, eine fast graue Schicht über seine Schultern. Ich wusste, wie diese Schultern aussahen, wenn sie frisch geduscht waren. Aber warum dachte ich gerade jetzt darüber nach? Aiden war ein Mann. Immer schon. Für mich war er mehr ein Bruder gewesen, als jemand, der einem Frank Hoover Konkurrenz hätte machen können. Aber seit der Nacht mit David und der verblüffenden Ähnlichkeit mit Aiden, hatte ich mir immer öfter ins Gedächtnis gerufen, das Aiden in erster Linie ein Mann war, der nicht mit mir verwandt war. Wir waren keine Geschwister. Wohl als solche aufgewachsen. Aber er stammte aus einer anderen Familie als ich. Doch warum wurde mir das jetzt gerade bewusst? Empfand ich etwa mehr für ihn, als Geschwisterliebe? Immer häufiger erwischte ich mich in den letzten Tagen dabei, wie ich mir vorstellte, wenn er und ich… Ich war lange nicht mehr in Phoenix gewesen. Möglicherweise lag es daran.

      Seit der Sache mit David hatte ich mir solche Touren verkniffen. Ich fürchtete mich sogar davor. War mir nicht im Klaren darüber, ob ich überhaupt jemals wieder nach Phoenix in diese Bar, oder in irgendeine andere Bar gehen würde.

      „Jacky?“

      „Sorry!“ Ich musste sehr in meine Gedankengänge vertieft gewesen sein und reichte ihm nach seiner Mahnung eine Öse.

      „Vermisst du es?“

      „Was?“ Ich hatte doch nicht etwa laut gedacht?

      „Deine Ausflüge nach Phoenix?“

      „Warum sollte ich sie vermissen?“

      „Du warst seit jener Nacht nicht mehr dort.“

      „Beobachtest du mich, Aiden?“

      Er lächelte und wischte mit dem Handrücken den Schweiß an seiner Stirn weg. „Ich habe mich immer gefragt, was du machst, wenn du abends wegfährst und mitten in der Nacht erst wiederkommst.“

      „Nun weißt du es ja!“

      „Hast du niemals in Erwägung gezogen, dein Glück vielleicht vor der Haustür zu suchen?“

      Ich suchte den Blickkontakt mit ihm und entdeckte etwas in seinen Augen, das wie Begehren wirkte. Das hatte ich in ihnen noch nie gesehen. Dabei liebte ich sie. Sie wirkten so geheimnisvoll dunkel. Dieses tiefklare Braun und die seidigen Wimpern. Weich, wie ein Meer aus Samt. Mein Herz schlug jetzt etwas schneller.

      „Wir sollten sehen, dass wir mit dem Zaun fertig werden.“

      Ich wich ihm aus. Aber ich verstand gerade meine Gefühle nicht gut genug, um klar denken zu können. Aiden war mein Bruder. Dabei war er es auch wiederum nicht. Wir waren nur wie Geschwister aufgewachsen. Und jetzt sah er so furchtbar sexy aus, so staubüberzogen und muskulös. Sein einfaches Achselshirt war vom Staub des Feldes verschmutzt und seine lässige Jeans umspielte seine Hüften, die weit schmaler waren, als seine Schultern. So hatte ich ihn noch nie betrachtet.

      „Ich meine nur – warum Phoenix? Und warum immer irgendwelche Fremden?“

      „Nur wegen des Geredes! Du siehst ja an Ted Middleton, was daraus werden kann. Mach jetzt weiter, McLeod.“

      Manchmal sprach ich ihn einfach mit seinem Nachnamen an. Dabei wäre er als Partner für mich genauso passend, wie Frank. Aiden war hier aufgewachsen und kannte die Ranch und ihren Betrieb so gut, wie Jack oder ich. Er war nicht unser Vorabeiter, weil sein Vater es auch gewesen war. Er hielt diesen Posten inne, weil der dafür qualifiziert war, auch ohne Studium.

      „Sieh dort!“ Er legte den Hammer weg und trat neben mich. Mit der Rechten deutete er zu den Bergen hin und die Linke legte er um meine Schulter. Zog mich leicht an sich.

      Ich sah sie. Die Mustangs. Der Leithengst war ein graues, eher unscheinbares Tier. Aber jetzt riss er den Kopf in die Höhe und schlug damit, als wolle er uns verhöhnen und sagen: „Ja, baut ihr nur euren Zaun. Das hält mich nicht ab.“ Ein lautes Wiehern scholl zu uns herüber und ließ das Kribbeln unter meiner Kopfhaut stärker werden. Dann trieb er seine Herde wieder in die Berge zurück. Unsere Blicke verfolgten sie, bis sie ihnen entschwunden waren.

      „Sind sie nicht wunderschön?“, flüsterte ich andächtig. Voller Bewunderung für diese Anmut und Schönheit.

      Wir standen da, in einer fast zärtlichen Umarmung und sahen den Mustangs nach. Nur zaghaft löste ich mich aus seinen Armen. Wir hatten uns schon oft auf diese Weise umarmt. Aber heute schien es mir irgendwie anders zu sein.

      Seine Hand verweilte noch einen Moment auf meinem Rücken. Wie Halt gebend, als würde er ahnen, dass mein Halt im Moment nicht allzu weit reichte.

      „Ja, sie sind wunderschön. Aber sie zerstören unser Getreide.“

      „So ist es!“ Ich reichte ihm den nächsten Holzpfahl von der Ladefläche des Pickups. Mit dem Sechspfünder trieb er ihn jetzt in das Loch, das er mit dem Eisen vorgebohrt hatte. Jeder Schlag saß. Ich beobachtete sein Muskelspiel, die Leichtigkeit, mit der er scheinbar den schweren Hammer schwang. Und das Kribbeln in meinem Bauch nahm zu.

      Wir setzten die Pfähle und banden den Draht, bis das Feld komplett eingezäunt war. Dann kehrten wir zum Ranchgebäude zurück.

      Der große Traktor