Rock Creek Station
In der Zeit von 1859 bis in das Frühjahr 1861 hinein, fuhr James Butler Postkutschen und Frachtwagen auf dem Santa Fe Trail hinunter in das New Mexiko-Territorium, eine von dem amerikanischen Händler William Becknell im Jahre 1821 begründete Handelsstraße, die ihren Ausgangspunkt in Independence, Missouri hatte und die in Santa Fe endete.
Über Hickoks Aktivitäten während dieser Zeit ist jedoch nur wenig bekannt. Zwei Legenden haben allerdings die Zeiten überdauert und sollen an dieser Stelle dann auch kurz erwähnt werden. Einer ersten zeitgenössischen Erzählung nach, soll er bei einer seiner Fahrten mit dem berühmten Kundschafter Christopher „Kit“ Carson (1809-1969) zusammengetroffen sein, der ihn in das sündige Nachtleben von Santa Fe eingeführt haben will, wobei er ihn vor den leicht zu habenden mexikanischen Señoritas „gewarnt” haben soll. Darüber hinaus soll er ihm einen Colt-Dragoon-Revolver geschenkt haben und auch kurz vor Carsons Tod, am 23. Mai 1868 in Fort Lyon, Colorado, sollen die beiden Männer nochmals zusammengetroffen sein. Klingt diese Geschichte noch einigermaßen glaubhaft, so steht sie im krassen Gegensatz zu einer weiteren Legende, die man Hickoks früheren Biografen John W. Buel anlasten muss. Laut dessen Erzählung, soll Hickok am Raton Pass in Colorado eine unfreundliche Begegnung mit einer angriffslustigen Bärin gehabt haben, die ihren Nachwuchs beschützen wollte. Nachdem Hickok sämtliche Kugeln aus seinem Revolver abgegeben hatte, ohne die wütende Bärin aufhalten zu können, musste er sich am Ende mit dem Messer gegen das Tier verteidigen, das sich mittlerweile in seinen Arm verbissen hatte. Nach hartem Ringen gelang es Hickok am Ende doch noch, seinen pelzigen Gegner zu erlegen, war aber bei dem zurückliegenden Kampf derart zerzaust und angenagt worden, dass seine Gefährten ihn in einen Wagen legen und ihn nach Santa Fe transportieren mussten, wo ihm die nötige ärztliche Hilfe angedeiht wurde. Eine dramatische Geschichte, die allerdings den kleinen Schönheitsfehler hatte, das sie lediglich Buels blühender Fantasie entsprungen gewesen war, wie spätere Biografen, unter ihnen auch Joseph G. Rosa, herausgefunden hatten. Im Winter 1859 jedenfalls war Hickok gesund und munter wieder nach Kansas zurückgekehrt, wo er aller Wahrscheinlichkeit nach erneut mit Buffalo Bill Cody zusammentraf, der wenig später beim berühmt gewordenen Pony-Express Karriere machen sollte.
Der von William Hephurn Russell (1812-1872) ins Leben gerufene Pony-Express wurde am 03. April 1860 offiziell in Dienst gestellt und Ziel des Unternehmens war es, Briefpost binnen von zehn Tagen zu Pferd von St. Joseph, Missouri bis nach Sacramento in Kalifornien und umgekehrt die dortige Post in der gleichen Zeit nach St. Joseph zu transportieren. Die Entfernung, die es dabei zu überwinden galt, war gewaltig. Runde 3.150 km weit führte die Strecke durch zerklüftete Gebirge, endlose Prärien und glutheiße Wüsten, wobei die Reiter zunächst dem North Platte River folgten, den South Pass in den Rocky Mountains überquerten, um anschließend das heutige Utah und die Sierra Nevada durchschneidend, in Sacramento anzukommen. Entlang dieser Route gab es 25 feste Gebäude, bei denen sich die Reiter ca. alle 120 km auf ihrem harten Ritt ablösten, sowie 165 Wechselstationen, wo die Reiter ca. alle 24 km ihr müde gerittenes Pferd wechselten. Waisen, jung, dünn und drahtig, die bereit waren, täglich ihr Leben zu riskieren, wurden als Express-Reiter bevorzugt - Kriterien, die Hickok im Gegensatz zu seinem jugendlichen Freund Bill Cody nur zum Teil erfüllte. Zwar war er um diese Zeit herum tatsächlich noch unverheiratet gewesen, doch als möglicher Reiter für den Pony-Express war er zu groß und auch zu schwer gewesen, sodass er weiterhin Frachtwagen nach New Mexiko hinunterfuhr.
Im September 1860 soll Hickok mit dem ebenfalls berüchtigten Revolverschwinger Joseph Alfred „Jack“ Slade (1824-1864) aneinandergeraten sein. In jenem Monat stahl eine Horde Indianer bei Plant's Station, Nebraska eine Pferdeherde des Pony-Express und einige beherzte Männer mit Hickok an der Spitze nahm die Verfolgung der Räuber auf. Am Clear Creek gelang es ihnen schließlich auch, sich die Pferdeherde zurückzuholen, nachdem sie das Indianercamp aufgespürt hatten. Am Ende befanden sich auch rund acht Dutzend Indianerponys unter den erbeuteten Tieren. Bei der sich anschließenden Siegesfeier in der Sweetwater-Bridge-Station, soll laut Berichten auch Slade kurz vorbeigeschaut haben, wobei er wenig später mit einem Postkutschenfahrer in Streit geriet, den er kurzerhand mit seinem Sechsschüsser über den Haufen schoss, womit die Party ihr abruptes und unappetitliches Ende gefunden hatte. Zwischen Slade und Hickok kam es jedoch zu keinerlei Auseinandersetzung. Slade selber wurde nur vier Jahre später am 10. März 1864 im Territorium von Montana von Vigilanten wegen Störung der öffentlichen Ordnung und Ruhe gehängt und am 20. Juli 1864 in Salt Lake City, Utah zur letzten Ruhe gebettet.
Anfang März 1861 wurde Hickok, der zu dieser Zeit an irgendeiner Art von Verletzung am Bein laborierte, von Russell, Majors & Waddell zur Rock Creek Station im Nebraska-Territorium versetzt, wo er bis zu seiner vollständigen Genesung leichtere Arbeiten übernehmen sollte. Inzwischen war das von William Hephurn Russell, Alexander Majors (1814-1900) und William Bradford Waddell (1807-1872) im Jahre 1855 gegründete Unternehmen arg ins finanzielle Schlingern geraten, da die Kosten der Transportfirma weitaus höher als die erwirtschafteten Gewinne gewesen waren. Das endgültige Ende kam dann im Februar 1862, als der gewiefte als auch skrupellose Transportunternehmer Ben Holladay das Unternehmen übernahm, derweil der Pony-Express bereits am 26. Oktober 1861 sein jähes Ende gefunden hatte, nachdem man zwei Tage zuvor die transkontinentale Telegrafenlinie fertiggestellt hatte. Zu jener Zeit also, als es mit Russell und seinen Geschäftspartnern langsam aber stetig bergab ging, traf Hickok auf der Rock Creek Station ein, wo es zu jener obskuren und für ihn im Nachhinein wenig rühmlichen Schießerei kommen sollte, die seinen Mythos als Revolverheld eindrucksvoll ins Leben rief, aber auch als typisches Beispiel dafür gelten mag, wie die Wahrheit und Legende des Öfteren weit auseinanderklaffen. Fangen wir daher mit letzterer an und lauschen dabei Hickoks eigenen Worten, als er dem Colonel George Ward Nichols im Herbst 1865 in Springfield folgendes Interview zu diesem Ereignis gab:
„McCanles war der Captain einer Bande von (...) Mördern und Halsabschneidern, die jedermann im Grenzgebiet terrorisierte (…) McCanles war der größte Schurke und Tyrann von ihnen allen und ein Aufschneider dazu (…) Er und seine Bande gehörten während des Kansas-Bürgerkrieges zu den Border Ruffians und es stimmt, dass sie zu den Konföderierten gehörten (…) Es war 1861, als ich eine Kompanie Kavallerie aus Fort Floyd als Kundschafter begleitete. Wir hatten die Grenze von Kansas überschritten und befanden uns nun im Süden von Nebraska. Eines Nachmittags verließ ich das Lager, um anschließend eine alte Freundin von mir, Mrs. Waltman, zu besuchen. Ich nahm lediglich einen Revolver mit und obgleich der Bürgerkrieg ausgebrochen war, glaubte ich nicht, dass ich die Waffe benötigen würde (…) Ich sah einige wilde Truthühner auf der Straße und schoss mir einen. Ich dachte bei mir, dass das Tier ein gutes Abendessen abgeben würde. Ich erreichte dann Mrs. Waltmans Haus (...) und betrat anschließend die Hütte durch den Vordereingang. Ich fragte Mrs. Waltman, wie es ihr ginge? Als sie mich bemerkte, wurde sie weiß wie ein Bettlaken und rief: 'Bist du das, Bill? Oh, Gott! Sie wollen dich töten!' Auf die Frage, wer mich töten wolle?, antwortete Mrs. Waltman: 'McCanles und seine Bande. Sie seien zu zehnt und ich hätte keinerlei Chance (…)' Doch es war zu spät, die Bande kam bereits die Straße hinauf (…) Ich lud meinen Revolver (...) als