LOS. Ylvie Wolf. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ylvie Wolf
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753189284
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vielen Tattoos zum Ausdruck brachte, die seinen gesamten Körper bedeckten. Ihre Mutter hatte einen halben Herzinfarkt erlitten, als sie ihn das erste Mal oben ohne gesehen hatte.

      Auf dem Weg ins Bad schaute Erik bei seiner kleinen Schwester Jana ins Zimmer hinein. Sie spielt mit einem Traktor, doch als sie ihn sah, sprang sie auf und hüpfte ihm in die Arme. »Morgen, Brüderchen.«

      Als Antwort kitzelte er sie durch und sie wand sich kichernd. Er ließ sie hinab, da gluckste sie und hüpfte Richtung Küche. Kleiner Wirbelwind.

      Nachdem sich Erik im Bad fertiggemacht hatte, ging er in die Küche hinab. »Morgen.«

      Er unterdrückte ein Gähnen. Jana kicherte. Sie saß am Küchentisch und las in einem Buch.

      »Hallo, Erik. So früh schon auf?«

      Seine Mutter lächelte und widmete sich ihrer geliebten Hausarbeit. »Heute fangen die Ferien an und Paul kommt nach Hause. Ich bin mal gespannt, wie es ihm in seinem ersten Jahr gefallen hat. Ihr habt das Internat ja geliebt, aber er war ziemlich skeptisch gewesen.«

      Erik nickte und widmete sich seinem Frühstück.

      »Morgen!« Daniel hatte es geschafft, sich anzuziehen. Auch wenn es sich um eine Shorts und ein enges Achselshirt handelte, die in Eriks Augen zu kurz und knapp für einen Mann waren.

      Als sie aufgegessen hatten, erhob Daniel sich. »Ich verschwinde.«

      »Wohin?« Alarmiert betrachtete ihre Mutter ihn.

      »Treff mich heute mit Clemens.« So heiter die Worte dahingesagt waren, konnte Erik den Missmut aus der Stimme seines Bruders heraushören. Es lag nicht nur an der Tatsache, dass Daniel einfach nicht der Typ für feste Beziehungen war und Clemens vermutlich bald den Laufpass geben würde.

      »Ah«, sagte ihre Mutter deutlich kühler und wandte sich der Spüle zu.

      Daniel warf Erik einen letzten, eindeutig genervten Blick zu und tippte sich elegant mit dem Zeigefinger an die Schläfe. »Also dann. Bis heute Abend.«

      »Tschö!«, rief Jana und schaute kurz von ihrem Buch auf. Sie hatte den Temperaturabfall im Raum nicht bemerkt.

      Als Dank gab ihr Daniel einen Kuss auf die Stirn und verließ das Haus. Der Motor seines Oldtimers knatterte auf und scheppernd entfernte sich das Auto vom Hof.

      »Sag mal, kannst du mir eventuell einen Gefallen tun?«

      Eriks Mutter hatte offenbar entschieden, die Situation von gerade zu ignorieren. Das machte sie meistens so.

      Ergeben nickte er. Was tat man nicht alles für sie, auch wenn man Semesterferien hatte und Erholung vom Studium und Nebenjob brauchte?

      »Gehst du gleich rüber und holst mir noch ein paar Dinge aus dem Einkaufsladen?«

      Er bejahte und schnitt gedanklich eine Grimasse. Seine Mutter hasste die Stadt, aber er hielt es für übertrieben, nicht einmal den Namen nennen zu wollen.

      Nachdem er die Spiegeleier und den Speck aufgegessen hatte, stand er auf. »Ich geh direkt mal los.«

      »Das ist lieb von dir, mein Schatz. Heute soll es doch was Tolles zu Essen geben, wenn dein Bruder nach Hause kommt.«

      Erik nickte zum ungefähr hundertsten Mal an diesem Morgen und fühlte sich wie ein Wackel-Dackel. Er schnappte sich Rucksack und Sonnenbrille, bekam einen Einkaufszettel in die Hand gedrückt und verließ das Haus.

      Das Wetter meinte es gut mit ihm, die Sonne schickte ihre Strahlen durch die Baumkronen. Erik genoss den Spaziergang durch den Wald, der ihr Zuhause von Schäferhof trennte. Er studierte in einer Stadt, in der es keine großen Wälder und nur wenig Grünflächen gab.

      Im Wiembachtal angekommen erledigte er zügig die Einkäufe für seine Mutter. Mit einer Cola bewaffnet setzte er sich auf dem Marktplatz an den Brunnen. Lässig lehnte er sich zurück und beobachtete die Menschen um sich herum durch seine dunklen Brillengläser.

      Eine ältere Dame kam freudig auf ihn zu. »Hallo, Erik. Dich habe ich ja ewig nicht gesehen. Wie geht es dir?«

      Er erwiderte das Lächeln und schüttelte die Hand der Frau. »Hallo, Frau Odhner. Sehr gut, und Ihnen?« Sie hatte ihnen damals Eis verkauft. Heute gehörte ihrem Sohn die kleine Eisdiele.

      »Ach weißt du, ich kann mich nicht beklagen. Ich muss nur noch ein wenig einkaufen gehen, und meine alten Knochen …«

      Erik sah im Augenwinkel eine Bewegung und stockte. Zwei junge Frauen traten aus dem neuen Klamottengeschäft heraus und sie kamen ihm unheimlich bekannt vor. Das eine war Tammy. Er hatte nur Augen für die Braunhaarige neben ihr. Das konnte nicht sein. Sollte es wirklich …?

      »Erik?« Frau Odhner brachte ihn zurück in die Realität.

      Er sprang auf. »Es tut mir leid, mir ist gerade etwas Wichtiges eingefallen. Einen schönen Tag noch!« Eilig schnappte er sich seinen Rucksack mit den Einkäufen und schlug denselben Weg wie die beiden Frauen ein. Sie hatten sich mittlerweile ein Stück von ihm entfernt und gingen in Richtung Wald, hinter dem Tammy wohnte. Erik eilte hinter ihnen her. Tammy musste seine Schritte gehört haben, sie warf einen Blick über die Schulter. In ihren Augen blitzte Erkenntnis auf und sie hielt ihre Freundin am Arm fest. Sie drehten sich zu ihm um.

      Ja, sie war es! Wie lange hatte er darauf gewartet?

      Auch auf ihrem Gesicht zeichnete sich Überraschung ab, dann lächelte sie. »Erik!«

      Sprachlos

       »Erik!« Melinas Herz machte einen Sprung und hämmerte dann doppelt so schnell wie zuvor. Ihre Augen versuchten, alles von ihm in sich aufzusaugen. Seine roten Haare, die in der Sonne glänzten und die er länger trug als damals. Die unendlich vielen Sommersprossen, die braunen Augen, die sie ungläubig anstarrten. Ihr Blick wanderte hinab. Die kleinen Fettpölsterchen, über die sich Daniel und sie lustig gemacht hatten, waren verschwunden und hatten einen wohldefinierten Körper hervorgebracht. Unter seinem engen Shirt zeichneten sich Muskeln ab. Sein Gesicht war kantiger als früher.

      »Melina.«

      Seine Augen zuckten über ihren Körper und sie spürte die ihr wohlbekannte Hitze ins Gesicht aufsteigen. Sie fühlte sich unwohl und hatte das Gefühl, dass seine Augen eindeutig zu oft auf ihren Armstulpen hängen blieben. Natürlich war das Schwachsinn, aber Melina konnte nichts gegen ihre Gefühle machen.

      Erik trat einen vorsichtigen Schritt auf sie zu, als müsste er sich davon überzeugen, dass sich die jungen Frauen nicht in Luft auflösten. »Melina.«

      Sein Tonfall jagte ihr einen Schauer über den Rücken.

      Er überwand den Abstand zwischen ihnen und bevor sie es ansatzweise realisierte, fand sie sich in einer Umarmung wieder. Kurz stockte sie, dann entspannte sie sich und legte ihre zittrigen Finger auf seinen Rücken.

      Ein leises Räuspern hinter ihr brachte Melina zurück in die Gegenwart. Sie löste sich von Erik und bedachte ihn mit einem Lächeln.

      Tammy unterbrach den Moment ruppig. »Tach, Erik. Wie gehts? Ich dachte, du studierst weiter weg?«

      Er schien aus einer Trance zu erwachen. »Ja, das mach ich auch. Aber ich habe Semesterferien.«

      Sie zupfte an Melinas Shirt. »Kommst du? Mama hat gekocht.«

      Melina starrte weiterhin in Eriks Augen. Sie waren voller Fragen. Fragen, die sie ihm wahrscheinlich nie beantworten könnte. Ungeduldig zog Tammy an ihr und sie setzte sich rückwärts in Bewegung.

      Erik verlagerte unruhig sein Gewicht aufs andere Bein. »Ich würde mich gerne mal mit dir treffen.«

      Die beiden jungen Frauen entfernten sich immer weiter von ihm.

      »Wie wäre es mit heute Abend? Hier am Brunnen? Um acht Uhr?« Er sah ihr hoffnungsvoll hinterher.

      Melina wollte antworten, doch hatte sie einen dicken Kloß im Hals. Daher nickte sie erneut. Sie