der Schatz im Acker. Hermann Brünjes. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hermann Brünjes
Издательство: Bookwire
Серия: Jens Jahnke Krimi
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754171790
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auszusprechen. Maren lacht.

      »Na, das kann ja alles sein! Vielleicht hat er sich verliebt und sein Schatz hat ihn sitzen lassen. Oder er hat seine Briefmarkensammlung verloren oder seine kostbaren Kindheitsfotos sind verbrannt.«

      »Er hat von zwei Säcken mit Gold gesprochen.«

      Maren schaut mich an, als ob mir die Sicherung fehlt.

      »Zwei Säcke Gold? Ihr wart gestern Abend ja echt gut drauf. Warum nicht gleich der Schatz im Silbersee?«

      »Maren, ohne Quatsch! Ich war zwar angetrunken, konnte aber noch gut hören und mitdenken. Zwei Säcke Gold hatte er zunächst gefunden und nun sind sie wieder weg, hat Fabian gesagt – und dass er ein Idiot sei.«

      Wenn sich der Zweifel ein Gesicht suchen wollte, würde er Marens auswählen. »Das Letzte mag ja stimmen. Ich kenne diesen Fabian nicht und weiß nicht, ob er ein Idiot ist. Das mit dem Gold klingt aber ziemlich idiotisch und wie ein Kindermärchen oder eben Karl May.«

      »Ich habe nachgelesen. So abgedreht ist das gar nicht. Man hat auch in dieser Gegend immer wieder Schätze gefunden.«

      »Einzelne Münzen vielleicht. Aber doch keine Säcke mit Gold. Von einem Bankraub habe ich auch nichts gehört. Wo also sollte so etwas herkommen?«

      »Keine Ahnung. Erst 2014 hat man in Lüneburg einen beachtlichen Goldschatz gefunden. Der kam von den Nazis, die ihn kurz vor Kriegsende verbuddelt haben, damit er den Briten nicht in die Hände fällt.«

      »Ich erinnere mich. Raubkunst, Nazigold ... eingeschmolzene Schmuckstücke aus den Konzentrationslagern und so etwas. Ja, das gab und gibt es sicher in Österreich, der Schweiz und dort, wo Tunnel, Stollen und Höhlen als Verstecke genutzt wurden, aber hier bei uns?«

      Nun ist Maren wach. Der Kaffee und ein Müsli mögen auch dazu beigetragen haben, vor allem jedoch das Thema. Allemal wenn meine Liebste ein bisschen psychologisieren darf, ist ihre Müdigkeit schnell vorbei. So auch jetzt.

      »Schatz! Welch eine Metapher! Sie steht für die großen, unerfüllten Träume von uns Menschen. Der Treffer des Lebens, der Lottogewinn, der Traumprinz, der reiche Erbonkel in Amerika, die einzig wahre Chance ... wir fallen doch immer wieder auf so etwas herein. Schatzsuche, Schatzgräber, Piratenschatz ... davon haben wir bereits als Kinder geträumt.«

      »Das stimmt. Aber immer wieder hört man von Träumen, die in Erfüllung gehen. Auch ich habe ja meinen ‚Schatz’ gefunden. Dich!«

      Sie tätschelt meine Wange und gibt mir einen Kuss.

      »Zum Glück! Auch in der Bibel ist vom Schatz die Rede. Jesus beschrieb das Reich Gottes als ‚Schatz im Acker’. Er hat die Menschen und sich selbst gut beobachtet. ‚Wo dein Schatz ist, dort ist auch dein Herz’ hat er einmal mit Blick auf die Vergötterung des Reichtums gesagt.«

      »Siehst du. Es geht also um ein zentrales Thema. Es geht um die Frage, was uns besonders wertvoll ist, worauf wir auf keinen Fall verzichten wollen und woran wir unser Herz hängen! Sag’ also nicht, die Sache mit dem ‚Schatz’ ist nur ein Kindertraum oder ein Märchen.«

      Maren lacht und beginnt, den Frühstückstisch abzuräumen.

      »Jens, du findest auch immer wieder ein Argument für deine Sicht der Dinge. Natürlich lieben wir alle unsere Schätze und es gibt sie gelegentlich auch, sowohl materiell als auch ideell. Aber zwei Säcke Gold bei einem Himmelstaler Bauern halte ich doch für reichlich fragwürdig – zumal die ja auch wieder weg sind.«

      Ich stelle das Geschirr in die Spülmaschine. Maren wischt den Tisch ab und signalisiert so, dass dieses Thema für sie zuerst einmal beendet ist.

      »Okay«, ich habe gern das letzte Wort, »ich treffe diesen Fabian gleich und kann dir dann ja berichten.«

      *

      Ich muss heute noch einen Artikel über die gestrige Veranstaltung schreiben. Die Kombination Erntedankfest und Tag der Deutschen Einheit finde ich interessant, und was die Verantwortlichen in Himmelstal daraus gemacht haben prima. Hier wurde ja gewissermaßen Einheit praktiziert: Kirche, Sport­verein und Feuerwehr haben den Festtag gemeinsam gestaltet. Ich ziehe mich für eine knappe Stunde in mein Arbeitszimmer zurück und mache mir Notizen.

      Die Fotos von meiner Canon sind gut geworden. Dem Artikel werde ich ein Bild vom Gottesdienst und eines vom Tanzabend beifügen.

      Auch der Bürgermeister beim Grußwort darf nicht fehlen. Ich weiß, das alles ist typischer Provinzjournalismus – aber eben diesen liebe ich. Das wahre Leben in seiner Vielfalt und Normalität zu dokumentieren, macht mir mindestens ebenso viel Freude wie »die Story des Monats« zu recherchieren und zu schreiben. Mit zweiundsechzig Jahren sollte man wissen, wo man hingehört. Ich habe mich schon vor Jahren entschieden, auf eine journalistische Karriere bei einer großen Zeitung zu verzichten und lieber Reporter der »kleinen Leute« zu bleiben. Dafür haben viele meiner Kollegen kein Verständnis, was mir egal allerdings ist. Mein Chef Florian Heitmann versteht es zum Glück. Zwar mag er als ehemaliger Redakteur der BILD-Zeitung am liebsten spektakuläre Aufmacher, im Grunde seines Herzens tickt er aber ähnlich wie ich. Auch mein Chef liebt die Provinz, die Vereine, Lokalpolitik, Firmenempfänge und die vielen Geschichten um Menschen, Tiere und Schicksale aus der Heide.

      Meinen Artikel werde ich also morgen locker unterbringen, auch dann, wenn er über 75 Zeilen benötigt. Heute Abend werde ich ihn schreiben, jetzt habe ich die Notizen dafür im Computer hinterlegt.

      *

      Ich hätte auch das Fahrrad nehmen können. Der Hof der Familie von Heimfeld liegt nur einen knappen Kilometer entfernt vom nördlichen Ortsschild unseres Dorfes. Auch heute bleibt das Wetter stabil. Es ist zwar bewölkt, aber trocken und windstill. Ein Hauch »goldener Oktober« liegt weiterhin in der Luft. Zu beiden Seiten der schmalen Asphaltstraße wurden in diesem Jahr Zuckerrüben angebaut. Die Rübenkampagne in der Fabrik beginnt erst Mitte November. Die Ernte ist hier trotzdem fast beendet. Hunderte Meter lang ziehen sich die aufgeschichteten Zuckerrüben wie Schutzwälle entlang der Straße und warten auf den Abtransport. Im Hintergrund drehen sich Windräder. Mit inzwischen vierundzwanzig Anlagen ist dieser Windpark einer der größten in Niedersachsen.

      Der Hof ist nicht zu verfehlen. Ich lenke meinen grauen Golf IV durch die Einfahrt in der Feldsteinmauer. Die zur Mauer verarbeiteten Steine sind riesig. Teilweise wurden sie beschlagen und mit Mörtel verbunden, teilweise liegen sie lose aufeinander. Mitten auf dem weiten Hof steht eine mächtige Kastanie. Da im Umfeld des Anwesens hunderte Eichen und Buchen wachsen, vermute ich, dass die einst hier stehenden Bäume gefällt wurden, um Platz für landwirtschaftliche Gerätschaften und Fahrzeuge zu machen. Ganz links auf dem Gelände wurde ein neuer, flacher Bungalow errichtet, vermutlich als Altenteil für Fabians Eltern. Eine lange, neue Maschinenhalle liegt vor mir. Zwei Männer hantieren dort an einem großen Trecker herum. Vermutlich gibt es auf diesem Hof auch Personal und es handelt sich nicht um einen reinen Familienbetrieb. Zwei ältere Scheunen und ein schiefes Fachwerkhaus zeugen von der langen Geschichte dieses Anwesens.

      Das Haupthaus erhebt sich rechts vor hohen Bäumen, die vermutlich im Garten dahinterstehen. Die mit Kopfsteinpflaster befestigte Zufahrt wirkt etwas verwahrlost. Der quadratische, wuchtige Bau könnte etwas Farbe vertragen. Er wirkt durch den schmutziggrauen Putz ziemlich triste. Ein runder Vorbau aus rotem Klinker, mehrere Erker und weiße Fenster auf beiden Etagen verleihen dem Haus aber doch eine stattliche Würde.

      Ich parke neben einem braunen Dacia Duster. Sollte Fabian von Heimfeld diesen Billig-SUV selbst fahren, legt er entweder keinen Wert auf sein Image als adeliger Gutsbesitzer oder er betreibt selbstbewusst Understatement.

      Eine Klingel finde ich nicht. Vom Traktor vor der Halle winkt mir einer der Arbeiter zu. »Klooopfen!«, brüllt er. Jetzt entdecke ich einen altertümlichen Türklopfer und mache mich bemerkbar. Hohl klingt es durch das riesige Gebäude.

      Eine junge Frau öffnet die Tür. Im Hintergrund höre ich Kindergeschrei. Dieser graue Bau ist also doch belebt!

      »Sie müssen der Reporter sein«, begrüßt mich die hübsche Brünette. »Ich