Quentin Durward. Walter Scott. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Walter Scott
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754180167
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bloß für das Ohr seiner trefflichen Gevattern, der Herren Rouslaer und Pavillon, bewahren sollte.«

      Dieser letzte Wink wirkte wie Zauber auf die beiden Bürger, die die ausgezeichnetsten Häupter der bürgerlichen Insurgenten waren, und die, wie alle Demagogen ihrer Art, so weit als möglich Alles in ihrer eignen Gewalt zu haben wünschten. Sie beschlossen daher in der Eile, daß Quentin einstweilen die Stadt verlassen, und bei Nacht gen Lüttich zurückkehren sollte, um sich privatim mit ihnen in Rouslaers Hause zu besprechen, welches nahe an dem nach Schönwald führenden Thore lag. Quentin zögerte nicht, ihnen zu sagen, daß er jetzt in des Bischofs Palast wohne, unter dem Vorwande, ihm Depeschen vom französischen Hofe zu überbringen, obwohl sein eigentliches Geschäft, wie sie richtig vermuthet hätten, den Bürgern Lüttichs gelte; und diese umständliche Weise, Gemeinschaft mit Jemand zu pflegen, so wie der Stand und Rang der Person, die man als Vermittler der gemuthmaßten Verhandlungen ansah, stimmte so mit dem Charakter Ludwigs überein, daß weder Zweifel noch Befremden dadurch erregt ward.

      Fast unmittelbar nach dieser Erklärung kam der Strom der Menge vor Pavillons Hause vorbei, welches in einer der Hauptstraßen lag, von hinten jedoch mit der Maas, durch einen Garten sowohl, als durch verschiedene Lohgruben und andere zur Gerberei gehörige Einrichtungen in Verbindung stand; denn der patriotische Bürger war Gerber.

      Es war natürlich, daß Pavillon Verlangen trug, dem vermeinten Gesandten Ludwigs die Ehren seines Hauses zu erweisen, und ein Anhalten vor seiner Wohnung erregte auf Seiten der Menge kein Befremden; ihm Gegentheil, sie grüßte den Herrn Pavillon mit einem lauten Vivat, als er seinen ausgezeichneten Gast hineinführte. Quentin legte eilig seine auffallende Kopfbedeckung bei Seite, setzte die Mütze eines Gärtners auf, und warf einen Mantel über seine übrige Kleidung. Pavillon versah ihn dann mit einem Losungswort, um die Thore der Stadt passiren zu können, um bei Nacht oder bei Tage, wie es ihm am passendsten sein würde, zurückkehren zu können; sodann übergab er ihn der Fürsorge seiner Tochter, einer hübschen und lächelnden Flamänderin, nebst der Weisung, wohin sie ihn geleiten solle, während er selber zu seinem Kollegen zurückeilte, um ihre Freunde auf dem Stadthause mit den besten Entschuldigungen, die sie für das Verschwinden des Gesandten König Ludwigs auffinden konnten, zu unterhalten. Wir können, wie der Diener in der Komödie sagt, uns nicht genau auf die Lüge besinnen, die der Leithammel der Heerde erzählte; aber nichts ist leichter, als eine Menge betrügen, deren Vorurtheile das Geschäft schon mehr als zur Hälfte beendigt haben, ehe der Betrüger noch ein Wort geredet hat.

      Der würdige Bürger war kaum gegangen, als sein rundes Töchterchen, Trudchen, mit tiefem Erröthen und freundlichem Lächeln, welches ihren Kirschenlippen, ihren heitern blauen Augen und ihrer reinen Gesichtsfarbe recht artig stand, den hübschen Fremden durch die mancherlei Gänge des väterlichen Gartens nach dem Ufer hinab führte und dort ein Boot besteigen ließ, welches zwei tüchtige Flamänder in ihren Pomphosen, Pelzmützen und vielknöpfigen Wämmsern so eilig regierten, als ihre niederländische Natur nur immer gestattete.

      Da das artige Trudchen nichts als Deutsch sprach, so konnte Quentin, – ohne seiner treuen Neigung zur Gräfin von Croye zu nahe zu treten, – seinen Dank nur durch einen Kuß auf jene Kirschenlippen aussprechen, und er ward eben so galant gegeben, als mit bescheidener Dankbarkeit angenommen; denn galante Herren mit einer Gestalt und einem Gesicht gleich dem unsers schottischen Bogenschützen kamen einem unter der Lütticher Bürgerschaft nicht alle Tage vor.

      Während das Boot die trägen Gewässer der Maas aufwärts gerudert ward, und vor den Festungswerken der Stadt vorüberfuhr, hatte Quentin Zeit genug, zu überlegen, welchen Bericht er von seinem Abenteuer in Lüttich geben sollte, wenn er zu des Bischofs Palast Schönwald zurückkehrte; er verschmähte es ebenso, Jemand zu verrathen, der, obwohl aus Irrthum, Vertrauen in ihn gesetzt hatte, als er dem gastfreien Prälaten den aufrührerischen Zustand seiner Hauptstadt verbergen mochte; daher beschloß er, sich auf eine allgemeine Nachricht zu beschränken, die genügte, dem Bischof Vorsicht anzurathen, während sie gleichwohl kein Individuum seiner Rache preisgab.

      Er stieg eine halbe Meile vom Schlosse aus dem Boote, und lohnte seine Ruderer zu ihrer großen Zufriedenheit mit einem Gulden. Doch so kurz auch der Raum war, der ihn von Schönwald trennte, so hatte doch die Schloßglocke schon zum Mittagsmahl geläutet, und Quentin fand überdieß, daß er sich dem Schloß auf einer, dem Haupteingange entgegengesetzten Seite genähert habe, daß aber, rund herum zu gehen, seine Ankunft beträchtlich verspäten würde. Er ging daher direkt nach der Seite hin, die ihm die nächste war, und die sich ihm als eine befestigte Mauer darstellte, wahrscheinlich jene des bereits erwähnten kleinen Gartens, mit einer Hinterthür, die sich nach dem Graben öffnete; daneben lag ein Schiffchen, welches, wie er glaubte, auf seinen Anruf zur Ueberfahrt dienen konnte. Als er sich in der Hoffnung näherte, hier einpassiren zu können, öffnete sich die Hinterthür, ein Mann kam heraus, sprang in das Boot, ruderte sich zu der andern Seite des Grabens und stieß dann das Boot mit einer langen Stange nach der Stelle zurück, wo er sich eingeschifft hatte. Als er näher kam, erkannte Quentin, daß diese Person der Zigeuner war, der, ihn ohne Schwierigkeit vermeidend, einen andern Pfad gen Lüttich einschlug, und sogleich aus seinen Augen verschwand.

      Hier bot sich neuer Stoff zum Nachdenken. War dieser heidnische Landstreicher die ganze Zeit über bei den Damen von Croye gewesen, und in welcher Absicht hatten sie ihm so lange die Ehre ihrer Gegenwart verstattet? Von diesen Gedanken gequält, fühlte sich Durward um so mehr bestimmt, eine Erklärung von ihnen zu verlangen, um ihnen zugleich Hayraddins Verrätherei darzustellen, und ihnen auch den gefährlichen Zustand anzuzeigen, in welchem sich jetzt ihr Beschützer, der Bischof, wegen der Meutereien seiner Stadt Lüttich befand.

      Als er über diesen Entschluß in's Reine war, betrat er das Schloß durch den Haupteingang, und fand in der großen Halle das geistliche Gefolge des Bischofs, die Beamten des Haushalts, und die Fremden, die nicht zum hohen Adel gehörten, bereits bei ihrem Mittagsmahl versammelt. Ein Sitz am obern Ende der Tafel war indeß zur Seite des Hauskaplans des Bischofs aufbewahrt worden, und der letztere bewillkommnete den Fremden mit dem alten Schulscherze, Sero venientibus ossa, während er Sorge trug, seinen Teller so mit Leckerbissen zu beladen, daß er dadurch bewies, er meine es nicht ernstlich mit dem Sprichworte, welches in Durwards Vaterlande ein Scherz ohne Scherz, oder vielmehr ein unschmackhafter genannt wird.

      Um sich von dem Verdachte schlechter Erziehung zu reinigen, beschrieb Quentin in der Kürze den Auflauf, welcher sich in der Stadt ereignet hatte, als man entdeckte, daß er zu den schottischen Bogenschützen von König Ludwigs Leibgarde gehörte, und er bemühte sich, der Erzählung dadurch eine scherzhafte Wendung zu geben, daß er sagte, er habe sich mit Mühe durch einen fetten Lütticher Bürger und seine artige Tochter gerettet.

      Aber die Gesellschaft nahm zu sehr Theil an der Geschichte, als daß ihr der Scherz hätte munden können. Alle Operationen der Tafel pausirten, während Quentin seine Geschichte erzählte; und als er geendet hatte, herrschte eine feierliche Stille, welche bloß durch den Haushofmeister unterbrochen ward, der in leisem und traurigem Tone sagte: »ich wünsche und bitte Gott, daß wir jene hundert burgundische Lanzen sähen!«

      »Warum wollt Ihr Euch die Sache zu Herzen nehmen?« sagte Quentin. – »Ihr habt viele Krieger hier, die das Waffenhandwerk verstehen; und Eure Gegner sind blos der Pöbel einer ordnungslosen Stadt, welcher fliehen wird, sobald mit wehender Fahne eine Kriegerschaar gegen ihn anrückt.«

      »Ihr kennt die Männer von Lüttich nicht,« sagte der Kaplan, »von denen man sagen kann, daß sie, selbst die von Gent nicht ausgenommen, die trotzigsten und unbezähmbarsten in Europa sind. Zweimal hat sie der Herzog von Burgund gezüchtigt wegen ihrer wiederholten Aufstände gegen ihren Bischof, und zweimal hat er sie mit größerer Strenge unterdrückt, ihre Privilegien geschmälert, ihnen ihre Fahnen genommen und sich Rechte und Ansprüche über sie angeeignet, die vorher bei einer freien Reichsstadt nicht erhört waren – ja, das letzte Mal schlug er sie mit großem Blutvergießen bei St. Tron, wo Lüttich fast sechstausend Mann verlor, die theils durchs Schwert umkamen, theils auf der Flucht ertranken; und nachher, um sie zu fernerem Aufruhr unfähig zu machen, weigerte sich Herzog Karl durch irgend eines der Thore, die sie ihm übergeben hatten, einzurücken, sondern ließ vierzig Ruthen der Stadtmauer niederreißen, und zog in Lüttich als Eroberer mit