Seine harte und unbarmherzige Reaktion in Bezug auf seinen Sohn, wird verständlicher, kennt man diesen Hintergrund.
Alexis, der Zwillingsbruder von Nicos, war schon immer das Sorgenkind.
Die beiden Männer gleichen sich, wie ein Ei dem anderen, doch ihre Charaktere unterscheiden sich vollkommen.
Nicos war von klein auf immer der Ruhige, hat gern gelernt und versucht, mit allen gut auszukommen.
Alexis dagegen, machte von Anfang an Probleme.
Als Zweitgeborener, obwohl nur zwei Minuten später geschlüpft, hat er immer und in allem versucht, besser zu sein als sein Bruder. Er verbrauchte seine gesamte Energie damit, Nicos bei jeder Gelegenheit zu übertrumpfen.
Dieser Konkurrenzkampf kostete ihn wohl so viel Kraft, dass er, obwohl er sicherlich die gleichen Anlagen wie sein Bruder hatte, doch nicht an dessen Erfolg heranreichen konnte. Er kam weder an die schulischen Leistungen von Nicos heran, noch war er sehr beliebt bei seinen Mitschülern und bildete sich auch ein, dass seine Eltern, Nicos bevorzugen würden.
Irgendwann gab er den Kampf auf, besser sein zu wollen als Nicos und verfiel ins Gegenteil. Die seiner Meinung nach mangelnde Aufmerksamkeit seiner Eltern, meinte er nun damit zu bekommen, dass er gegen alle aufgestellten Regeln verstieß.
Er verhielt sich nur noch renitent und aufsässig.
Seine Eltern, allen voran sein Vater, hätte ihn sicher gerne in einem Internat untergebracht, wenn Nicos seinen Bruder nicht so sehr geliebt hätte und seinen Vater immer wieder davon überzeugen konnte, dass Alexis nur eine Phase durchmacht und sich sein Verhalten schon bald wieder ändern würde.
Mit den Jahren wurde Alexis auch tatsächlich umgänglicher, seine Schwester Eleanna wurde geboren und ohne Konkurrenzkampf konnte er sie von Herzen lieben, außerdem kam er zu diesem Zeitpunkt zum ersten Mal mit Drogen in Kontakt.
Mit Drogen und Alkohol schaffte es Alexis seine Gefühle zu unterdrücken, er erschien dadurch nach außen hin ruhiger und es gelang ihm auch, seine Sucht über Jahre ausgezeichnet vor der Familie zu verbergen.
Nach Schule und Studium stieg er wie Nicos in die Reederei seines Vaters ein und niemand hatte auch nur den Hauch einer Ahnung, dass Alexis Drogen konsumiert, viel zu viel trinkt und immer häufiger an Spieltischen zu Hause ist.
Spielschulden waren es dann auch, die ihn zu diesem Schmuggelgeschäft verleiteten, er braucht dringend und vor allem schnell viel Geld.
Alexis bereute dies sehr und die Familie glaubte ihm auch, aber das Oberhaupt Costa Sarikakis blieb hart.
Vielleicht hätte seine Mutter, das Herz des Vaters, nach einiger Zeit wieder erweichen können, doch so viel Zeit blieb ihr leider nicht.
An einem lauen Sommerabend vor knapp drei Jahren, kurz nachdem Alexis aus der Familie verstoßen wurde, war Ramona Sarikakis mit Nicos Verlobten Maria auf dem Weg von Thessaloniki nach Athen, als den Beiden auf der Autobahn ein Geisterfahrer entgegen kam und die Frauen, bei diesem Unfall, in den Tod riss.
Costa Sarikakis hat sich nach diesem Unglück fast komplett aus der Reederei zurückgezogen, er hat den Verlust seiner geliebten Ehefrau bis heute nicht überwunden.
Ebenso sein Sohn Nicos.
Maria und er wollten vier Wochen nach diesem tragischen Unglück heiraten.
Die Hochzeit war schon komplett geplant, alle Gäste geladen, die Location ausgesucht und das Aufgebot gestellt.
Als Nicos damals durch einen Polizeibeamten, vom Tod seiner geliebten Maria erfahren hatte, glaubte er nicht ohne sie weiterleben zu können. Er sah von jetzt auf gleich keinen Sinn mehr im Leben, fiel in ein tiefes, schwarzes Loch, aus dem ihn, mit viel Geduld und noch mehr Liebe, einzig seine Schwester, wieder heraus geholfen hat.
Das Hotel, was Eleanna bis heute nicht weiß, war eine Idee von Maria.
Sie hatten Pläne, wollten Kinder und ein Traum von ihr war es, irgendwann einmal ein eigenes Hotel zu führen.
Nicos wollte ihr diesen Traum postum erfüllen und kniete sich zwölf Monate, neben seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Reederei, in die Arbeit. Dies half ihm bei der Bewältigung seiner Trauer und die Hotelanlage wird ihn immer an Maria erinnern, denn dies war ihr Traum.
Deshalb ist es ihm auch nicht wichtig, wie viel Gewinn dieses Geschäft abwirft, was wiederum Eleanna dazu verleitet, ihn immer wieder auf zu ziehen und sein Hotel ein Spielzeug zu nennen, sie kennt die Hintergründe nicht.
Anfangs wollte er ihr sagen, warum ihm das Hotel so viel bedeutet, doch irgendwie hatte es sich nicht ergeben und später war es ihm nicht mehr so wichtig.
Heute lächelt er darüber, wenn sie ihn damit aufzieht, denn das ist sein kleines Geheimnis, welches er immer noch mit Maria teilt und ihn auf ewig mit ihr verbindet.
SIEBEN
Wie sich herausstellte, hätte ich meine Yogamatte im Flugzeug nicht mitschleppen müssen. Gestern habe ich mitbekommen, dass gegen 11 Uhr morgens ein Animateur auf der Suche nach Yogateilnehmern war.
Ich habe dankend abgelehnt, konnte aber sehen, als ich mir eine weitere Tasse Kaffee holte, das noch einige Matten frei waren, hätte mir sicher eine ausleihen können.
Egal, jetzt nutze ich meine Eigene und habe mich auch heute Morgen wieder für den Platz, auf demselben Grundstück, wie gestern entschieden.
Eben bin ich mit meinem vierten Durchgang vom Sonnengruß fertig, als mich plötzlich jemand anspricht.
Good morning, I think you are a tourist?
Ach du Kacke, bin ich erschrocken.
Entschuldigung, erwidere ich schnell auf Englisch, ja ich bin Touristin. Ich wohne gleich in dem Hotel nebenan. Es tut mir sehr leid, ich dachte das Haus wäre zurzeit unbewohnt. Selbstverständlich verschwinde ich sofort.
Beschämt rolle ich meine Matte zusammen, während ich mich weiter wortreich entschuldige. Die Situation ist mir peinlicher als erwartet.
Kein Problem erwidert die attraktive Frau auf Deutsch und reicht mir die Hand.
Mein Name ist Eleanna, sie sind hier jederzeit willkommen.
Wenn ich sie auf eine frisch aufgebrühte Tasse Kaffee einladen darf, sie mir dabei Gesellschaft leisten, können sie danach das Grundstück nutzen, wie es ihnen gefällt, fügt sie lächelnd hinzu.
Sie sprechen Deutsch, erwidere ich wenig geistreich.
Sie Sonne schadet wohl meinem Intellekt.
Egal, mit wem ich mich unterhalte, immer blamiere ich mich.
Ich werde rot und bedanke mich für das Angebot.
Der Großteil unserer Kunden kommt aus Deutschland, erklärt Eleanna ihre Sprachkenntnisse und fügt lächelnd hinzu, außerdem spreche ich Italienisch, Französisch und Spanisch.
Ich bin beeindruckt.
Sie haben hier wirklich ein sehr schönes Stück Land.
Der Blick von ihrem Grundstück aufs Meer ist einfach faszinierend und hat mich so sehr angezogen, dass ich nicht viel nachgedacht habe, auch glaubte ich tatsächlich das Haus sei unbewohnt, entschuldige ich mich nochmals.
Wirklich kein Problem, sie sind nicht die Erste, die sich auf unser Grundstück verirrt. Wir haben uns inzwischen daran gewöhnt und wie gesagt, es stört uns nicht. Das Haus ist Alarmgesichert und wir halten uns fast ausschließlich vor dem Haus auf, obwohl sie natürlich Recht haben mit der Aussicht, aber wenn sie diese jahrelang täglich sehen, wird es irgendwann zur Normalität.