»Jiminy? Hörst du mich?« Hastig überwand ich die nächste Passage und fand mich eine Etage höher wieder. Der Klangteppich des Gemeuchels erstarb in meinem Rücken. Mein Atem ging schwer. »Jiminy?«
»Bär!« Kristallklar tönte mein Name aus dem Kommunikator. »Bär, was geht da vor? Geht es dir – bist du verletzt?«
»Der Angriff aus dem Tunnel! Sie halten ihn auf. Was oben – bin gleich da.« Mein Dasein wurde auf eine harte Probe gestellt. Meine Muskeln reagierten zunehmend widerwillig gegen die für sie unnatürliche Anstrengung. Es wurde dunkler. Zu Beginn dachte ich, mir würde schwarz vor Augen. Aber es war die Beleuchtung. Die Leuchtstoffröhren waren ausgeschaltet worden, absichtlich, wegen eines technischen Defekts oder aus taktischen Erwägungen. Mir war es einerlei, denn im nächsten Moment schlug etwas im düster rötlichen Notlicht gegen meine Schulter, kein Geschoss, sondern ein Mensch. Eine Faust traf mein Kinn eine Sekunde darauf. Blindlings prasselten meine Hiebe zur Antwort auf den Fremden nieder. Wir umfassten uns, pressten uns gegenseitig die Luft aus den Lungen, nach Art hellenisch-marsianischer Ringer, und wankten geradewegs auf das Bassin zu. Ich kann nicht mehr sagen, woher es plötzlich in unser Sichtfeld gelangte oder wie wir in die Nähe des Reservoirs gekommen waren. Nach Luft zu japsen und zur selben Zeit von der Schwerkraft niedergedrückt zu werden, vertrug sich einfach nicht mit einem ungetrübten Sehvermögen. Ich roch das graugrüne Tuch meines Gegners, nach einem gemeinsamen Taumeln nicht einmal mehr das. Der nächste Schritt brachte uns über den Rand der Zisterne hinaus und hinein ins Wasser. Wir wanden uns auf Leben und Tod, jeder versuchte den anderen in den Griff zu bekommen. Mir gelang es, den Gegner an den Schultern herabzudrücken. Ich war in meinem Element. Wasser ist nur vage vergleichbar mit dem Vakuum des Alls. Es gibt Widerstände. Dennoch bewegte ich mich leichter, teils vom Druck befreit. Der Mann wollte nicht aufgeben. Es gelang ihm, sich an meine Beine zu klammern, eine Klinge reflektierte Licht. Ich gab seine Schultern frei, tastete nach seinem Hals, bekam Kettenglieder zwischen die Finger. Sie riss nicht, so sehr er auch zerrte, um sich zu befreien, also drehte ich an ihr, schraubte sie enger und enger um den Hals des Feindes. Niemals war der Mann ein Schwimmer, der Kerl war ein Wüstennomade. Er hatte keine Ahnung von Atemtechniken, keine Ahnung, wie sich Kleidung mit Wasser vollsog und tonnenschwer an einem hing. Ihm wurde der Sauerstoff knapp. Bläschen sausten an mir vorüber in die Höhe, blubberten aus seinem erschreckend weit aufgerissenen Rachen, der nach Luft schnappte und Wasser in die Lungen soff.
Wir haben diesen Spruch auf dem Mars. Wenn dich ein Gepardenraptor ins Wasser verfolgt, halt dich an ihm fest, tauch unter und das einzige, was du tun musst, ist länger die Luft anzuhalten als er. Wahrscheinlich hat jede Kultur eine ähnliche Weisheit mit einem räuberischen Fleischfresser.
So wartete ich eine kleine Weile und sah ihn neugierig an. Jeder reagierte anders auf Auswegslosigkeit. Die Augen meines Gegners quollen hervor, die Zunge zappelte. Seine Kräfte erlahmten, die Griffe an meiner Schulter, meinem Arm lösten sich. Sobald ich sicher war, dass ich nicht mehr mit einer Gegenwehr rechnen musste, packte ich ihn am Stoff um seinen Nacken und gemeinsam brachen wir durch die Wasseroberfläche.
Von den Gitterrosten rings um das Reseroir hatte man das Schattenspiel unseres Zweikampfes beobachtet. Ohne dass jemand auf den Gedanken verfallen wäre, mir zu helfen. Nun, ich war ein Fremder, ein geduldeter zwar, aber ein Fremder. Warum für so jemanden sein Leben riskieren? Letztendlich half man uns beiden aus dem Wasser. Mir mit ausgestreckten Händen und einem aufmunterndem Grinsen im weiß verschmierten Gesicht, ihm, indem man ihn aus dem Bassin riss, ungeachtet dessen, wo sein Kopf und seine Extremitäten überall anschlugen.
Wasser perlte mir aus den Ohren. Meine patschnasse Stachelfrisur hing mir strähnig über die restliche Glatze.
»Drietsackjesich«, raunte jemand in meiner Nähe und trat dem bewusstlosen Nomadenanführer in die Seite. Keine Ahnung, was er gesagt hatte, aber irgendwie konnte ich es mir denken.
Ein anderer aus der Kolonne 50 zog dem Gefangenen die Kette über den Kopf, bedachte das Medaillon daran mit einem prüfenden Blick und warf es mir zu. »Vüürdämüssjöh!«
Ich nickte dankend. Eine Trophäe, kreisrund, ungepflegt, golden unter einer Schmutzschicht. Im Zentrum eingraviert ein Kreuz, darüber, nachträglich eingekratzt eine mir unbekannte Sternenkonstellation. Darunter, am Rand, eingelassen, drei lilafarbene Schmucksteinchen. Ich steckte das Medaillon ein. »Jiminy? Jiminy, hörst du mich.« Meine Stimme krächzte, noch belegt vom Wasser und einem klebrigen Sekret in Nase und Hals, eindeutig mit Blut vermischt, wie der metallische Geschmack im Mund verriet.
»Bär? Du lebst!« Elektronischer Jubel. »Bär? Ich nehme doch an, du wirst diesem Ort jetzt den Rücken kehren und an Bord der SCHILDKRÖTE III zurückkommen?«
Ich sah mich um. »Da spricht wohl nichts gegen. Gebadet habe ich ausgiebig. Sportlich betätigt genauso. Ich sollte einen Gang in die Gravitationskammer ausfallen lassen können.«
»Versuchst du witzig zu sein, Bär? Denn es ist nicht witzig.«
»Jiminy, keine Vorwürfe, ja?« Ich seufzte. »Stehe jetzt auf und bin auf dem Weg.«
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