Im gleichen Augenblick beneidete Anneliese Patriks Frau um diesen Mann. Unvermittelt traten Eifersucht und Hass auf seine Frau auf.
Anneliese versicherte ihm treuherzig, dass, obwohl er verheiratet wäre, dies kein Grund sei, ihn weniger zu lieben, sondern ganz im Gegenteil, dass sie im Hintergrund bleiben werde und ihn als Entschädigung für sein unglückliches Eheleben noch mehr lieben und beglücken wolle.
Und doch, mein Liebster, wird die Zeit für uns beide arbeiten. Deine Ehefrau ist alt und ich jung. Die biologische Uhr wird alles klären. Ich bleibe nicht immer deine Zweitfrau. Am Ende bin ich die Siegerin und es werden für uns die Hochzeitsglocken läuten, nur du weißt noch nichts davon.
„Liebst du mich?“ Am liebsten hätte sie ihn mit ihren schmachtenden Blicken verschlungen, während sie sehnsüchtig sein „Ja“ erwartete.
Immer diese bohrenden Fragen, die ihm auf die Nerven gingen.
„Ich liebe dich, für immer und ewig, mein Kleines“, erwiderte er seufzend wie ein Schwerenöter.
Immer, wenn er Kleines sagte, zuckte sie unmerklich zusammen, denn intuitiv wurde sie dadurch an ihren geflohenen Vati erinnert. „Kleines, ich komme dich bald besuchen“, hatte er, als sie noch ein Kleinkind war, gesagt. Aber sie hatte bis heute umsonst auf ihn gewartet. Anneliese schaute Patrik aus zusammengekniffenen Augen an. Ich werde nie wieder eine so große Enttäuschung wie damals als kleines, hilfloses Mädchen mit meinem Vati hinnehmen. Jetzt bin ich erwachsen und bestimme selbst über mein Leben und dazu gehörst du, für immer.
„Ich werde dich immer lieben, auch ohne Ehering“, ergänzte Patrik mit Nachdruck. Das wollte Anneliese hören. Dich lasse ich nie wieder gehen, du gehörst mir. Als hätte sie auf diese Antwort gewartet und sich darauf vorbereitet, erklärte sie, wie bei einem religiösem Eid, dass sie für ihre Liebe kämpfen werde und bereit sei, mit ihm
ein dunkles Tal zu durchschreiten, um am Ende mit ihm die Glückseligkeit zu erlangen. „Ich habe mit dir endlich mein großes Glück und meine einzige Liebe gefunden, welches bis an mein Lebensende auch ohne Trauschein halten wird“, versicherte sie ihm mit unschuldigen Augen. Dann bekräftigte sie gleich einer religiösen Formel: „Unser Bündnis wird besser halten als jede Ehe, denn Ehen würden geschieden, während unser Gelöbnis sicherer als jeder vor dem Altar getätigter Schwur ist.“ Liebevoll schmiegte sie sich zärtlich an seine Brust. Patrik war verwundert. Ihm war es vorgekommen, als stünde er in einer feierlicher Trauungszeremonie mit Anneliese vor dem Traualtar wo sein „Ja“ erwartet wurde.
Glaubte sie das in ihrem jugendlichen Eifer eigentlich selber? Einerseits entzückte und erregte ihn dies, andererseits machte ihm ihr Eifer Angst. Wie weit würde sie in ihrem Fanatismus, ihn ganz zu besitzen und im Glauben an die ewige Treue und Liebe gehen? Würde sie etwa in ihrem Eifer so weit gehen und seine Ehe, seine Familie und seine Lebensexistenz zerstören? Warum klammerte sie so stark? Woher rührte dieser Fanatismus? Hatte sie eine schwere Enttäuschung hinter sich oder etwa einen Vaterkomplex?
So wie Anneliese bekräftige, ihn ewig zu lieben, bekräftigte auch Patrik Lerner vor jeder körperlichen Vereinigung, wie ein ständig erprobtes Ritual das erwünschte Ziel vor Augen, mit ernster Stimme, dass sie die einzige Frau war, die er begehre und ihm genüge und die er immer lieben würde, egal was passieren würde.
„Ich habe lange auf eine Frau wie dich gewartet, ich dachte schon, du kommst nie“, flötete er, während er sie zärtlich streichelte.
Den größten Spaß bereitete es Patrik, mit jenem roten Chevrolet, dessen Schlüssel er von seinem Schwiegervater Zoltan Gaber als Gegenleistung für ein Treuegelöbnis seiner Frau Sabine gegenüber ausgehändigt bekommen hatte, wie ein Teenager mit Anneliese durch die Gegend zu fahren.
Nach einiger Zeit, an einem warmen Sommertag, als Anneliese im Handschuhfach ihre Sonnenbrille suchte, fiel Ewalds Foto heraus.
„Wie kommt Ewalds Foto da hinein“, fragte sie erschrocken.
„Ewald muss es hineingetan haben“, antwortete Patrik lapidar.
„Wie kommt er in dieses Auto?“
„Wir sind gestern herumgefahren. Ewald ist mein Sohn. Das habe ich dir doch gesagt.“
„Nein, das hast du nicht. Ich habe es nicht gewusst, sonst hätte ich mich mit dir nie eingelassen. Ewald war mein Freund, bevor ich dich kennengelernt habe“, schrie sie entsetzt. Patrik erstarrte. Das darf nicht wahr sein. Ich habe meinem eigenen Sohn die Freundin ausgespannt. In was habe ich mich da hineingeritten.
Einige Zeit trat betretene Stille ein.
„Weiß Ewald von uns beiden“, fragte Anneliese noch immer sichtlich erschrocken.
„Nein. Das braucht er auch nicht zu erfahren“, antwortete Patrik beruhigend.
Vielleicht erledigt sich alles von selbst und unsere Liebesaffäre ist bald Geschichte. Nur keine schnellen, voreiligen Schlüsse ziehen.
„Wir tun Ewald Unrecht. Er ist so ein lieber, netter Junge“, hauchte sie tränenerstickt.
Er ist so ein lieber, netter Junge, äffte Patrik Anneliese gedanklich nach. Ich weiß, dass er ein lieber, netter Junge ist. Aber er genügt dir nicht. Warum sonst liegst du in meinen Armen? Patrik schien es, als wolle sie ihr Gewissen reinwaschen und seines belasten und ihm die alleinige Schuld für ihre Untreue geben. Diese Mitleidmasche der leichtlebigen Weiber kannte Patrik Lerner zur Genüge. Wie sehr sich alle ähnelten. Als hätten sich alle in Engel verwandelt und zu Märtyrerinnen vereint, um ihrer verlorenen Tugend und dem edlen Verflossenen nachzuweinen.
„Ewald muss lernen, mit Rückschlägen fertig zu werden, je schneller desto besser. Nur die Harten und Starken kommen durch. So ist das Leben“, erklärte er väterlich, bemüht, dadurch das Thema vom Tisch zu haben. Nicht, dass sie ihn mit weiteren Vorwürfen und Gegenleistungen zu plagen begann.
„Kleines, Ewald kann dein Freund bleiben, wie ein Bruder, und wir machen uns nebenbei schöne Stunden“, erklärte er selbstgefällig.
Ich lasse mir von niemandem was vorschreiben. Das wäre ja noch schöner, wenn ich meinen Sohn um Erlaubnis bitten müsste, wen ich lieben dürfte, rechtfertigte sich Patrik schweigend. „Läuft noch etwas zwischen dir und Ewald, weil du so besorgt um Ewald bist?“
„Mit Ewald läuft nichts mehr“, erklärte sie bockig.
„Aber warum fragst du das? Genauso könnte ich dich fragen, ob du mit deiner Frau inzwischen wieder das Bett teilst. Du bist nicht ehrlich zu mir. Warum hast du mir nicht gesagt, dass Ewald dein Sohn ist?“
Typisch, erst genießen die Weiber die Liebe mit ihm, dann kommen die Vorwürfe.
„Ja mein Gott, mach nicht so ein Theater, davon geht die Welt nicht unter. Er wird nichts von uns beiden erfahren.“ Um ihre Vorwürfe nicht anhören zu müssen, drehte er die Musik lauter. Dann blieb er mit dem Auto stehen, nahm sie in die Arme und schloss ihren Mund mit einem leidenschaftlichen Kuss.
Nach kurzer Zeit nahm Patrik ihre Hand und sie lächelte ihn an. Gott sei Dank hat sie sich wieder gefangen. Mein Tag ist gerettet, atmete Patrik erleichtert auf.
Er gab Gas und fuhr mit Anneliese in halsbrecherischem Tempo durch die Gegend und Annelieses lange, blonde Haare flatterten im Wind. Er lachte jedes Mal hinter seinen Sonnenbrillen versteckt, wenn sie liebestoll obszöne Wörter den Passanten zurief, was ihn wie einen jugendlichen Backfisch antörnte.
Gut, dass ich dieses Auto von meinem Schwiegervater erhalten habe, lächelte Patrik süffisant. Somit hat er mein Leben bereichert. Lächelnd erinnerte er sich an jenen Tag.
Völlig ahnungslos hatte Patrik damals wie jeden Morgen die Angebote der Prostituierten am Computer gelesen, als Zoltan wütend in sein Büro trat. Nachdem Andrea ihm seine Affäre mit Monika verraten hatte, hatte ihm sein Schwiegervater Zoltan Gaber die Leviten gelesen und ihm, nachdem Patrik ihm zerknirscht versprochen hatte,