Immer, wenn die Buben etwas angestellt hatten, machten sie Patrik zum Sündenbock. Nie konnte er sich sicher sein, ob sie ihn nur deshalb mitnahmen, um ihn als den Schuldigen und als ihr Bauernopfer zu missbrauchen. So kam es vor, dass sie ihn nach einer Missetat in die Selch oder in den Abort von Bauern einsperrten, wobei er jedes Mal durch dessen Hund verraten wurde. Und wenn die Bauern ihn im Versteck fanden, verfolgten sie Patrik mit der Mistgabel und die Buben lachten.
Oder sie stellten eine Leiter an die Obstbäume und zogen diese weg, wenn er auf dem Baum war, liefen fort, sodass ihn die Besitzer beim Stehlen erwischten und ihre Hunde auf ihn hetzten. Versteckt beobachteten sie ihn, wenn er in ein Dornengebüsch sprang, sich verletzte, um zu fliehen.
Patrik wollte dazugehören und mit den Buben auch Spaß haben. Und so bemühte er sich, ihnen zu gefallen, um sie als Freunde zu gewinnen. Sobald die Luft rein war, lockte er die Buben in das Haus seiner verkalkten Urgroßmutter, um sie zusammen mit den Buben zum Narren zu halten.
Meist saß seine Urgroßmutter im schönsten Gewand beim Fernsehen. „Warum haben Sie sich so schön angezogen?“, fragten die Buben, worauf sie antwortete: „Die da drinnen im Fernsehen sind auch alle schön angezogen. Sie schauen auch immer auf mich, ob ich ordentlich angezogen bin.“ Oder Patriks Urgroßmutter fragte die Buben: „Ist das alles wahr, was im Fernsehen zu sehen ist?“ Ein anderes Mal fragte sie entrüstet, warum beim Fußballmatch nur ein Ball im Spielfeld wäre und alle Spieler nur dem einen Ball nachlaufen würden, sie sollten doch mehr Bälle ins Feld werfen, sodass alle lachten.
Dann erzählte Patriks Urgroßmutter, dass sie schon überall gewesen sei, in Amerika-Bergen und auch sonst überall in der Welt. Als sie dann gefragt wurde, ob sie auch schon im Esels-Berg gewesen wäre, antwortete sie: „Ja, ja, dort war ich auch schon.“
Wenn sie ihre kleine Rente vom Briefträger ausbezahlt bekam, war es immer ein lustiges Theater für die Buben. Wenn sie einen lichten Moment hatte und der Briefträger ihr die Rente auszahlte, so jammerte sie ihm vor, das könne nicht wahr sein, dass sie nicht mehr Rente bekomme, ihre Nachbarin habe auch nicht mehr gearbeitet als sie und würde mehr bekommen. Da stimme etwas nicht, er müsse sich irren. Der Briefträger erklärte geduldig, er könne nicht mehr auszahlen, als auf dem Pensionsabschnitt stehe. Sie erwiderte: „Wozu habe ich so viel gearbeitet und mich so geschunden?“ Das Leben sei ein Kampf, jetzt sei auch noch ihr lieber Mann verstorben. Und so ging es eine Weile hin und her. Bis der Briefträger, ein im Krieg verschütteter Stotterer, entrüstet stotterte: „Hast dein Oltn (Mann) schon unter die Erd’ bracht, möchst mich auch dorthin bringen?“
Patrik wurde erst nach einer Mutprobe als ihr Freund aufgenommen. Dass die Buben vorher beschlossen hatten, ihm quasi als Aufnahmsprüfung eine Mutprobe aufzuerlegen und ihn erst nach Bestehen dieser Prüfung als Freund aufnehmen würden, wusste er nicht.
Meist am Sonntagnachmittag trafen sich die älteren Frauen, welche im Dorf verächtlich die Kopftuchmafia genannt wurde, nach dem Rosenkranzbeten. Die Frauen waren mit ein paar Kitteln übereinander bekleidet. Sie trugen keine Unterhosen und saßen auf einer Bank neben der Kapelle etwas außerhalb des Dorfes.
Es hatte sich im Dorf unter den betrunkenen Männern im Gasthaus herumgesprochen, dass diese Weiber einen obszönen Diskurs führen würden, was die Buben gehört hatten. Vor der Kapelle machten die Frauen ein Knickserl und das Kreuzzeichen und sogleich fing ein paar Schritte weiter auf der Bank der Tratsch und die Verurteilung der Dorfleute, wie bei einem öffentlichen Tribunal, statt. „Die Kopftuchmafia tagt schon wieder, um andere Leute auszurichten und von der eigenen Schande abzulenken“, lachten ihre Gegner im Dorf.
Unweit dieser Bank befand sich ein Schacht, darüber ein Gitter. Das Gitter hoben die Buben vor dem Eintreffen der Frauen hoch und krochen in den Schacht, um die Weiber zu belauschen. In diesem dunklen Schacht voller Ungeziefer, Mäuse und Ratten hischalten (fröstelten) die Buben lauernd zusammengekauert, um den Tratsch und sonstige Geheimnisse zwischen Eheleuten, einer geheimen Aufklärung gleich, zu erhaschen.
Und so erzählten die Tratschweiber als enge Vertraute einander lüsterne Geheimnisse, wobei jede der Zuhörerinnen versprechen musste, kein Sterbenswörtchen zu verraten, nicht wissend, dass sie jugendliche Zuhörer im Schacht hatten. Im Normalfall hätten sie nie vor Buben und Mädchen einen solchen obszönen Diskurs geführt, sondern die Kinder immer vorher verjagt. Die eine erzählte, dass die Pfarrersköchin, im Gegenteil zu ihnen, Unterhosen trage und wahrscheinlich jeden Tag wechsle, da sie dies an der aufgehängten Wäsche abzählen könne. Die andere erzählte, dass sie befürchtete, ein Rauschkind auf die Welt zu bringen, denn wenn ihr Mann auch noch so betrunken sei und demzufolge den Kopf kaum in die Höhe brachte, aber unten immer noch tüchtig wäre.
Die andere sagte: „Gut, dass ich so einen fleißigen, braven Mann habe. Ich brauche nicht in der Hitze auf dem Feld arbeiten und kann mich daheim ausrasten.“
„Wie machst du das?“, fragte eine andere neugierig.
„Ich sage ihm, dass ich ihm eine gute Jause und einen Wein nachbringen werde und verspreche ihm, ihn abends für seinen Fleiß im Ehebett zu belohnen. Und dann arbeitet er fleißig allein auf dem Feld. Wenn er dann müde nach Hause kommt, ist er ohnehin zu erschöpft für die Liebe.“ Und alle lachten.
Der Höhepunkt für die Buben im Schacht war, und dies war der eigentliche Grund, warum sie im Schacht waren, wenn eine Frau in den Schacht urinieren ging und sie im Schacht stehend einen Blick auf deren Geschlechtsteil erhaschen konnten, während sich diese erleichterte. Dass die Frauen unter ihren vielen Kitteln keine Unterhosen trugen, wussten sie. Dann, als eine Frau urinierte, kam ihnen ein stinkendender Geruch wie bei einem toten Fisch, zusammen mit dem Urinstrahl entgegen. Sofort drückten die Buben Patrik unter den Urinstrahl, welchen er mit einem weinerlichen Gesicht und geschlossenen Augen lautlos ertrug und war fortan aufgenommen in ihren Freundeskreis.
„Das alles bleibt unter uns. Nichts für ungut“, sagten die Frauen beim Abschied, wenn sie ihren Heimweg antraten, während die stillen Mitwisser im Schacht sich versteckt ins Fäustchen lachten.
Nach dieser Mutprobe gehörte Patrik dazu und hatte durchwegs auch schöne Erlebnisse. Immer, wenn er sich in einem unbeobachteten Moment heimlich davonschlich, hatte er mit den Dorfbuben interessante Erlebnisse. Sie nahmen ihn mit, wenn sie nachts ihre Bubenstückl ausführten, um eine Hetz zu haben.
Lächelnd erinnerte sich Patrik an den Gründungstag des Verschönerungsvereines im Dorf zurück, an dem sogleich beschlossen wurde, dass die vor den Häusern stehenden alten Zwetschkenbäume entfernt werden müssten, um „neumodische“ Sträucher und Blumen zu pflanzen. Es wurde heftig dabei gestritten. Und am nächsten Tag, als alle Zwetschkenbäume von den Buben umgeschnitten waren, wurde darüber gerätselt, wer dies getan haben könnte. Versonnen erinnerte er sich, wie sie sich heimlich in die Bergkeller schlichen, mit dem Weinheber aus Kürbisgewächs Wein aus den Fässern saugten und sich mit dem Wein betranken. Das rund ums Haus aufgestellte Kukuruzstroh oder die Kukuruzbeikerl (aufgestellte Kukuruzmandl) warfen sie um, verstreuten vom Misthaufen viel Mist auf den Höfen oder versteckten Werkzeug und Holz.
Freundlich boten sich die Buben bei den Bauern an, die Milch zum Abrahmen in die Milchsammelstelle zu bringen, um den Rahm heimlich abzuschöpfen und ihn zuhause als Süßrahm zu verzehren. Aber auch, um Milch von den fremden Milchkannen in die eigene Milchkanne zu schütten. Sie kletterten mittels einer Räuberleiter oder Steigeisen auf die Bäume und nahmen die Jungen aus den Krähen- und Wachtelnestern oder richteten Krahschrecker aus Stroh vor den Stalltüren auf, sodass diese den Bauern frühmorgens im Dunkeln entgegenfielen. Oder sie warfen Strohtristen um, stahlen das Obst von den Obstbäumen