»Meine liebenswürdige Gefährtin!« unterbrach er mich mit einem diabolischen Grinsen. »Wo ist sie – meine liebenswürdige Gefährtin?«
»Mrs. Heathcliff, Ihre Gattin, meine ich.«
»So, ja – o, Sie wollen andeuten, daß ihr Geist gewissermaßen als Engel den Sturmheidhof bewacht, wenn auch ihr Leib dahingegangen ist. Habe ich Sie recht verstanden?«
Meinen Irrtum gewahrend, versuchte ich, ihn wieder gut zu machen. Ich hätte sehen können, daß ein zu großer Altersunterschied zwischen den beiden bestand, um es glaubhaft erscheinen zu lassen, daß sie Mann und Frau seien. Er war ungefähr vierzig, ein Alter, in dem der Mann sich selten der Täuschung hingibt, daß ein junges Mädchen ihn aus Liebe heirate. Der Traum ist dem Greisentum aufgespart.
Sie sah nicht älter aus als siebzehn.
Dann fiel mir blitzartig ein: der Tölpel an meiner Seite, der seinen Tee aus der Untertasse schlürft und sein Brot mit ungewaschenen Händen ißt, könnte ihr Mann sein – Heathcliff junior selbstredend. Da hat man die Folgen des Lebendigbegrabenseins. Sie hat sich an diesen Bauern weggeworfen aus purer Unkenntnis dessen, daß bessere Männer existieren! Wie schade – hoffentlich werde ich nicht die Veranlassung werden, daß sie ihre Wahl bereut. Diese letzte Betrachtung klingt vielleicht etwas dünkelhaft; sie ist es nicht. Mein Nachbar erschien mir beinahe abstoßend. Dagegen wußte ich aus Erfahrung, daß ich ziemlich anziehend war.
»Mrs. Heathcliff ist meine Schwiegertochter«, sagte Heathcliff, meine Vermutung bestätigend. Dabei warf er ihr einen sonderbaren Blick zu – einen Blick voll tiefsten Hasses; es sei denn, daß seine Augen nicht wie die Augen anderer Menschen die Sprache der Seele redeten.
»Ah gewiß, jetzt sehe ich: Sie sind der glückliche Besitzer dieser gütigen Fee«, bemerkte ich, mich meinem Nachbar zuwendend.
Der Bursche wurde blutrot und ballte die Faust. Er schien handgreiflich werden zu wollen. Doch faßte er sich schnell wieder und beruhigte den Sturm in seinem Innern durch halblaute Verwünschungen gegen mich, die ich jedoch nicht beachtete.
»Kein Glück in Ihren Mutmaßungen, Herr«, sagte mein Gastgeber; »keiner von uns hat das Vorrecht, Ihre gute Fee sein eigen zu nennen; ihr Mann ist tot. Ich sagte, sie sei meine Schwiegertochter, so muß sie also meinen Sohn geheiratet haben.«
»Und dieser junge Mann hier ist –«
»Nicht mein Sohn, sicherlich.«
Heathcliff lächelte wieder, als sei es doch ein zu kühner Scherz, ihm die Vaterschaft über diesen ungeschlachten Bären zuzumuten.
»Mein Name ist Hareton Earnshaw«, grollte der andere, »und ich möcht Ihnen raten, ihn zu achten!«
»Ich habe keine Mißachtung gezeigt«, war meine Antwort, während ich heimlich über die Würde lachte, mit der er sich vorstellte.
Er heftete den Blick auf mich, länger als mir daran lag, ihn zu erwidern, denn ich fürchtete in Versuchung zu kommen, ihm entweder ein paar herunterzuhauen oder meine Heiterkeit laut werden zu lassen. Ich begann mich in diesem liebenswürdigen Familienkreis unaussprechlich überflüssig zu fühlen.
Das körperliche Wohlbehagen, das der warme Raum bereitete, ging völlig in der unerquicklichen Stimmung unter, die diese Menschen zu verbreiten wußten. Ich beschloß, mich wohl zu hüten, ein drittes Mal dies Dach über meinem Haupte zu haben.
Als die Mahlzeit beendet war und niemand ein Wort der Unterhaltung hatte, trat ich ans Fenster, um nach dem Wetter zu sehen. Ein trauriger Anblick: schon war es schwarze Nacht da draußen, und Himmel und Hügel verschmolzen im wilden Wirbel von Wind und Schnee.
»Es scheint mir ganz unmöglich, jetzt ohne Führer heimzufinden«, konnte ich mich nicht enthalten auszurufen. »Die Wege werden schon begraben sein; und selbst wenn sie schneefrei wären, so könnte ich doch kaum einen Schritt weit sehen.«
»Hareton, treib die Schafe in den Scheunenschuppen; wenn sie über Nacht in der Hürde bleiben, werden sie einschneien«, sagte Heathcliff.
»Was soll ich tun?« fuhr ich in wachsender Besorgnis fort.
Meine Frage blieb unbeantwortet, und als ich mich umblickte, gewahrte ich nur Josef, der den Hunden den Futternapf brachte, und Mrs. Heathcliff, die sich über das Feuer beugte und sich damit unterhielt, ein Bündel Streichhölzer abzubrennen, das vom Kaminsims gefallen war, als sie die Teebüchse wieder hinaufstellte. Nachdem der erstere seine Schüssel niedergesetzt hatte, blickte er sich forschend im Zimmer um und krächzte dann mit heiserer Stimme:
»Wie kennt 'r doch nur so faul da 'rumstehn, wo die annem all furt sin! Aber 'n Tunichgut seid 'r – un rede nutzt nit, bessern tut 'r Eich nit, aber zum Satan geht 'r, grad wie Eire Mutter z'vor.«
Im ersten Moment glaubte ich, daß diese Beredsamkeit mir gelte, und da ich ohnedies wütend war, ging ich auf den alten Schurken los, um ihn hinauszuwerfen. Mrs. Heathcliff jedoch verblüffte mich durch die Worte, die sie dem Mann erwiderte.
»Du elender alter Heuchler!« entgegnete sie. »Fürchtest du nicht, bei lebendigem Leibe vom Teufel geholt zu werden, wenn du so leichtsinnig seinen Namen anrufst? Ich warne dich davor, mich nochmals zu reizen, sonst werde ich ihn um die Gunst ersuchen, dich schleunigst abzuführen. Da, schau nur her«, fuhr sie fort, ein großes dunkles Buch vom Wandbrett nehmend; »ich will dir zeigen, wie weit ich in der schwarzen Kunst fortgeschritten bin. Bald werde ich's euch gründlich zu kosten geben! Es war nicht Zufall, daß neulich die rote Kuh verreckte, und auch dein Rheumatismus ist schwerlich als göttliche Heimsuchung zu betrachten.«
»O Gottlosigkeit!« stöhnte der Alte. »Herr, erlöse uns vom Übel!«
»Er wird dich nicht erlösen, Josef. Du bist längst ein Verworfener. Pack dich jetzt, oder ich werde dir Schlimmes antun. Ich werde euch alle in Wachs und Ton verwandeln, und der erste, der den Kreis, den ich um mich ziehen werde, überschreitet, wird – ich sage nicht, was mit ihm geschehen wird, aber du wirst ja sehen. Geh! Mein Auge ruht auf dir!«
Die kleine Hexe gab bei diesen Worten ihren schönen Augen einen möglichst boshaften Ausdruck, und zitternd vor Entsetzen und angstvoll betend eilte Josef hinaus. Ich vermutete, sie habe sich aus Langeweile einen Scherz mit ihm gemacht; nun wir allein waren, bestrebte ich mich, sie für meine Lage zu interessieren.
»Mrs. Heathcliff, sagte ich ernst, »Sie werden entschuldigen, daß ich Sie störe. Ich wage es, weil jemand, der so schön ist wie Sie, unzweifelhaft auch ein gutes Herz hat. Also bitte, geben Sie mir einige Anhaltspunkte, mit deren Hilfe ich den Heimweg finden kann. Ich weiß ebensowenig, wie ich nach Hause finden soll, als Sie wissen würden, nach London zu gelangen.«
»Nehmen Sie den Weg, den Sie gekommen sind«, antwortete sie, während sie es sich in einem Lehnstuhl bequem machte, eine Kerze anzündete und das große Buch aufschlug. »Der Rat ist kurz, aber so gut, als ich ihn geben kann.«
»Wenn Sie nun aber erfahren würden, man habe mich tot in einem Sumpf oder in einer Schneewehe gefunden, würde Ihr Gewissen Ihnen da nicht zuflüstern, daß das zum Teil Ihr Verschulden sei?«
»Wieso? Ich kann Sie ja nicht begleiten. Die würden mich nicht bis zur Gartenmauer gehn lassen.«
»Sie? Es täte mir leid, wenn Sie in solcher Nacht um meinetwillen auch nur die Schwelle überschreiten müßten!« rief ich. »Ich möchte, daß Sie mir den Weg sagen, nicht, daß Sie ihn zeigen; oder daß Sie Mr. Heathcliff veranlassen, mir einen Führer mitzugeben.«
»Wen? Da ist er, Earnshaw, Zillah, Josef und ich. Wen möchten Sie haben?«
»Gibt es denn keine Knechte hier?«
»Nein; es gibt weiter niemand.«
»So bin ich gezwungen, zu bleiben.«
»Das mögen Sie mit Ihrem Gastgeber abmachen. Mich geht das nichts an.«
»Und