Es geschah in jener Nacht. Walter Brendel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Walter Brendel
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754168868
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und wird auch fast immer gebilligt, aber in einem Fall wird es zum tragischen Verhängnis.

      Und das ist der Tag, an dem sie den Pferdewirt und Springreiter Robin H. der Familie als ihren Freund vorstellt.

      Der eher farblos wirkende Robin H. hat eine ganz besondere Wirkung auf Frauen. Christin R. soll hoff-nungslos in ihn verliebt gewesen sein. Er ist Springreiter – und der Schwarm vieler junger, blonder Mädchen. Er kann sogar schon erste Erfolge auf dem Parcours vorweisen. Keine großen, aber immerhin.

      Christin mag den 23-Jährigen, der sich gewandt ausdrücken kann, viel über Pferde weiß und durchaus charmant auftritt. Er macht der hübschen Berlinerin Avancen. Wenig später sind sie ein Paar. Christins Eltern und die beiden älteren Brüder sehen der romantischen Schwärmerei etwas verwundert zu. Aber die Tochter beziehungsweise kleine Schwester ist derart verliebt und glücklich, dass Robin schnell bei ihnen ein und aus geht.

      „Unser Kind strahlte einfach, wenn es mit ihm zusammen war und Pläne schmiedete“, erinnern sich die Eltern.

      Der Mörder und das Opfer. Bild von 2011

      In der Manier eines Hochstaplers hat sich Robin gern und regelmäßig als wohlhabend und erfolgreich beschrieben – eine einzige Lügengeschichte. In seiner Ausbildung kommt er ständig mit Menschen zusammen, die über die finanziellen Mittel verfügen, die für einen erfolgreichen Pferdezüchter und Turnierreiter unerlässlich sind. Der Wunsch nach Reichtum und Erfolg wird zur Besessenheit.

      Um den Reiterhof von Robin R. westlich von Berlin vor der Pleite zu retten, beschließen Mutter und Sohn im Frühjahr 2012, Christin R. zu töten. So wollen sie an das Geld aus acht Lebensversicherungen im Wert von 2,4 Millionen Euro gelangen, die auf Christins Namen abgeschlossen sind.

      Bei der Fleischfachverkäuferin Tanja L., der späteren Mittäterin, ist es die gleiche Masche, die Robin anwendete. Sie hat Robin während eines Reitturniers kennengelernt. Wenige Tage später habe er ihr „per SMS seine Liebe gestanden“.

      Richtig ist jedoch, dass Robin H. bereits zu diesem Zeitpunkt in Tanja L. ein willfähriges Werkzeug sieht. Hat er ihr doch sehr schnell auch erzählt, dass er ein Auftragskiller sei.

      Auf die Frage, warum sie nicht sofort Abstand gesucht habe, sagt Tanja L.: „Er war mein Traummann.“ Aber sie sei auch schockiert gewesen, habe es nicht glauben können und einfach verdrängt.

      Später, als schon von der Ermordung Christin R.’s die Rede gewesen sei, habe sich das Verhältnis gewandelt. „Ich hatte große Angst vor ihm“, so Tanja L. „Er hat gedroht, auch mich zu töten. Das würde ihm nichts ausmachen.“

      „Es ist erschreckend, welche Kaltblütigkeit der Freund mit seinen dreiundzwanzig Jahren an den Tag gelegt hat“, sagt die Leiterin der Mordkommission, Jutta Porzucek. „Selbst erfahrene Ermittler seien von der grausamen Tat geschockt gewesen.“

      Robin H. kann offenbar sein Umfeld immer wieder nach seinen Vorstellungen beeinflussen. Auch im Prozess wird das durch zahlreiche Zeugenaussagen deutlich.

      „Ein lieber, netter Kerl“, sagen selbst Christins Eltern. Auch Bekannte aus der Reitsportszene bestätigen das. Selbst eine Ex-Freundin und deren Eltern unterstützen ihn noch großzügig und verlieren kein schlechtes Wort über ihn.

      Eine Bankangestellte: „Das war wie im Film. So stellt man sich einen Pferdewirt vor.“

      Die Polizei: „Er war so höflich, das Verhör lief in einer angenehmen Atmosphäre ab.“

      Gut zwei Jahre lang sind Christin und Robin, beide Pferdewirte, ein Paar. Sie lebt und arbeitet zeitweise bei ihm.

      Wir werden uns später mit diesem Mörder beschäftigen.

      Eine Abfolge an Taten, die zeigt, wie tief die Habgier bei dem Ex-Freund und seiner Mutter sitzt – und wie rasch sie sich auf andere Menschen überträgt. Wie ist so etwas möglich?

      „Bei Menschen, die Derartiges vorhaben, gibt es kaum ein Unrechtsbewusstsein“, erklärte die Psychiaterin Dr. Sigrun Roßmanith bei Maischberger. „Die Täter schalten ihre moralische Instanz aus. Das Destruktive kann die Kehrseite der Kreativität sein.“

      Der italienische Professor Cesare Lombroso entwi-ckelte mit seinem 1876 erstmals veröffentlichten Werk „Der Verbrecher in anthropologischer, ärztlicher und juristischer Beziehung“ eine neue Theorie in der Kriminologie, den Übergang vom Tat- zum Täterstrafrecht. Dabei stellte er fest, dass es den geborenen Verbrecher gibt. Der Kriminelle wird hier als besonderer Typus der Menschheit beschrieben, der zwischen dem Geisteskranken und des Primitiven in der Mitte steht. Die direkte Verwandtschaft zu den aggressiveren, nicht kulturell domestizierten Vorfahren des heutigen Menschen trete bei manchen Personen in ihren körperlichen Merkmalen offen zutage, so Lombrosos These. Eine bestimmte Schädelform oder zusammengewachsene Augenbrauen sind damit der Verweis auf eine atavistische – damit niedrigere und gewalttätigere – Entwicklungsstufe. Diese Personen unterschieden sich durch körperliche und psychische Merkmale wie zum Beispiel Henkelohren, blasse Haut, Tätowierungen oder Arbeitsscheu von ihren gesetzestreuen Zeitgenossen und seien somit als Übeltäter identifizierbar, noch bevor sie gegen ein Gesetz verstoßen hätten.

      Lombroso

      Damit deuten äußere Merkmale auf die tief verwurzelten Anlagen zum Verbrecher hin, die auch durch die Aneignung sozialer Verhaltensweisen nicht überdeckt werden können.

      Wenn diese These so einfach wäre, wäre keiner der Mörderbande jemals in den Verdacht gekommen, Christin getötet zu haben.

      Mutter und Sohn H. stammen aus Schleswig-Holstein. Wie es so schön heißt, aus geordneten Verhältnissen. Eine normale Familie im bürgerlichen Milieu. Ohne Geldnot. Die Mutter ist Anlageberaterin, der Sohn gelernter Pferdewirt. Der Vater, ein Berufssoldat, stirbt 2005 beim Joggen an einem Herzinfarkt. Auch Robin will Berufssoldat werden. Er verpflichtet sich für zwölf Jahre bei einer Spezialeinheit. Ein vermeintlich schwerer Autounfall kommt dazwischen.

      Bereits als Jugendlicher hat Robin die Heimat in Schleswig-Holstein verlassen. Er will eine große Karriere als Turnierreiter beginnen und zieht nach Westfalen. Robin erreicht einige kleinere Erfolge, der große Wurf jedoch bleibt ihm versagt. Sein unbedingtes Ziel ist aber, die höchsten Stufen zu erklimmen.

      Und Robin selbst gibt sich zielstrebig und verlässlich. Seine Ideen, einen Pferdehof aufzubauen, zu züchten, Turniere zu reiten und die besten Tiere seines Hofes später gewinnbringend zu verkaufen, klingen zwar ein wenig großspurig, aber die Voraussetzungen scheinen zu stimmen. Das gutbürgerliche Milieu der Pferdeliebhaber verfügt über Geld, viel Geld. Nach vorsichtigen Schätzungen werden in der Branche jedes Jahr weit mehr als fünf Milliarden Euro umgesetzt, allein in Deutschland, und der Markt gilt noch lange nicht als ausgeschöpft.

      Ein eigenes Gestüt, das wäre es!, schwärmt Robin. Und seine Mutter, Cornelia H., will den Traum des Sohnes großzügig unterstützen. Das hat sie versprochen.

      Zusammen mit seiner Mutter, Cornelia Bettina Susann H. erfüllt er sich den Traum vom eigenen Pferdehof. Während Robin die Arbeitsabläufe leiten will, soll seine Mutter die kaufmännischen Belange erledigen. Beide sehen sich nach geeigneten Objekten um. Obwohl die Finanzierung eines solchen Kaufes nicht gesichert und aus eigenen Mitteln keinesfalls möglich ist, lässt sich Robin verschiedene Angebote in Nordrhein-Westfalen unterbreiten und gibt auch mindestens eine Kaufzusage ab. Später suchen beide in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg nach günstigeren Angeboten.

      Der Ostersamstag 2011: Robin und Cornelia H. kommen zum Osterfeuer in Christins Elternhaus und haben sich als möglicher neuer Chef und neue Chefin vorgestellt.

      Am 17. Juni 2011 schließen Cornelia und Robin H. ohne Finanzierungszusage einer Bank oder ausrei-chende eigene Mittel einen notariellen Kaufvertrag über den „Goldnebelhof“ in Oranienburg zu einem Kaufpreis von sechshunderttausend Euro ab. Robin beginnt den Betrieb wie ein Eigentümer zu führen, stellt Pferde auf dem Hof ein und nimmt, ohne die Alt- und Noch-Eigentümer, Jäkel und Schannowske, nach deren Einverständnis