Mit Urlaubssouvenir nach Walding. Karen Sommer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karen Sommer
Издательство: Bookwire
Серия: Liebesglück in Walding
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754173282
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ihr Büro und schaute sich mal um. Sie startete den Computer, aber scheinbar gab es heute einen Defekt im internen Netzwerk, da ihre Zugangsdaten nicht funktionierten.

      Sie ging retour auf den Flur und rief nach Kathrin.

      „Tina? Tina, du bist schon da! Hast du es schon gehört?“

      „Was gehört?“

      „Der Neumüller hat die Konten leergeräumt und ist abgehauen. Und nun ist die Finanzpolizei im Haus.“

      Neumüller Erwin. Der Prokurist. Ihr direkter Vorgesetzter. Leiter der Buchhaltung. Konten leergeräumt?

      „Was? Erzähl es noch mal langsamer!“

      „Irgendwann in den letzten Monaten hat Neumüller alles Geld der Firma auf ein Konto auf den Cayman Inseln verlagert, ist davongeflogen und niemand weiß, wo er ist. Und gestern kam dann die Finanzpolizei und erklärte uns, dass Neumüller in den letzten Jahren einige krumme Dinge gedreht hat, Geld unterschlagen hat und nun abgehauen ist. Unsere Geschäfte werden nun alle untersucht. Der Chef wartet bereits auf dich. Er will dich auch befragen.“

      „Mich?“ Warum wollte er sie befragen? Sie konnte das alles nicht begreifen. Tina ging die wenigen Schritte zum Büro von Dr. Johann Hagebauer, dem Chef und Namensgeber der Werbeagentur Hagis.

      „Frau Schubert, schön, dass Sie wieder hier sind. Das ist Kriminalinspektor Eigner. Er ermittelt in unserem Fall.“ Ein älterer Herr nickte mit strengem Blick kurz in ihre Richtung. „Sie haben sicher bereits gehört, was sich in unserer Firma in Ihrer Abwesenheit ereignet hat. Es ehrt Sie, dass Sie wieder zurückgekommen sind.“ Was sollte das? Warum sollte sie nicht in die Firma kommen? „Als stellvertretende Leiterin der Buchhaltung muss ich Sie nun befragen, ob Sie von den Unregelmäßigkeiten etwas bemerkt haben?“

      „Herr Hagebauer, ich kann mir das alles nicht erklären. Ich … ich kann gar nicht sagen, wie das passieren konnte. Mir ist nie irgendeine Unstimmigkeit aufgefallen.“

      „Hat Herr Neumüller Überweisungen außerhalb Ihres Einflusses getätigt?“

      „Ich weiß es nicht. Kann sein. Er hatte umfangreiche Befugnisse. Herr Neumüller hat mich nicht in alle seine Tätigkeiten eingeweiht.“ Verwirrt, blass und eingeschüchtert stand Tina mitten im Raum und versuchte die Informationen zu verarbeiten und zu sortieren.

      Der Inspektor meldete sich zu Wort. Erst jetzt betrachtete Tina den schmächtigen Mann mit der braunen Stoffhose und dem leicht zerknitterten Hemd. Sein Blick traf sie eiskalt und musterte jede ihrer Bewegungen. „Frau Schubert, ich möchte nicht um den heißen Brei herumreden. Auf einigen dieser dubiosen Überweisungen befindet sich auch Ihre Unterschrift und wir müssen nun klären, inwieweit Sie in diese Machenschaften verstrickt sind.“

      „Welche Machenschaften? Welche Unterschriften? Ich schwöre, dass ich nichts damit zu tun habe!“ Tina schrie fast verzweifelt. Was wollte man ihr da unterstellen? „Ich höre heute das erste Mal von derartigen Überweisungen. Darf ich sie bitte sehen? Vielleicht klärt sich ja doch noch einiges auf.“

      „Diese Überweisungen sind bereits bei unseren Spezialisten in der Informatikabteilung. Sie müssen verstehen, dass es sich dabei um Beweise handelt, die wir Ihnen nicht so einfach aushändigen können. Unsere Untersuchungen stehen noch am Beginn. Bitte halten Sie sich für weitere Befragungen bereit und verlassen Sie München derzeit nicht.“

      Derartige Szenen kannte Tina nur aus Filmen. Und sie hätte niemals gedacht, dass sie der Hauptdarsteller werden würde. Inspektor Eigner hatte das Büro verlassen. Völlig geschockt gaben unter Tina die Knie nach und sie ließ sich auf einen Sessel sinken.

      Ihr Chef nahm hinter dem Schreibtisch Platz. „Frau Schubert, versuchen Sie noch einmal nachzudenken, ob Herr Neumüller Ihnen irgendwelche Informationen über seine illegalen Tätigkeiten gegeben hat.“

      Tina schüttelte ruckartig den Kopf.

      „Da es derzeit noch ganz viele offene Fragen gibt und ich nicht ganz abschätzen kann, welche Position Sie hier einnehmen, müssen Sie verstehen, dass ich Sie bitten muss, bis auf weiteres nicht mehr ins Büro zu kommen.“

      „Sie kündigen mich? Jetzt? Ich habe nichts getan!“

      „Kündigen. Das ist ein hartes Wort. Würde ich nicht gerade sagen. Nennen wir es einfach: unbezahlten Urlaub nehmen. Bis auf weiteres.“

      „Wie lange?“

      „Das lässt sich noch nicht sagen. Unsere Buchhaltung übergeben wir bis auf weiteres nun einem externen Unternehmen. Und in einigen Wochen, Monaten sehen wir weiter.“

      „Ich kann doch nicht Monate im Ungewissen bleiben, was mit mir ist?“

      „Es steht Ihnen frei, jederzeit zu kündigen. Wir werden Ihnen selbstverständlich ein Zeugnis ausstellen.“

      „Sie versuchen also, mich zu einer Kündigung zu drängen?“ Fassungslos betrachtete Tina ihr Gegenüber. „Ich werde es mir überlegen.“

      Tina stand auf wackeligen Knien und verließ hoch erhobenen Hauptes das Büro. Sie hoffte zumindest, dass sie diesen Eindruck erweckte. In ihrem Inneren sah es jedoch anders aus. Sie schloss ihre Bürotür und versuchte sich über das Gehörte im Klaren zu werden.

      Ihr direkter Vorgesetzter hatte Geld unterschlagen und war verschwunden. Es gab angeblich Beweise, die eine Mittäterschaft ihrerseits nicht ausschloss. Ihr oberster Chef wollte sie loswerden.

      Gedankenverloren starrte Christina an die gegenüberliegende Wand. Konnte sie irgendetwas klären oder retten? Sie hatte in den letzten Jahren so hart für die Stellung in der Firma gekämpft. Das Studium mithilfe zweier Nebenjobs bewältigt. Unzählige unbezahlte Überstunden in Kauf genommen. Die schmierigen Annäherungsversuche von Neumüller immer höflich aber bestimmt abgewendet. Und nun wurde sie in die gleiche Schublade wie er geschoben.

      „Kathrin!“ Vielleicht konnte ihre Assistentin ihr helfen.

      Kathrin öffnete verlegen die Tür.

      „Kathrin, kannst du irgendwie ausfindig machen, von welchen Beweisen der Kriminalkommissar gesprochen hat? Vielleicht haben wir noch irgendwo Kopien davon.“

      Kathrin schüttelte traurig den Kopf. „Die Polizei hat fast alle Unterlagen aus der Buchhaltung beschlagnahmt und mitgenommen.“

      „Vielleicht gibt es im Computer noch irgendwo Hinweise.“

      Unsicher blickte Kathrin immer wieder am Gang nach links und rechts. „Tina, ich mag dich wirklich gerne. Aber …“

      „Aber?“

      „Dr. Hagebauer hat mich heute Morgen jemand anderem als Assistentin zugeteilt und mir ausdrücklich aufgetragen, dass ich dir keine weiteren Firmeninterna weitererzählen darf.“

      „Waaas?“ Das ging entschieden zu weit! „Ich habe meine gesamte Freizeit, ach was, mein ganzes Leben dieser Firma geopfert und jetzt werde ich einfach mir nichts dir nichts aufs Abstellgleis geschoben!“ Erbost stand Tina auf und tigerte nun zwischen Fenster und Tür ihres Büros hin und her. „Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ich mit diesem Betrug etwas zu tun habe?“

      Kathrin schrumpfte merklich unter der Anklage. Ihre Wangen färbten sich verräterisch rot.

      „Du bist meine Freundin! Ich habe dich immer gedeckt und deine Arbeiten übernommen, wenn du nach einem durchzechten Wochenende nicht ganz fit warst!“

      „Tina, dafür bin ich dir immer dankbar. Aber du musst meine Position verstehen. Ich muss die Miete weiter bezahlen und habe bereits eine Anzahlung auf ein Auto geleistet. Ich darf meine Stelle nicht verlieren.“

      Entgeistert nahm Tina auf dem Sofa neben dem Fenster Platz. Keine Arbeit bedeutete auch kein Geld. Mit einem Schlag kam ihr diese Erkenntnis. Kathrin verließ leise das Büro. Was sollte Tina nun tun? Auch sie war auf den monatlichen Gehaltsscheck angewiesen. Das Leben in München war nicht gerade billig. Ihre Wohnung konnte sie sich gerade so leisten. Sie konnte auf keinen Fall mehrere Monate auf ihr Gehalt verzichten. Eine neue Arbeitsstelle