Dombey und Sohn. Charles Dickens. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Charles Dickens
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754173183
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hohe Bedeutung, als das Bewußtsein, daß sie ihn kannten und sich tief vor ihm verbeugten.

      »Mein lieber Paul«, erwiderte seine Schwester, »du läßt Miß Tox nur Gerechtigkeit widerfahren, wie das von einem Manne mit deinem Scharfblick zu erwarten ist. Ich glaube, wenn es drei Worte in der englischen Sprache gibt, vor denen sie eine Achtung hat, die sich fast zur Verehrung steigert, so sind diese Worte Dombey und Sohn.«

      »Nun, ich glaube es«, versetzte Mr. Dombey. »Es macht Miß Tox Ehre.«

      »Und was das Andenken betrifft, von dem du gesprochen hast, mein lieber Paul«, fuhr seine Schwester fort, »so kann ich mit voller Überzeugung behaupten, daß alles, mit dem du Miß Tox zu bedenken beabsichtigst, wie eine Reliquie aufbewahrt und geschätzt werden wird. Es gibt übrigens eine Art, mein lieber Paul, ihr deine Anerkennung für ihre Freundlichkeit in noch schmeichelhafterer Weise zu bekunden, falls du dazu geneigt sein solltest.«

      »Und das wäre?« fragte Mr. Dombey.

      »Paten sind natürlich im Punkte der Bekanntschaft und des Einflusses von großer Wichtigkeit«, fuhr Mrs. Chick fort.

      »Ich sehe nicht ein, welchen Wert sie für meinen Sohn haben könnten«, versetzte Mr. Dombey kalt.

      »Ganz richtig, mein lieber Paul«, entgegnete Mrs. Chick mit außerordentlicher Lebhaftigkeit, um das Plötzliche ihrer Bekehrung zu bemänteln, »und sehr würdig gesprochen. Ich hätte nichts anderes von dir erwarten sollen und zuvor schon wissen können, daß das deine Ansicht ist. Aber vielleicht ist gerade das«, fügte Mrs. Chick etwas zögernd hinzu, als ob sie sich bei der Sache nicht ganz behaglich fühle – »vielleicht ist das eben ein Grund, warum du weniger dagegen einzuwenden haben dürftest, wenn Miß Tox bei dem lieben Ding zu Gevatter steht, wäre es auch nur als Stellvertreterin für jemand anders. Ich brauche nicht zu sagen, mein lieber Paul, daß eine solche Erlaubnis als eine große Ehre und Auszeichnung aufgenommen werden würde.«

      »Louisa«, sagte Mr. Dombey nach einer kurzen Pause, »man glaubt doch nicht –«

      »Gewiß nicht«, rief Mrs. Chick, welche sich beeilte, der Abweisung zuvorzukommen; »ich habe in meinem Leben nie daran gedacht.«

      Mr. Dombey sah sie ungeduldig an.

      »Bringe mich nicht in Verwirrung, mein lieber Paul«, sagte seine Schwester, »denn das richtet mich zugrunde. Ich fühle mich überhaupt sehr angegriffen und bin nicht mehr ich selbst gewesen, seit die arme liebe Fanny heimgegangen ist.«

      Mr. Dombey schaute nach dem Taschentuch, das seine Schwester nach ihren Augen führte, und sprach weiter:

      »Ich sage, man werde doch nicht glauben –«

      »Und ich sage«, murmelte Mrs. Chick, »daß ich in meinem Leben nie daran gedacht habe.«

      »Gütiger Gott, Louisa!« sagte Mr. Dombey.

      »Nein, mein lieber Paul«, erwiderte sie mit tränenvoller Würde, »du mußt mir schon erlauben zu sprechen. Ich bin nicht so gewandt, so raisonierend, so beredt oder überhaupt etwas der Art, wie du. Ich weiß das recht wohl. Um so schlimmer für mich. Aber wenn es die letzten Worte wären, die von meinen Lippen kämen – und nach dem Heimgang der armen teuren Fanny sollten letzte Worte für dich und mich sehr feierlich sein, mein lieber Paul – so würde ich doch noch immer sagen, daß ich nie daran dachte. Und was noch mehr ist«, fügte Mrs. Chick mit zunehmender Würde hinzu, als ob sie das gewichtigste Argument bis zuletzt aufgespart hätte, »ich habe nie daran gedacht.«

      Mr. Dombey ging nach dem Fenster und wieder zurück.

      »Man darf nicht glauben, Louisa«, sagte er (Mrs. Chick hatte ihre Flagge an den Mast genagelt und wiederholte: Ich weiß es wohl! aber er nahm keine Notiz davon, sondern fuhr fort), »daß es nicht viele Personen gebe, die, angenommen, daß ich in irgendeinem solchen Fall überhaupt Ansprüche anerkenne, weit höhere Berechtigung an mich haben, als Miß Tox. Aber wie gesagt, ich erkenne nichts dergleichen an. Wenn einmal die Zeit kommt, so werden Paul und ich imstande sein, unser Eigentum zusammenzuhalten – oder mit andern Worten, das Haus wird für sich selbst und ohne dergleichen gemeine Beihilfen sich und sein Eigentum erhalten können. Die Art fremder Hilfe, welche man gewöhnlich für Kinder sucht, kann ich wohl entbehren, da ich hoffentlich darüber weg bin. Sofern Pauls Kindheit und Jugend nur gut verläuft – und er sich ohne Zeitverlust für die Laufbahn, für die ich ihn bestimmt habe, qualifiziert, so bin ich zufrieden. Im spätern Leben kann er sich nach Belieben mächtige Freunde suchen, wenn er nach Kräften die Würde und den Kredit der Firma aufrecht erhält, ja, wenn möglich, sie sogar noch ausdehnt. Bis dahin bin ich vielleicht genug für ihn und alles in allem. Ich wünsche nicht, daß jemand zwischen uns trete. Viel lieber möchte ich deshalb einer so verdienstvollen Person, wie deine Freundin ist, meine Anerkennung für ihr verbindliches Benehmen zeigen. Sei es darum, wie du gesagt hast. Dein Gatte und ich, wir beide werden dann wohl als übrige Paten ausreichen.«

      Im Verlauf dieser Bemerkungen, die mit viel Majestät und Großartigkeit vorgetragen wurden, hatte Mr. Dombey die geheimen Gefühle seines Innern enthüllt. Ein unbeschreibliches Mißtrauen vor jedermann, der sich zwischen ihn und seinen Sohn stellen könnte, eine hochmütige Furcht, in der Achtung und in dem Gehorsam des Knaben einen Nebenbuhler oder Teilnehmer zu haben, eine peinigende Ahnung, welche erst kürzlich in ihm aufgestiegen war, daß seine Macht, den menschlichen Willen zu binden und zu beugen, zweifelhaft sei, und eine nicht minder quälende Besorgnis über irgendeinen zweiten Hemmstein oder Querstrich – waren damals die Haupttasten seiner Seele. In seinem ganzen Leben hatte er sich nie einen Freund erworben, da sein kaltes abgemessenes Wesen weder Freunde suchte, noch gewinnen konnte. Und nun, während diese Natur ihre ganze Gewalt so kräftig auf einen Lieblingsplan der väterlichen Teilnahme und des Ehrgeizes konzentrierte, schien es, als ob ihr eisiger Strom, statt durch solchen Einfluß frei zu werden und klar zu laufen, nur für einen Augenblick aufgetaut sei, um die Last aufzunehmen und dann wieder zu einer einzigen, unnachgiebigen Masse zu gefrieren.

      Kraft ihrer Unbedeutsamkeit war Miß Tox von Stund' an zur Patin des kleinen Paul erkoren, und Mr. Dombey deutete noch an, es sei ihm lieb, wenn die bereits schon so lang verschobene Zeremonie ohne weitere Verzögerung stattfinde. Seine Schwester, die einen so ausgezeichneten Erfolg nicht entfernt geahnt hatte, entfernte sich in möglichster Eile, um das erzielte Resultat der besten ihrer Freundinnen mitzuteilen, und Mr. Dombey blieb in seinem Bibliothekzimmer allein.

      In dem Kinderzimmer sah es nichts weniger als einsam aus, denn Mrs. Chick und Miß Tox erfreuten sich daselbst eines geselligen Abends – sehr zum Verdruß der Miß Susanna Nipper, die jede Gelegenheit ergriff, um hinter der Tür schiefe Gesichter zu machen. Die Gefühle dieser jungen Dame waren so aufgeregt, daß sie es für unerläßlich fand, ihnen diese Erleichterung zu verschaffen, selbst ohne daß sie dabei den Trost irgendeines Auditoriums oder irgendeiner Sympathie hatte. Wie vor alters die fahrenden Ritter ihr Gemüt dadurch erleichterten, daß sie in Wildnissen, Wüsten und andern verlassenen Plätzen, wohin aller Wahrscheinlichkeit nach gewiß nie jemand zum Lesen kam, die Namen ihrer Gebieterinnen dem Gestein oder den Baumrinden anvertrauten, so rümpfte Miß Susanne Nipper ihre Mopsnase in Schubladen oder Kleiderkästen, warf verächtliche Schielblicke in Wandkästen, sandte ihr spottendes Blinzeln in steinerne Krüge und schimpfte aus Leibeskräften draußen auf dem Flurplatz.

      Die beiden anstößigen Personen aber, die sich hinsichtlich der Gefühle der jungen Dame in glücklicher Unwissenheit befanden, sahen zu, wie der kleine Paul wohlbehalten alle Stadien des Entkleidens, Entlüftens, des Nachtessens und des Zubettgebrachtwerdens durchmachte; worauf sie sich vor dem Feuer zum Tee niedersetzten. Infolge der guten Dienste, die Polly geleistet hatte, schliefen jetzt die beiden Kinder in einem Zimmer, und erst als die Damen an ihrem Teetisch beisammensaßen, fügte es sich, als sie zufällig nach den kleinen Betten hinübersahen, daß sie an Florence dachten.

      »Wie gesund sie schläft!« sagte Miß Tox.

      »Na, Ihr wißt ja, meine Liebe«, entgegnete Mrs. Chick, »daß sie sich den ganzen Tag über viel Bewegung macht und um den kleinen Paul herumspielt.«

      »Sie ist ein artiges Kind«, sagte Miß Tox.

      »Meine Liebe«, erwiderte