Dombey und Sohn. Charles Dickens. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Charles Dickens
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754173183
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Wir müssen von heute an aus Gläsern trinken, Walter. Wir sind Geschäftsleute. Wir gehören zu der City. Wir sind heute morgen ins Leben eingetreten.«

      »Nun, Onkel«, entgegnete der Knabe, »ich will aus allem trinken, was Ihr haben wollt, solange ich Euch zutrinken kann. Eure Gesundheit, Onkel Sol, und ein Hurra für den –«

      »Lord-Mayor«, unterbrach ihn der alte Mann.

      »Für den Lord-Mayor, die Sheriffs, den Gemeinderat und seinen ganzen Anhang«, sagte der Knabe. »Mögen sie sich eines langen Lebens erfreuen.«

      Der Onkel nickte sehr zufrieden mit dem Kopf.

      »Und nun«, sagte er, »laß mich etwas von der Firma hören.«

      »O, über die Firma ist nicht viel zu sagen, Onkel«, versetzte der Knabe mit Messer und Gabel spielend. »Es ist eine köstliche Reihe finsterer Geschäftsräume, und in dem Zimmer, in dem ich sitze, befindet sich ein hohes Gitter, eine eiserne Kiste, einige Karten über Schiffe, die aussegeln sollen, ein Kalender, einige Schreibpulte nebst Schemeln, eine Tintenflasche, ein paar Bücher und etliche Schubladen, von denen eine just über meinem Kopf mit Spinnweben angefüllt ist; da steckt denn eine eingeschrumpfte blaue Fliege darin, welche aussieht, als ob sie schon eine Ewigkeit da so hinge.«

      »Sonst nichts?« fragte der Onkel.

      »Nein, sonst nichts, als ein alter Vogelkäfig – ich möchte nur wissen, wie das dahin gekommen ist – und ein Kohlenkorb.«

      »Keine Bankbücher, Wechselbücher, Kassenanweisungen oder sonstige Zeichen von Reichtümern, die Tag für Tag einlaufen?« fragte der alte Sol, aus dem Nebel, der ihn stets zu umschweben schien, bedächtig seinen Neffen anschauend und auf jedes seiner Worte einen salbungsvollen Nachdruck legend.

      »O ja, davon gibt es, glaube ich, genug«, entgegnete der Neffe gleichgültig; »aber dergleichen Dinge sind in dem Zimmer des Mr. Carker, des Mr. Morfin oder des Mr. Dombey.«

      »Ist Mr. Dombey heute da gewesen?« fragte der Onkel.

      »O ja, er lief den ganzen Tag ein und aus.«

      »Vermutlich hat er auf dich nicht geachtet?«

      »O freilich. Er kam zu meinem Sitze her – wenn er nur nicht so steif und feierlich wäre, Onkel – und sagte: ›Ah, Ihr seid der Sohn von Mr. Gills, dem Schiffsinstrumentenmacher?‹ ›Neffe, Sir‹, versetzte ich. ›Ich sagte Neffe, junger Mensch‹, entgegnete er. Aber ich könnte einen Eid darauf ablegen, Onkel, daß er Sohn sagte.«

      »Du hast ihn vermutlich nicht recht verstanden. Das macht aber nichts.«

      »Nein, es macht wohl nichts, aber er hätte, sollte ich meinen, nicht nötig gehabt, so scharf zu sein. Etwas Unrechtes war es ja nicht, wenn er den Ausdruck Sohn brauchte. Dann sagte er mir, Ihr hättet wegen meiner mit ihm gesprochen, und er habe mir deshalb Beschäftigung im Hause gegeben; dagegen erwarte er aber auch, daß ich aufmerksam und pünktlich sei. Dann ging er weg. Es kam mir vor, als ob er keinen besonderen Gefallen an mir fand.«

      »Du willst vermutlich sagen«, bemerkte der Instrumentenmacher, »daß du keinen besonderen Gefallen an ihm hast.«

      »Ei, Onkel«, erwiderte der Knabe lachend, »vielleicht ist es so. Daran habe ich noch gar nicht gedacht.«

      Nachdem die Mahlzeit beendigt war, nahm Solomon eine etwas ernstere Miene an und blickte von Zeit zu Zeit nach dem heiteren Gesicht des Knaben hin. Das Mahl war aus einem benachbarten Speisehaus herbeigeschafft worden; er räumte das Tischtuch beiseite, zündete eine Kerze an, und stieg in einen kleinen Keller hinunter, während sein Neffe pflichtschuldigst auf der moderigen Treppe stehen blieb und leuchtete. Nachdem der alte Gentleman eine kleine Weile hin und her getastet hatte, kehrte er mit einer sehr altertümlichen von Sand und Staub bedeckten Flasche zurück.

      »Ei, Onkel Sol«, sagte der Knabe, »was wollt Ihr? Das ist ja der herrliche Madeira. Wir haben außer dieser hier doch nur noch eine einzige Flasche.«

      Onkel Sol nickte mit dem Kopf, um dadurch anzudeuten, daß er wohl wisse, woran er sei. Er zog den Kork unter feierlichem Schweigen, füllte die beiden Gläser und setzte die Flasche nebst einem dritten leeren Glas auf den Tisch.

      »Du sollst die andere Flasche trinken, Wally«, sagte er, »wenn du einmal dein Glück gemacht hast – wenn du ein angesehener Mann in einem guten Geschäfte bist – wenn der heutige Anlauf im Leben (wie mein tägliches Gebet zum Himmel lautet) dich einmal in ein schönes ebenes Geleise gebracht hat, mein Kind. Meine Liebe zu dir!«

      Etwas von dem Nebel, der den alten Sol umflorte, schien ihm in die Kehle geraten zu sein, denn seine Stimme war heiser geworden. Auch seine Hand zitterte, als er mit seinem Neffen anstieß. Sobald er aber das Weinglas an die Lippen gebracht hatte, leerte er es wie ein Mann und schmatzte hinterher.

      »Lieber Onkel«, sagte der Knabe mit erkünstelter Leichtherzigkeit, obschon ihm zu gleicher Zeit Tränen in den Augen standen: »für die Ehre, die Ihr mir angetan habt, et cetera, et cetera. Ich bitte nun um die Erlaubnis, den Toast auszubringen – Herr Solomon Gills hoch – dreimal hoch und noch einmal hoch! Hurra! Und Ihr werdet es erwidern, Onkel, wenn wir die letzte Flasche miteinander trinken – meint Ihr nicht?«

      Sie stießen abermals mit den Gläsern an. Walter, der seinen Wein sparte, schlürfte nur davon, und hielt dann das Glas mit einer so kritischen Miene, wie er sie nur annehmen konnte, vor das Auge.

      Sein Onkel sah ihm eine Weile schweigend zu, und als ihre Augen sich endlich wieder begegneten, begann er ohne weiteres das Thema, das seine Gedanken beschäftigt hatte, laut fortzuspinnen, als ob er die ganze Zeit über gesprochen hätte.

      »Du siehst, Walter«, sagte er, »mein Geschäft ist mir tatsächlich zur bloßen Gewohnheit geworden. Ich habe mich so daran gewöhnt, daß ich kaum mehr leben könnte, wenn ich es aufgeben müßte; aber es gibt nichts zu tun, nichts zu tun. Als jene Uniform noch getragen wurde«, er deutete nach dem kleinen Midshipman hinaus, »damals konnte man sich in der Tat noch ein Vermögen machen und hat es auch gemacht. Aber die Konkurrenz, die Konkurrenz – neue Erfindungen, neue Erfindungen – Abänderungen, Veränderungen – die Welt ist an mir vorbeigegangen. Ich weiß kaum mehr, wo ich selbst bin, geschweige denn, wo meine Kunden sind.«

      »Kümmert Euch nicht um sie, Onkel!«

      »So zum Beispiel – seit du von deiner Wochenkostschule zu Peckham zurückkamst – und das ist jetzt zehn Tage her«, sagte Solomon, »erinnere ich mich nicht, daß mehr als eine einzige Person in den Laden kam.«

      »Besinnt Euch doch, Onkel, – es waren zwei. Der Mann, der ein Goldstück wechseln lassen wollte –«

      »Das ist der einzige«, versetzte Solomon.

      »Ei, Onkel, ist die Frau nicht auch jemand, die hereinkam, um nach dem Schlagbaum von Mile-End zu fragen?«

      »O, es ist wahr«, sagte Solomon. »Ich habe sie vergessen. Zwei Personen.«

      »Freilich haben sie nichts gekauft«, entgegnete der Knabe.

      »Nein, sie haben nichts gekauft«, entgegnete Solomon ruhig.

      »Und auch nichts gebraucht«, rief der Knabe.

      »Nein. Wenn das der Fall gewesen wäre, hätten sie sich nach einem andern Laden umgesehen«, sagte Solomon in dem gleichen Tone.

      »Aber doch sind es ihrer zwei gewesen, Onkel«, rief der Knabe, als sei das ein großer Triumph. »Ihr spracht nur von einer einzigen Person.«

      »Ei, Wally«, nahm der alte Mann nach einer kurzen Pause das Gespräch wieder auf: »da wir nicht wie die Wilden sind, die auf Robinson Crusoes Insel kamen, so können wir nicht leben von einem Mann, der ein Goldstück wechseln, und von einer Frau, die sich den Weg nach dem Schlagbaum von Mile-End weisen lassen will. Wie ich schon eben gesagt habe, die Welt ist an mir vorbeigegangen. Ich kann ihr damit keinen Vorwurf machen, aber soviel steht fest, ich verstehe sie nicht mehr. Die Handelsleute sind nicht mehr wie sonst, die Lehrlinge auch nicht, das Geschäft ist anders geworden, und die Waren sind gleichfalls nicht mehr dieselben. Sieben Achtel von