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Haydn schlug vorsichtig die Decke zurück und kroch aus dem Bett, um sich im Halbdunkel des Raumes anzuziehen. Die junge Frau schlief mit dem Gesicht zur Wand und er schlich leise ums Bett herum, um seine Sachen aufzusammeln. Auf seinem Handy waren vier unbeantwortete Anrufe und zwei Nachrichten von seinem Manager. Er solle nicht vergessen, dass sie um elf einen Pressetermin hatten und bis dahin im Hotel und einigermaßen ansehnlich sein sollten. „Zwinker, zwinker.“ Haydn lachte in sich hinein. Er hasste Emojis, aber der liebe Anthony wusste sie viel zu subtil und pointiert einzusetzen, um sie nicht amüsant zu finden.
Eine Sekunde lang war er versucht, der jungen Frau zum Abschied einen Kuss auf die Wange zu geben, aber das war dann doch nicht so ganz sein Stil. Also griff er nach seiner Jacke und stahl sich aus der Wohnung. Auf dem Gang zündete er sich eine Zigarette an und stellte dann den Kragen auf, bevor er die Treppe hinunter sprintete und auf die Straße hinaustrat. Sich bewusst, dass er nicht allein war, ging er die Straße hinunter und pfiff sich dann ein Taxi heran. Conny würde ihm schon noch früh genug Bescheid geben, in welchem Klatschmagazin diese Bilder wieder erschienen waren. War es pervers, dass er sich an die Gesichter oft nicht mal mehr erinnern konnte? Aber dann: So war sein ganzes Leben.
Zurück im Hotel hörte er noch Stimmen in Lafayettes Zimmer und auf sein Klopfen hin öffnete Layla Dunant, die treue Seele seines Gitarristen. „Lilly“, umarmten sie und Haydn einander. „Wusste ich, dass du uns besuchen würdest?“ „Dann hättest du ja mehr gewusst als ich“, richtete Lafayette sich auf seinem Bett auf und sah auf die Uhr. „Du kommst spät, Teddybär.“ „Sie war ein bisschen aufgeregt“, lehnte Haydn sich an den kleinen Tisch unter dem Fenster und zündete sich eine Zigarette an, „und wollte einfach nicht einschlafen.“ „Verständlich“, nahm Layla ihm die Zigarette ab, um selbst einen Zug zu machen. „Wenn sie die Augen wieder aufmacht, bist du längst über alle Berge und alles war nur ein Traum.“ Haydn zwinkerte und zog Layla an sich. „Schön, dich zu sehen, Lillybee.“ „Lügner“, lehnte sie den Kopf an seine Schulter. „Ihr Jungs seid doch froh, wenn ich weit weg in Kanada bin, dann könnt ihr ungestört auf die Pirsch gehen.“ Haydn und Lafayette warfen sich einen Blick zu und Lafayette holte sich seine Freundin wieder aufs Bett. „Ich liebe dich auch, mein Schatz.“ „Ugh, ihr seid widerlich“, schüttelte Haydn sich und drückte die Zigarette aus. „Na, dann will ich das Wiedersehen nicht weiter stören und unter die Dusche gehen. Sie trug viel Parfüm.“ „Ich dachte schon, ich rieche einen leichten Rosenduft an dir“, lachte Layla, „steht dir nicht.“ „Dabei ist er doch so ein Süßer“, ließ Lafayette sich einen Kuss auf die Lippen drücken und Haydn fuhr Layla durch die Haare. „Vergesst nicht Luft zu holen.“
‚Ich finde ja, Becky sollte diesen Osborne heiraten’, beugte sich der Schatten im Spiegel auf der Schranktür etwas nach vor, um besser in Haydns Buch sehen zu können. „Ich dachte, du stehst auf Happy Endings“, klopfte Haydn sein Kissen zurecht und griff nach der Fernbedienung für die Stereoanlage. „Whoa!“ Eilig drehte er die Lautstärke herunter und vertiefte sich dann wieder in seine Lektüre. ‚Tue ich ja auch’, seufzte der Schatten theatralisch, ‚und die beiden sind doch so süß zusammen.’ „Osborne ist ein Playboy“, kaute Haydn auf seinem Bleistift und fuhr dann so lange an einem Wort entlang, bis er es verstanden hatte. ‚Genau wie du. Und du bist ja auch süß – irgendwie.’ „Vielen Dank.“
Es kam zu selten vor, dass Haydn auf Tour tatsächlich Zeit zum Lesen hatte und er war so in das Buch vertieft, dass er wie immer die Zeit übersah. ‚Denkst du, es gibt wirklich so kaltblütige Menschen?’, träumte der Schatten halb vor sich hin und Haydn sah auf. „Was ist mit mir?“ ‚Du bist nicht kaltblütig’, richtete der Schatten sich auf. ‚Du bist ein Arsch, das ist was anderes.’ „Na dann ist ja nur gut, dass ich dich habe, um mich ständig daran zu erinnern.“ ‚Was soll ich sagen? Du brauchst mich. Ohne mich wärst du…’ Es klopfte an der Tür und der Schatten verblasste sofort. Haydn legte seufzend das Buch auf den Nachttisch und schälte sich aus der Decke. Es klopfte erneut. „Yeah, I’m comin’!“ Er hatte dem Tageslicht in seinem Zimmer noch keine Beachtung geschenkt.
Er stolperte über seine Schuhe, die achtlos im Flur lagen und öffnete dann die Tür. „Bonjour, Monsieur Junot!“ Es war Lafayette und er war grauenhaft munter. „Guten Morgen, Lay“, trat Haydn zur Seite, um ihn hereinzulassen. „Meine Güte, wie siehst du denn wieder aus?“, musterte Lafayette ihn und nahm dann das Buch vom Nachttisch. „Vanity Fair“, las er den Titel laut. „Ambitieux.“ Haydn hatte immer Bücher bei sich, auch wenn er nicht zum Lesen kam. Den Spruch „Mit wem warst du denn letzte Nacht im Bett?“, bezog die Band manchmal auch auf seine Bücher. „Und jetzt sieh zu, dass du dich anziehst und ein bisschen zurechtmachst, Teddy. Tony kriegt einen Anfall, wenn du wieder aussiehst wie drei Tage Sex.“ „Ich mag den Look“, grinste Haydn und verschwand dann ins Bad, während Lafayette literweise Kaffee bestellte. Im wahrsten Sinne des Wortes.
Wenige Stunden später stolperte eine Gruppe junger Männer über ihre Koffer und verfluchte die Tatsache, dass sie selbst für ihre Papiere und Dokumente verantwortlich waren. Freddy hatte diese Aufgabe abgetreten, als seine Schützlinge nach einem Konzert alle in verschiedene Richtungen verschwinden wollten und sein ganzes Gepäck durchwühlt hatten, weil sie ihre Pässe nicht finden konnten.
Die Roadies taten ihr Bestes, das Chaos gering zu halten, aber wenn sie auch sonst nicht besonders viel verband, so waren doch alle fünf Jungs hoffnungslos unorganisiert und manchmal knapp davor, sich unabsichtlich umzubringen. Die Instrumente wurden abseits verladen und man war damit beschäftigt, Fans davon abzuhalten den Abflug der Maschine noch mehr zu verspäten, als es die Jungs selbst schon taten. Während sie sich darüber stritten, welcher Koffer wem gehörte und wer für das plötzliche Übergewicht zuständig war, gaben sie bereitwillig Autogramme an ihre neuen europäischen Fans. „Ich sollte lernen, mit beiden Händen zu schreiben“, rief Bobby über seine Schulter. „Dann könnte ich zwei Autogramme gleichzeitig geben.“ „Du bist ein verdammter Schlagzeuger, solltest du das nicht können?“ „Er will doch nur angeben, wie viele hübsche schlanke Frauenhände er schon geschüttelt hat.“ „Denk immer an die Bakterien, mein Lieber! All die ekeligen kleinen Kriechdinger!“
5
Linnea lag im Bett und starrte wachen Auges an die Decke. Schon lange hatte sie sich nicht mehr so munter gefühlt, obwohl sie eigentlich unglaublich erschöpft war. Aber ihr Kopf wollte sich einfach nicht zur Ruhe betten und sie wälzte sich so lange hin und her, bis sie Angst bekam, Albin aufzuwecken und seufzend die Decke zurückschlug. Ihre Füße tasteten nach ihren Pantoffeln und sie tapste zur Couch. Wenn sie schon nicht schlafen konnte, dann konnte sie die Zeit genauso gut nutzen und sich ein bisschen mit ihrem Job vertraut machen. Auch wenn sie für die Universitätszeitung geschrieben hatte, so wusste sie doch viel zu wenig darüber, wie man ein Interview führte. Man konnte ja nicht einfach irgendwelche Fragen stellen. Und was, wenn man vom Thema abkam? Etwas, das bei ihrem Partner mehr als zu erwarten war.
Das Büro hatte ganze Arbeit geleistet. Die Mappe, die Karla ihr so bestimmt zugeschoben hatte, war voll mit Zeitungsartikeln, Interviews und Fotos des kanadischen Topmodels und Sängers, der so viele