Ivanhoe. Sir Walter Scott. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sir Walter Scott
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754172162
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Ein seidener, mit Gold durchwebter Schleier war an dem obern Theile desselben befestigt, der nach spanischer Sitte über Gesicht und Busen gezogen oder wie eine Art Draperie um die Schultern gelegt werden konnte.

      Als Rowena bemerkte, daß des Tempelritters Augen mit einer Gluth auf sie gerichtet waren, die, mit den dunklen Höhlen, in denen sie sich bewegten, verglichen, ihnen das Aussehen brennender Steinkohlen verliehen, zog sie mit Würde den Schleier um ihr Gesicht, um anzudeuten, daß die Freiheit solcher Blicke ihr unangenehm sei. Cedric bemerkte die Bewegung und die Veranlassung derselben. »Herr Templer,« sagte er, »die Wangen unserer sächsischen Mädchen haben zu wenig von der Sonne gesehen, als daß sie fähig wären, den festen Blick eines Kreuzfahrers auszuhalten.«

      »Wenn ich gefehlt habe,« versetzte Sir Brian, »so bitte ich um Verzeihung, das heißt, ich bitte um Lady Rowenas Verzeihung, denn tiefer läßt meine Demuth mich nicht herabsteigen.«

      »Die Lady Rowena hat uns alle bestraft,« sagte der Prior, »da sie die Kühnheit meines Freundes zurückwies. Laßt mich hoffen, daß sie weniger grausam gegen die glänzende Ritterschaar sein wird, die sich beim Tournier versammelt.«

      »Es ist ungewiß, ob wir dorthin gehen,« sagte Cedric. »Ich liebe diese Eitelkeiten nicht, die meinen Vätern unbekannt waren, als England noch frei war.«

      »Laßt uns dennoch hoffen, daß unsere Gesellschaft Euch bestimmen wird, dorthin zu reisen,« sagte der Prior; »da die Wege so unsicher sind, ist die Begleitung des Ritters Brian de Bois-Guilbert nicht zu verachten.«

      »Herr Prior,« antwortete der Sachse, »wohin ich auch immer in diesem Lande gereist bin, habe ich bis dahin außer der Hilfe meines guten Schwertes und meiner getreuen Diener keines andern Beistandes bedurft. Gegenwärtig, wenn wir wirklich nach Ashby de la Zouche gehen, reisen wir in Begleitung meines edlen Nachbars und Landsmanns Athelstane von Coningsburgh, und mit einem solchen Gefolge, daß wir Geächteten und Familienfeinden zu trotzen vermögen. – Ich trinke Euch diesen Becher Weines zu, der, wie ich hoffe, nach Eurem Geschmack sein wird, Herr Prior, und danke Euch für Eure Höflichkeit. Solltet Ihr streng an Eurer Mönchsregel halten,« setzte er hinzu, »so daß Ihr Euer Getränk, die saure Milch, vorzieht, so werdet Ihr mir doch hoffentlich aus Gefälligkeit Bescheid thun.«

      »Nein,« sagte der Priester lachend, »wir beschränken uns nur in unserer Abtei auf lac dulce oder lac acidum. Im Umgange mit der Welt fügen wir uns der Weltsitte, und daher thue ich Euch in diesem rechtschaffenen Weine Bescheid und überlasse meinem Laienbruder das schwächere Getränk.«

      »Und ich,« sagte der Templer, indem er seinen Becher füllte, »trinke ›waes hael‹ der schönen Rowena; denn seit ihre Namensschwester dieses Wort in England einführte, ist keine eines solchen Tributes würdiger gewesen. Meiner Treu, ich könnte es dem unglücklichen Vortigern verzeihen, hätte er nur halb so viel Ursache gehabt, wie wir jetzt, Schiffbruch an seiner Ehre und seinem Königreich zu leiden.«

      »Ich will Euch Eure Höflichkeit ersparen, Herr Ritter,« sagte Rowena mit Würde und ohne sich zu entschleiern; »oder vielmehr ich will sie in so weit in Anspruch nehmen, als ich Euch um die neuesten Nachrichten aus Palästina bitte; diese Dinge sind unsern sächsischen Ohren angenehmer als die Complimente, welche die französische Erziehung Euch gelehrt hat.«

      »Ich habe wenig Wichtiges zu sagen, Fräulein,« antwortete Brian de Bois-Guilbert, »außer daß der Waffenstillstand mit Saladin bestätigt ist.«

      Er wurde von Wamba unterbrochen, der seinen gewöhnlichen Sitz auf einem Stuhle eingenommen hatte, dessen Rücklehne mit zwei Eselsohren verziert war, und der etwa zwei Schritte hinter dem seines Herrn stand, welcher ihm von Zeit zu Zeit Speisen von seiner eigenen Schüssel reichte – eine Gunst, die der Possenreißer mit den Lieblingshunden theilte. Hier saß Wamba, einen kleinen Tisch vor sich, die Fersen auf die Querstange des Stuhls gestellt, und die Backen so sehr gefüllt, daß seine Kiefern einem Nußknacker glichen. Seine Augen waren halb verschlossen, beobachteten aber mit Lebhaftigkeit jede Gelegenheit, seine privilegirte Narrheit auszuüben.

      »Diese Waffenstillstände mit den Ungläubigen,« rief er, ohne sich darum zu kümmern, wie plötzlich er den stattlichen Templer unterbrach, »machen mich zum alten Manne!«

      »Nun, Schurke, wie so?« sagte Cedric, dessen Gesichtszüge darauf vorbereitet waren, den erwarteten Scherz günstig aufzunehmen.

      »Weil ich mich in meiner Zeit dreier Waffenstillstände erinnere,« antwortete Wamba, »von denen jeder fünfzig Jahre dauern sollte, sodaß ich wenigstens hundert und fünfzig Jahre alt sein müßte, wenn man alles zusammennimmt.«

      »Ich stehe Dir indeß dafür, daß Du an hohem Alter nicht stirbst,« sagte der Templer, der jetzt seinen Freund aus dem Walde erkannte; »ich kann Dir von den Todesarten nur eine gewaltsame versprechen, wenn Du allen Reisenden solche Weisungen ertheilst, wie Du diesen Abend dem Prior und mir sie gabst.«

      »Wie Bursche,« sagte Cedric, »Du hast Reisende irre geführt? Ich werde Dich peitschen lassen; Du bist eben so sehr Schurke als Narr.«

      »Ich bitte Dich, Onkel,« antwortete der Possenreißer, »laß diesmal meine Narrheit meine Schurkerei in Schutz nehmen. Ich irrte mich nur zwischen meiner rechten und meiner linken Hand; und wer einen Narren zum Rathgeber und Führer nahm, sollte noch einen größern Irrthum verzeihen.«

      Hier wurde die Unterhaltung durch den Eintritt des Pagen unterbrochen, der das Amt des Thürstehers versah. Er meldete, daß ein Fremder am Thor sei und um Einlaß und Aufnahme bitte.

      »Laßt ihn ein,« sagte Cedric, »er sei, wer er wolle. Eine Nacht, wie sie draußen stürmt, nöthigt selbst wilde Thiere, sich zu den zahmen zu gesellen, und den Schutz des Menschen, ihres tödtlichsten Feindes, lieber zu suchen, als daß sie durch die Elemente umkommen. Sieh zu, Oswald, daß seine Bedürfnisse mit aller Sorgfalt befriedigt werden!«

      Und der Haushofmeister verließ den Speisesaal, um den Befehl seines Herrn auszuführen.

      Kapitel V

      Hat nicht ein Jude Augen? hat nicht ein Jude Hände Gliedmaßen, Werkzeuge, Sinne, Neigungen, Leidenschaften? mit derselben Speise genährt, mit denselben Waffen verletzt, denselben Krankheiten unterworfen, mit denselben Mitteln geheilt, gewärmt und gekältet von eben dem Winter und Sommer als ein Christ?

       Der Kaufmann von Venedig.

      (Grote'sche Shakespeare-Ausgabe Bd. IV, S. 305.)

      Oswald kehrte zurück und flüsterte seinem Herrn ins Ohr: »Es ist ein Jude, der sich Isaak von York nennt; ist es passend, daß ich ihn in die Halle führe?«

      »Laß Gurth Dein Amt versehen, Oswald,« sagte Wamba mit seinem gewöhnlichen Vorwitz; »der Schweinehirt wird den Juden passend einführen.«

      »Heilige Maria!« sagte der Abt, sich bekreuzigend, »ein ungläubiger Jude in diese Gesellschaft!«

      »Soll ein Hund von einem Juden,« wiederholte der Templer, »sich einem Vertheidiger des heiligen Grabes nähern?«

      »Meiner Treu,« sagte Wamba, »es scheint, die Templer lieben die Erbschaft der Juden mehr als ihre Gesellschaft.«

      »Still, meine würdigen Gäste,« sagte Cedric, »meine Gastfreundschaft darf nicht nach Eurem Mißfallen beschränkt werden. Wenn der Himmel mit der ganzen Nation der hartnäckigen Ungläubigen mehr Jahre, als ein Laie zählen kann, Langmuth übte, so können wir wohl die Gegenwart eines Juden auf wenige Stunden ertragen. Aber ich zwinge niemand, mit ihm zu reden oder zu speisen. – Laßt ihn Tisch und Speise abgesondert haben, wenn nicht vielleicht,« sagte er lächelnd, »die mit den Turbanen ihn in ihre Gesellschaft aufnehmen wollen.«

      »Herr Frankelin,« antwortete der Templer, »meine Saracenensklaven sind wahre Moslemim und verschmähen den Umgang mit einem Juden eben so sehr wie nur ein Christ.«

      »Nun in Wahrheit,« sagte Wamba, »ich sehe nicht ein, warum ein Verehrer Mahrunds und Termagants einen so großen Vorzug vor dem einst auserwählten Volke Gottes haben sollte.«

      »Er