„Ich hoffe, dass es dir schmeckt“, bemerkt Sean nach einem erwartungsvollen Blick auf seinen Teller.
Nachdem ich einen Bissen probiert habe, nicke ich begeistert.
„Deine Mutter hat einen guten Geschmack“, erkläre ich ihm.
Zufrieden grinst er mich an und probiert ebenfalls ein Stück. Während wir essen, sagen wir kaum etwas. Mein Kopf ist immer noch dabei zu verarbeiten, wie hier überhaupt passiert, sodass ich froh darüber bin, keine Unterhaltung führen zu müssen.
Allerdings spüre ich immer wieder seinen Blick auf mir. Doch sobald ich ihn ansehe, wendet er sich ab und schaut auf seinen Teller und das leckere Essen, das vor ihm steht.
„Wollen wir ein wenig spazieren gehen?“, fragt er mich, als wir um zehn Uhr das Restaurant verlassen.
„Sicher“, antworte ich, ohne darüber nachzudenken, da diesen Abend nur ungern schon so früh enden lassen will.
Ich genieße es, wieder Zeit mit ihm zu verbringen, obwohl mir klar ist, dass dies gefährlich ist. Viel zu lange habe ich dafür gebraucht, um die Trennung verarbeiten zu können, falls ich es überhaupt jemals geschafft habe. Denn wie ich jetzt merke, fühle ich mich nur bei ihm frei und sicher.
Sean nimmt meine Hand in seine und verschränkt seine Finger mit meinen. Nur mit Mühe gelingt es mir, das Zittern zu unterdrücken, welches meinen Körper zu erschüttern droht.
Wir schlagen die Richtung zum Strip ein, wo gerade viele Shows für die Touristen aufgeführt werden. Alles leuchtet in den buntesten Farben und Schilder blinken immer wieder auf, um auf die verschiedenen Glücksspiele aufmerksam zu machen. Vor dem Paris in Las Vegas bleiben wir stehen. Da sich von allen Seiten Menschen an uns vorbeidrängen, schiebt Sean mich vor sich und legt seine Arme so um mich, dass er sie vor meinem Bauch kreuzen kann. Mein Körper wird von Wärme durchflutet. Ich vergesse alles um uns herum und lasse mich in seine Arme sinken.
Obwohl ich mich immer wieder ermahne, dass ich vorsichtig sein muss, kann ich nicht leugnen, dass dies der erste Moment seit Monaten ist, in dem ich wirklich entspannt bin.
Eine Weile stehen wir so da und betrachten den kleinen Eiffelturm. Als Sean sich ein wenig von mir löst, durchfährt mich ein Gefühl von Kälte, obwohl es warm ist.
„Komm, lass uns reingehen.“
Er legt seinen Arm um mich und führt mich in das riesige Hotel.
Obwohl ich schon ein paar Mal im Inneren des riesigen Gebäudes war, habe ich es noch nie so wahrgenommen, wie in diesem Moment. Es ist geradezu magisch. Eine kleine Stadt wurde hier nachgebaut, in der romantische Musik spielt. Es gibt sogar Gondeln, die auf einem künstlich angelegten Kanal fahren.
„Setz dich dorthin“, flüstert er in mein Ohr und zeigt dabei auf einen kleinen Tisch, der in unserer Nähe steht. „Ich bin gleich wieder da.“
Sean wartet meine Antwort nicht ab, sondern dreht sich einfach um und verschwindet in einem der Häuser, die um uns herum aufgereiht sind.
Während ich auf ihn warte, betrachte ich die Menschen, die um mich herumwuseln. Sie sprechen verschiedene Sprachen, aber an ihren Gesten und der Tonlage ihrer Stimmen erkenne ich, dass sie von alldem begeistert sind. Und genauso geht es mir auch.
Wie kann man das in dieser Stadt auch nicht sein? Vor allem, wenn der Mann bei einem ist, den man in den letzten Jahren nicht vergessen konnte?
Es dauert ein wenig, bis er wieder auf der Bildfläche erscheint und zwei große Becher Eis in der Hand hält.
„Was würde wohl deine Schwester dazu sagen, wenn sie wüsste, dass du den Abend mit mir verbringst?“, frage ich ihn leise, als er sich auf den Stuhl setzt, der mir gegenüber steht.
Ich habe keine Ahnung, wieso ich diese Worte ausgerechnet jetzt ausspreche. Aber die geistern mir schon eine Weile im Kopf herum.
Heather ist wahrlich kein Fan von mir. Und das zeigt mir auch offen. Ich kann mir vorstellen, dass sie ihm das Leben schwer machen würde, wenn sie es wüsste.
„Das ist mir egal. Sie wusste auch damals nichts von uns, und wenn es nach mir geht, werde ich es auch dieses Mal vor ihr verheimlichen.“
Sean lässt mich keine Sekunde aus den Augen. Seine Worte erwärmen mein Herz, trotzdem komme ich nicht drum herum, ihn mit großen Augen anzusehen.
„Dieses Mal?“
Meine Stimme ist schrill, aber das ist mir egal. Ich konzentriere mich auf ihn und beachte meine Umgebung nicht mehr. Sollen alle anderen doch denken, was sie wollen, diese Unterhaltung ist zu wichtig.
„Weißt du noch, was ich dir damals gesagt habe?“
Ich bin sprachlos. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich keine Ahnung, dass er dies wirklich ernst meint, obwohl ich es gehofft habe. Daher nicke ich nur.
„Das war mein Ernst. Auf diese Chance habe ich gewartet. Noch einmal werde ich dich nicht gehen lassen.“
Mit leicht geöffnetem Mund sitze ich da und starre ihn an. Ich weiß nicht, was ich sagen soll oder ob ich überhaupt etwas von mir geben soll. Nur langsam kommt die Bedeutung seiner Worte bei mir an und sorgt dafür, dass mein Herz für einen kurzen Moment aufhört zu schlagen.
„Ich habe es jeden einzelnen Tag bereut, dass ich dich habe gehen lassen. Das wird mir kein zweites Mal passieren.“
Ganz automatisch nicke ich, da ich immer noch keinen Ton herausbekomme. Aber mir ist klar, dass ich ihm gerade das Einverständnis gegeben habe, dass er um mich, uns, kämpfen darf.
In der Nähe wird leise Musik gespielt, auf die ich mich allerdings nicht konzentrieren kann, da meine Gedanken sich nur um Sean drehen. Jetzt, wo er mir dies mitgeteilt hat, sieht er plötzlich viel glücklicher und geradezu erleichtert aus. Wir lachen beide und haben Spaß miteinander. All das trägt dazu bei, dass dies der schönste Abend ist, den ich je mit einem Mann verbracht habe.
Aber leider geht er viel zu schnell vorbei.
„Ich sollte dich nun nach Hause bringen“, raunt er mir zu, nachdem er meine Hand wieder in seine genommen hat.
Ich hingegen werfe einen prüfenden Blick auf die Uhr und stelle fest, dass es nur noch eine halbe Stunde dauert, bis es Mitternacht ist.
Ehe ich mich versehe passiert das, was ich mir in den letzten Stunden so sehr gewünscht habe.
Sean drückt seine Lippen sanft auf meine. Tausend kleine Explosionen werden dadurch in meinem Inneren ausgelöst. Ohne dass ich darüber nachdenke, legen sich meine Hände an seine Brust. Unter meinen Fingern spüre ich, wie sein Herz schnell und kräftig schlägt.
Noch bevor dieser Kuss beendet ist, weiß ich schon, dass ich ihn niemals vergessen werde. Egal, wie das hier ausgehen wird, dieser magische Moment wird für immer in meinem Gedächtnis bleiben. Es wird in mich eingebrannt sein, wie wundervoll es sich angefühlt hat, wieder mit diesem Mann vereint zu sein.
Sean rückt ein wenig von mir ab und schaut mir in die Augen.
„Das wollte ich schon machen, als du heute Morgen in mich hineingelaufen bist.“
Ich sehe ihm an, dass er versucht, das kleine Grinsen zu stoppen, welches sich auf seinem Gesicht ausbreitet.
Ich lege meine Hand zärtlich an seine Wange und streiche über den rauen Bartansatz. Dabei betrachte ich ihn liebevoll.
„Danke“, flüstere ich schließlich.
„Wofür?“
„Für alles.“
4
„Wie