Ich rutsche weinend an der Wand hinunter und vergrabe mein Gesicht in den Handflächen.
Zum zweiten Mal hat mein Bruder es geschafft, mir den Menschen zu nehmen, der mir am wichtigsten ist. Ich habe ihn damals geliebt und ich liebe ihn auch jetzt noch. Und das werde ich für immer!
13
Cody
Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass mir ihre Worte egal sind. Seit dem Telefonat habe ich immer wieder darüber nachgedacht. Ich kann es mir jedoch nur so erklären, dass sie Angst hat und sich deswegen erneut von mir distanziert hat. Dies zeigt mir, dass ich ihr noch nicht genug gezeigt habe, dass sie sich meinetwegen keine Gedanken machen muss. Und ich weiß, dass sie sich diese macht.
Während der nächsten Tage lasse ich sie nicht aus den Augen. Die meiste Zeit des Tages verbringe ich in meinem Wagen in der Nähe ihrer Wohnung, sodass mir nichts entgeht. Keine Sekunde wende ich mich von ihrem Haus ab. Am liebsten wäre ich bei ihr, würde sie in den Armen halten und sie küssen. Allerdings weiß ich nicht, ob es eine gute Idee ist.
Ich will nicht vorpreschen und sie damit noch weiter in die Ecke drängen. Allerdings will ich auch nicht, dass die Lücke zwischen uns noch größer wird.
Man kann auch sagen, dass es eine beschissene Situation ist und ich das erste Mal keine Ahnung habe, was ich machen soll!
An diesem Abend hat sie mir klar zu verstehen gegeben, dass sie eigentlich nicht darüber sprechen will. Und irgendwie kam es mir so vor, als würde sie vor allem nicht mit mir darüber sprechen wollen. Allerdings bin ich froh darüber, dass sie es getan hat.
Nun muss ich nur noch irgendwie an das Arsch rankommen, denke ich.
Automatisch spannen sich meine Muskeln an. Es ist nicht das erste Mal, dass sich jemand versteckt hält und meint, dass er mir so ausweichen kann. Und bis jetzt sind sie alle früher oder später wieder aufgetaucht. Daher mache ich mir auch jetzt keine Sorgen.
Das kann ich ihr allerdings nicht sagen!
Mir ist bewusst, dass ich mich nur gedulden muss, doch das ist nicht so einfach, wie man es vielleicht meinen könnte. Auch aus dem Grund, weil ich nicht alleine in diese Geschichte involviert bin.
Unruhig starre ich auf mein Handy, doch es ist noch immer keine neue Nachricht eingegangen. Weder von meinen Brüdern, noch von Rachel. Ja, sie hat mir deutlich zu verstehen gegeben, dass es besser ist, wenn wir uns nicht wiedersehen. Doch sie ist der Meinung, dass sie mich auf diese Weise schützen kann. Dabei ist ihr jedoch nicht bewusst, dass ich keinen Schutz brauche.
Ich bin sehr wohl in der Lage mit diesem Spinner fertig zu werden. Mehr ist er für mich eindeutig nicht.
Die letzten Tage hat sie kaum die Wohnung verlassen. Und wenn, war ihr Blick gesenkt und ihre Haare fielen ihr ins Gesicht, sodass niemand ihre Verletzungen sehen konnte. Auch eine Mütze hat dafür gesorgt, dass man sie kaum erkennen konnte. Und ich habe auch niemanden gesehen, der hineingegangen ist, wenn man von den anderen Bewohnern des Hauses absieht.
Das ist auch der Grund, wieso ich beschließe, dass ich diesem Theater nun ein Ende bereiten werde. Ich habe keine Lust, dieses Spielchen noch weiterzuspielen. Drei Tage sind eindeutig genug. Stattdessen habe ich einen Entschluss gefasst und den werde ich umsetzen. Unter anderem gehört dazu, dass ich ihr endlich die Wahrheit sagen werde.
Auch wenn ich noch keine Ahnung habe, wie ich das anstellen soll.
Mit entschlossenen Schritten gehe ich auf ihre Haustür zu und öffne sie mit dem Schlüssel, den ich habe nachmachen lassen. Ich weiß, dass es wahrscheinlich keine gute Idee war. Doch im Notfall wollte ich jederzeit zu ihr können. Und irgendwie ist das jetzt ein Notfall.
„Rachel!“, rufe ich in ihre Wohnung hinein, nachdem ich die Tür aufgeschlossen habe.
Es dauert einen Moment, doch schließlich kommt sie aus dem Wohnzimmer. Er sieht sie mich irritiert an, bevor ihr Gesichtsausdruck überrascht wird.
Auf den ersten Blick erkenne ich, dass sie keine Ahnung hat, wie sie sich verhalten soll. Sie steht mitten in der Tür, die zu ihrem Wohnzimmer führt und betrachtet mich auf eine Weise, als würde sie ein Gespenst sehen. Doch schließlich stemmt sie die Hände in die Hüften und kneift ihre Augen ein Stück zusammen.
„Was machst du hier? Und, was noch viel wichtiger ist, wie bist du hier reingekommen?“
An ihrer Stimmer erkenne ich, dass sie nicht sehr glücklich über meine Aktion ist. Ich gebe zu, dass es nicht in Ordnung war, doch ich habe einen guten Grund dafür. Schließlich weiß ich, dass sie mir sonst ewig aus dem Weg gehen würde.
Mir war bewusst, dass sie mich das fragen wird. Dennoch habe ich gehofft, dass sie das nicht gleich als erstes machen würde. Dementsprechend habe ich mir auch keine Ausrede einfallen lassen. Und das wollte ich eigentlich auch überhaupt nicht.
„Ich will dir etwas zeigen“, sage ich also nur.
Mit diesen Worten mache ich zwei Schritte auf sie zu. Als ich jedoch sehe, dass sie misstrauisch ist, bleibe ich stehen. Ich weiß, dass das hier nicht leicht für sie ist. Daher will ich sie nicht in die Ecke drängen. Außerdem soll sie wissen, dass sie mir vertrauen kann.
Denn ich habe mich nicht geändert!
„Und was?“
„Ich will, dass du die Wahrheit kennst. Ich will sie dir zeigen.“
Einen Moment sieht sie mich an, als würde sie darüber nachdenken. Doch schließlich lässt sie die Schultern hängen und schüttelt den Kopf.
„Ich hätte es dir nicht sagen dürfen. Es war ein Moment der Schwäche, der definitiv kein zweites Mal eintreten wird. Du willst mir vielleicht über irgendetwas die Wahrheit sagen. Doch ich will dich schützen. Das steht für mich an erster Stelle. Das hätte ich damals schon tun sollen, in dem ich mich von dir ferngehalten hätte. Doch ich habe es nicht. Jetzt habe ich jedoch die Chance, genau das zu tun.“
Ihre Worte sind ehrlich gemeint, das spüre ich. Vor allem bemerke ich aber die Traurigkeit, die von ihr ausgeht. Unter normalen Umständen würde ich sie jetzt in den Arm nehmen und sie halten. Doch mein Verstand sagt mir, dass ich gerade keinen Schritt damit weiterkommen würde.
„Entweder packst du nun ein paar Klamotten, die du für die nächsten Tage brauchst, oder ich nehme dich so mit“, stelle ich fest und lasse keinen Zweifel daran, dass ich es so meine, wie ich es gesagt habe.
„Du solltest lieber verschwinden. Sollte mein Bruder hier auftauchen und dich sehen, wird er dich wahrscheinlich umbringen. Und das will ich nicht. Du hast keine Ahnung, wozu er in der Lage ist.“
Sie hat noch nicht einmal ausgesprochen, als sich bereits ein paar Tränen aus ihren Augen lösen und sich einen Weg über die Wangen suchen, ehe sie auf ihr Shirt tropfen.
Nun setze ich mich doch in Bewegung und ziehe sie an mich.
„Ich verspreche dir, dass mir nichts passieren wird. Du wirst dir niemals Sorgen um mich machen müssen!“
Sanft streiche ich ihr über den Rücken und versuche so, ihre aufgebrachten Nerven zu beruhigen. Doch sind wir mal ehrlich, ich war noch nie gut darin. Ich bin der Mann fürs Grobe. Bei ihr möchte ich aber zärtlich sein. Sie soll wissen, dass sie die Frau ist, die an meine Seite gehört und um die ich mich immer kümmern werde. Das war schon immer so und wird sich auch nicht mehr ändern.
„Pack ein paar Sachen und dann machen wir uns auf den Weg“, fordere ich sie noch einmal auf.
Ja, die Worte auszusprechen fällt mir nicht leicht. Ich würde gerne hier bleiben und auf diesen Wichser warten. Wenn sie recht hat, wird er schließlich früher oder später wieder hier auftauchen.
Doch Rachel und unsere Beziehung gehen gerade vor. Daher stelle ich diesen Wunsch nach hinten. Doch das bedeutet nicht, dass