Dabei bläst sie den Rauch quer durch den Raum. Sie kann sich das leisten, da beide Männer ein bisschen in sie verknallt sind, obwohl sie wissen, dass sie wohl nicht bei ihr landen können.
`Hübsch ist sie ja, aber zu leichtgläubig´, denkt Fryco missmutig, `und eben nicht mehr auf dem neuesten Stand. Soll ja bei Frauen gar nicht ungewöhnlich sein´.
„Also, das sind doch alles Weltverschwörungstheorien, da könnt ihr doch nicht wirklich dran glauben. Ich meine, das hat doch mit der Wirklichkeit nichts zu tun“, versucht Claus nun, die Aufmerksamkeit wieder auf die Zahlen zu konzentrieren. Fryco, nun aus seinen Gedanken gerissen erwidert trotzdem nichts; `im Unterschied zu mir kennt das Kerlchen eben die Wahrheit nicht´, denkt Fryco, `aber darüber streiten, könnte mir meinen Küchenjungen verärgern, und das will ich nicht´.
Währenddessen hat Claus schon weitergeredet: „Wenn wir uns alle an die Maßnahmen halten, dann gibt es auch keine zweite Welle und wenn doch, dann nur eine kleine; wir müssen halt alle vernünftig sein und achtsam miteinander umgehen; jeder muss verantwortungsvoll sein, Abstand halten, Hände desinfizieren und“
„und immer schön Maske tragen“, vollendet Fred den Satz und setzt sich schwungvoll auf seinen Lieblingsplatz in die Ecke der Bank, „und dann wird sicher alles gut, nicht wahr? Die Stellungnahmen der Experten sind sakrosankt, die Regierung macht alles ausnahmslos richtig mit ihren Beschränkungen, und wir fügen uns dankbar in die unbestrittene Notwendigkeit der Unfreiheit, eh, ich meine natürlich ihres Schutzes, und dafür leben wir, bis wir sterben. Ist noch Kaffee da?“
Claus stöhnt und macht sich an die zweite große Kanne.
Nun kommen auch die beiden letzten Mitglieder der Wohngemeinschaft, Gitta und Harry, in die Küche. Obwohl eigentlich wieder mal getrennt, haben sie wohl doch wieder mal die Nacht miteinander verbracht, was Harry einen bösen Blick von Ula einbringt.
„Bitte nicht schon wieder Corona-Diskussionen“, stöhnt Gitta, „können wir nicht zur Abwechslung mal über was anderes streiten? Sag mal Claus, gibt es heute gar keinen Kaffee?“
Harry macht für sich selbst einen Tee und sagt, Gitta´s Wunsch ignorierend: „Bei den Recherchen zu meinem neuen Artikel habe ich eine ganze Reihe von Studien entdeckt, aus denen ganz klar hervorgeht, dass man der Maske eindeutig eine gute Schutzwirkung zuschreiben muss, und zwar primär für die Mitmenschen, aber bedingt auch für einen selbst.“
„Klar“, sagt Ula, „und wenn man schön Abstand hält, auch und besonders im Bett, dann soll das auch helfen.“
Gitta wird ein bisschen rot, wirft Harry aber einen liebevollen Blick zu. Der lässt sich von keinem der beiden Mädels irritieren, und fährt fort: „und aus diesem Grund ist es auch absolut richtig, dass die Regierung das Maskentragen vorgeschrieben hat; denn freiwillig benehmen sich die Menschen nicht verantwortungsvoll, da denken zu viele nur an ihre eigene Bequemlichkeit.“
„Also ich nehme jetzt ein Face Shield“, stellt Claus seine neue Errungenschaft vor, indem er sein transparentes Plastikteil hochhebt, „habe ich im Internet besorgt; die kommen direkt aus China im Zehnerpack für ´nen Appel undn Ei. Ich weiß zwar nicht, wie gut die helfen, aber ich kann sie ohne Probleme den ganzen Tag bequem tragen, und mein Gegenüber sieht mein Gesicht; außerdem lässt sie sich einfach und schnell reinigen, und sogar desinfizieren.“
Er blickt in lauter skeptische Gesichter und legt sie wieder weg. „Na ja, so gut wie all die selbstgemachten Tücher ist das Ding auf jeden Fall. Ich habe nämlich auch mal recherchiert, weil ich wissen wollte, welche Masken wohl wirklich gut sind und welche nicht. Und siehe da, es gibt jede Menge Studien, und hier übrigens auch eine ganze Reihe über die Influenzaviren, die den Masken, und zwar ziemlich egal welchen Typs, keine besondere Schutzwirkung zuschreiben; es gibt sogar böse Stimmen, die ihr unangenehme bis gefährliche Nebenwirkungen zuschreiben.“ Bei seinem letzten Satz ruht sein Blick auf Ula.
„Das wird die Eltern der Kinder, die jetzt ganztägig in der Schule Masken tragen dürfen, wohl kaum irritieren“, schaltet sich Fryco ein. „Da gibt es zwar klare Stellungnahmen von Psychologen, die furchtbare Langzeitschäden voraussagen, gerade für kleine Kinder. Aber das kann ja diesen Eltern egal sein: `unsere Kinder ziehen immer schön Masken auf, dann kann sie der böse Killervirus´, der im Übrigen bereits seit April kaum noch vorhanden ist, `auch nicht töten´. Da duckt man sich schon mal weg anstatt laut dagegen zu protestieren, dass ihre Kinder hier als Laborratten für einen gigantischen Großversuch eingesetzt werden. Na ja, was soll schon groß schief gehen.“
„Die Umfragen bestätigen es“, meint Claus, und schwenkt die große Kanne: „Übrigens wer wollte nochmal Kaffee?“ Er reicht die Kanne Gitta rüber und fährt fort: „Die meisten Eltern finden alle Maßnahmen der Regierung richtig und befürworten die Maskenpflicht für ihre Kinder, auch im Unterricht. Ich weiß nicht, ob wegen der Gefährlichkeit des Virus oder weil sie Angst haben, dass bei einem positive Testresultat von ja nur einer einzigen Person sofort die ganze Schule wieder geschlossen wird und der ganze Betrieb zusammenbricht. Die meisten haben doch ihren gesamten Urlaub bereits verfrühstückt, wie sollen sie sich also um ihre Kinder kümmern, wenn die wieder in Quarantäne sind?“
„Na, die sind doch dann selbst wohl auch in Quarantäne, oder nicht?“ Ula hat sich zuerst eine zweite Tasse eingeschenkt und dazu ihre nächste Zigarette angesteckt.
„Vielleicht nicht, wenn sie negative Testresultate vorzeigen können?“ Aber man merkt Fred an, dass er das nicht allzu ernst meint.
„Ich glaube nicht an all diese Umfragen“, echauffiert sich Fryco von neuem, „diese Scheiß Lügenpresse setzt dir alles vor, was die Regierung denen vorbetet; widerlich finde ich das. Und zwar auf jeder Ebene. Selbst die Kabarettisten sind jetzt schon Handlanger des Staatsfunks, so weit haben wir es gebracht, ich könnte kotzen.“
„Immerhin erlaubt es die Meinungsfreiheit auch einem Kabarettisten oder einer Kabarettistin, die gleiche Meinung zu haben wie die Regierung“, meint Fred sanft, scheitert aber vorhersehbar mit diesem Versuch, Fryco zu beruhigen.
„Das ist dann aber kein Kabarett mehr, sondern dienst-eifriger vorauseilender Gehorsam. `Seht her, ich bin auf eurer Seite, bitte schmeißt mich nicht raus; ich kann euch gute Dienste leisten beim Verarschen eures Publikums. Wenn man euch nicht glaubt – uns glaubt man auf jeden Fall, denn wir sind ja immer soooo kritisch´. So läuft das. Genau so läuft das. Und was deine Meinungsfreiheit betrifft: die Freiheit der Rede ist nicht gleich-bedeutend mit der Freiheit nach der Rede. Ja, du kannst sagen, was du willst, du musst halt nur damit fertig werden, dass du nachher keinen Job mehr hast, keinen Auftrag mehr bekommst, deine Videos gelöscht werden oder du von der Schule fliegst. Wie ihr wisst, habe ich das selbst erlebt; ich weiß also, wovon ich rede. Aber Zivilcourage hat ja nicht umsonst den Mut-Begriff im Wort. Du brauchst also heute Mut, deine Meinung zu sagen, weil deine Existenz danach draufgehen kann. Das ist das, was heute hier von der ach so gefeierten Meinungs-freiheit übriggeblieben ist.“
„Na ja“, meint Fred erstaunlicherweise einmal nachdenklich, „in dem Punkt gebe ich dir recht. Andere Meinungen als Mainstream werden nicht mehr durch die Mainstreammedien kommuniziert und haben daher keine dicke Plattform. Da ist es ziemlich egal, in welcher Zeitung du rumschmökerst oder welchen Sender du dir anschaust. Die mögen sich teilweise im Sprachstil noch ein wenig unterscheiden, aber im Inhalt herrscht großer Gleichklang; das war auch schon während der Klimadebatte so.“
„Das ist aber doch auch logisch; es gibt ja nun mal nur eine Wahrheit“, ist Claus überzeugt; er hat das Frühstück nun kom-plett fertig angerichtet und wagt eine Provokation, die von Ula, Fryco und Fred mit lautem Gelächter kommentiert wird, während Harry zustimmend nickt. Gitta fragt sich, ob Claus das wirklich ernst gemeint hat, doch er fährt bereits fort, „na ja mehrere kann es ja nicht geben. Und wenn