TOSH
La Famiglia
Teil 1 der Dark-Romance-Dilogie »Der Cortone-Clan«
von
Lucia Bolsani
Contentnotes: Diese Dilogie enthält explizite Gewaltdarstellungen, auch sexuelle Gewalt, Gewalt gegen Kinder und das Thema Suizid.
Lektorat: Andrea Benesch | www.lektorat-federundeselsohr.de
Covergestaltung: Buchgewand Coverdesign | www.buch-gewand.de
unter Verwendung von Motiven von
depositphotos.com: © tomert, © kukumalu80, © yoka66, © sergio34, © stillfx stock.adobe.com: © Viorel Sima
© 2021 Lucia Bolsani |www.evabolsani.de
Vorwort
Liebe Leserin, lieber Leser,,
herzlich willkommen zur ersten Dark Romance aus meiner Feder!
Was erwartet Dich hier? Du triffst auf sadistische Mafiosi, die Gewalt für die einzig mögliche Form der Problemlösung halten, auf einvernehmlichen Sex, der etwas härter daherkommt, überhaupt nicht einvernehmlichen Sex, Mord, Betrug, Geldwäsche und Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz. Nun gut, mit einem Ponyhof hast Du wahrscheinlich auch nicht gerechnet. Was halte ich Dich also mit einem Vorwort auf? Zumal Du vermutlich ganz gut selbst weißt, welche Art von Büchern Du gerne lesen möchtest.
Nun, zwei Warnungen will ich doch noch loswerden: Es gibt keine weichgespülten Mafiosi und kein flauschiges Ende … vi chiedo scusa – es tut mir leid!
Da sind wir gleich beim zweiten Punkt: Leider musste ich feststellen, dass die handelnden Personen über ein umfangreiches Repertoire an italienischen Schimpfwörtern verfügen und sich dessen großzügig bedienen. Solltest Du des italienischen Fluchens nicht mächtig sein, findest Du im Anhang ein Glossar mit der jeweiligen Übersetzung. Wenn Dich Nachschlagen nervt oder im Lesefluss stört, stell Dir bitte an der entsprechenden Stelle ein herzhaftes Scheiße! oder Arschloch! vor, das passt eigentlich immer.
Nachdem das geklärt ist, können wir ja eintauchen in die dunkle Seite Münchens fernab jeglicher Postkartenidylle und Oktoberfest-Romantik. Ich wünsche Dir spannende Stunden!
Deine Lu
Prolog
München-Giesing, 09.07.2001, nachmittags
Ich kanns nicht mehr sehen. Eine halbe Stunde hocken wir jetzt schon in unserem Kleintransporter und starren auf diese bescheuerte Feuerschutztür. Auf die verblassten Buchstaben Achims Kickboxclub und die drübergeschmierten Graffiti. Ein Scheiß ist das, aber der Padre ist nun mal der Boss, und der besteht darauf, dass ich diesem Rotzlöffel einen Denkzettel verpasse. Klar, wenn irgendein dahergelaufener Bengel seinen geliebten Enkel Domenico beklaut, ist das natürlich kein Job für einen x-beliebigen Handlanger, da müssen die Profis ran.
Die Kohle soll ich auch wiederbesorgen. Wobei ich mich schon frage, ob die Sache zwischen den Jungs wirklich so abgelaufen ist, wie Domenico behauptet. Aber ist das etwa mein Problem? Sicher nicht.
Domenico ist erst vor drei Wochen von Italien nach München zu seinem Großvater gezogen, aber das sehe ich gleich: Das ist so ein hinterlistiger, kleiner Scheißer, der Mist baut und ihn dann anderen anhängt. Dummerweise hat der Padre einen Narren an Domenico gefressen, da halte ich besser mein Maul.
Als ich zehn Jahre alt war, habe ich in den Bergen um meine Heimatstadt Padolfi mit einer Neunmillimeter rumgeballert, und wenn mich ein anderer Junge um meine Knete erleichtert hätte, wäre mir zusätzlich eine gehörige Tracht Prügel meines Papàs sicher gewesen. Dem Enkel des Padre wird freilich kein Haar gekrümmt. Schwachsinn! So wird der verweichlichte Schwächling nur weiter Ärger machen und am Ende vielleicht sogar die ganze Famiglia in Schwierigkeiten bringen. Che stronzo!
Wenigstens konnte Domenico ein paar Hinweise auf den Bengel geben, der glaubt, er kann sich mit der Famiglia anlegen. Was uns zu diesem versifften Boxclub geführt hat. Wenn unsere Informationen stimmen, sollte der kleine Dieb jetzt trainieren, während ich mit Domenico gelangweilt hier rumhänge. Allerdings wird mein Freund Bruce dafür sorgen, dass der Junge nach der Stunde kurz aufgehalten wird. Schließlich wollen wir ungestört sein, wenn wir uns ein bisschen mit ihm unterhalten.
Klar, wir hätten den Langfinger auch in den Wagen zerren und ihm die fällige Abreibung in irgendeinem dunklen Hinterhof verpassen können. Aber wenn ich schon so einen Kinderkram erledigen muss, dann will ich damit wenigstens ein Zeichen setzen: Carlo Cortone kann sich in diesem Viertel jederzeit an jedem Ort einen Jungen vornehmen, ohne dass ihm deswegen wer ans Bein pisst.
Unter lautem Getöse quellen ein paar Rabauken aus der schäbigen Tür, rempeln sich gegenseitig an und kommen sich offenbar supercool vor. Cretini! Aber endlich piept mein Handy. Das Signal von Bruce. Es kann losgehen.
»Avanti!«, sage ich zu Domenico, wir schwingen uns aus dem Wagen und drücken die Eingangstür zum Boxclub auf. Sofort schlägt uns der unverwechselbare Geruch nach kaltem Schweiß und billigen Deos entgegen. Widerlich!
Wir steigen ein paar abgewetzte Betonstufen hinauf, und ich erläutere Domenico den Plan: »Pass auf, Bruce schnappt sich den Jungen, dann kannst du ihm …«
Domenico schüttelt entsetzt den Kopf. »Bruce soll das machen.«
Porco dio, ein Feigling ist er auch noch. Ich mag mir gar nicht vorstellen, was passiert, wenn Domenico der nächste Padre wird. Hoffentlich legt ihn rechtzeitig irgendein Rivale um, wäre uns allen zu wünschen. Der alte Mann würde ausrasten und Vergeltung fordern, aber leichter das als Domenico an der Spitze der Münchner Famiglia.
Bruce wartet am Eingang zu den Umkleiden auf uns, einem riesigen Raum, der durch mehrere Reihen verbeulter Stahlschränke in kleine Gänge unterteilt wurde. Jetzt herrscht gähnende Leere. Bis auf einen dürren Jungen mit verschwitztem dunkelblonden Haar, der vor einem geöffneten Spind steht und sich ein T-Shirt über den mageren Oberkörper zieht. Was für ein Welpe! Aber das ändert nichts daran, dass er eine diebische Elster ist und gleich die Quittung dafür bekommen wird.
»Domenico, è lui?«, knurre ich leise. Ist er das?
Domenico nickt angespannt, dann versteckt er sich hinter der nächsten Reihe Spinde. Erbärmlich. Ich gebe Bruce mit einem Wink zu verstehen, dass er die Sache ohne ihn durchziehen soll.
Mit zwei Schritten ist mein Mann bei dem Kleinen und knallt ihm die Stahltür des Spindes direkt vor der Nase zu. Der Junge fährt herum, da trifft ihn Bruce’ Faust auch schon in den Magen. Der Bengel stöhnt und krümmt sich zusammen, aber seine Reaktion verrät, dass er heute nicht zum ersten Mal hier trainiert hat. Er taucht nach unten weg und versucht dabei, gegen Bruce’ Schienbein zu treten. So ein simpler Trick entlockt Bruce natürlich nur ein müdes Lächeln, problemlos weicht er aus, wobei sein Stiefel wie zufällig auf einem nackten Fuß des Jungen landet. Ein kurzer Schrei, dann fliegen die Fäuste des Burschen wirkungslos in Richtung seines Gegners. Bruce greift um einiges effektiver an: Ein präziser Faustschlag trifft den Zwerg im Gesicht, seine Lippe platzt auf.
Schon faszinierend. Dank des Adrenalins merkt der kleine Kerl gar nicht, dass er wirklich besser aufgeben sollte. Immer noch versucht er, sich zu wehren, doch seine harmlosen Versuche prallen an Bruce einfach ab. Zufrieden sehe ich, dass der Junge einige sehr schmerzhafte Treffer kassiert. Bruce ist erfahren genug, um den Kleinen nicht gleich k. o. zu schlagen. Die Lektion wird der Bursche so schnell nicht vergessen.
»E basta!«, befehle ich schließlich, und mit einem gezielten Schlag auf den Solarplexus setzt Bruce dem ungleichen Kampf ein Ende.
Als sich die Sternchen, die der Bursche zweifellos sieht, verzogen haben, findet er sich in Bruce’ erbarmungslosem Polizeigriff wieder.
»Lass