Verhasst. Shino Tenshi. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Shino Tenshi
Издательство: Bookwire
Серия: Verhasst
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738036022
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würde aus diesem Kampf als Gewinner hervorgehen?

      „Ich bin Zuhause“, rief ich in die kleine Wohnung, wobei meine Mutter sofort zu mir trat und mich irritiert ansah. „Was ist passiert? Hast du kein Sport?“

      „Ja, schon. Aber der Lehrer hat mich nach Hause geschickt, weil es mir nicht so gut ging. Ich habe einen Ball gegen den Kopf bekommen. Aber keine Sorge. Ich habe nur Kopfschmerzen und lege mich sofort hin.“ Mit diesen Worten ging ich einfach an ihr vorbei und missachtete ihren sorgenvollen Blick. Ich hatte genug eigene Gedanken, um die ich mich kümmern musste, da konnte ich mich nicht auch noch damit befassen.

      In meinem Zimmer angekommen schloss ich die Tür hinter mir ab und ließ die Taschen einfach irgendwo liegen. Es war mir egal und so schlüpfte ich aus der immer noch leicht feuchten Kleidung, wobei ich auch diese achtlos zu Boden fallen ließ, bevor ich mich einfach auf mein Bett schmiss.

      Jetzt erst erlaubte ich es mir zu weinen. Immer wieder spürte ich, wie sich mein Körper unter den Tränen verkrampfte und ich rollte mich immer enger zusammen. Versuchte so die Angriffsfläche zu verkleinern und einfach zu verschwinden. Sie sollten mich in Ruhe lassen. Ich hatte ihnen nichts getan und ich hatte auch nicht laut geschrien, dass ich schwul sein wollte.

      Wer konnte schon bestimmen, wen er liebte? Welcher Mensch war in der Lage selbst festzulegen, ob er nur Männer oder nur Frauen toll fand? Niemand.

      Ich umschlang mich selbst und versuchte mir so Halt zu geben, weil das Gefühl zu fallen immer stärker wurde. Immer wieder durchlebte ich in Gedanken die Szenen des heutigen Tages, hörte ihre Beschimpfungen, spürte die Stöße gegen meinen Körper und vernahm ihr Lachen, wenn sie mich bloß stellten.

      Was hatte ich ihnen getan? Ich liebte keinen von ihnen. Niemand war attraktiv genug, dass ich auch nur eine Sekunde daran dachte, mit einem von ihnen ins Bett zu gehen. Sie waren alle nicht mein Typ. Warum sprachen sie mit mir nicht darüber? Ich könnte es ihnen erklären. Sie könnten mich vielleicht verstehen. Warum lachten sie mich lieber aus? Versuchten mich zu vertreiben?

      Meine Hände krallten sich in das Laken unter mir, als die Tränen weiter den Stoff durchnässten, während immer mal wieder ein Wimmern über meine Lippen kam. Ich wollte nicht mehr lügen und mich verstecken. Vor niemanden mehr. Doch ich konnte es keinem sagen, wie sie mit mir umsprangen, weil es dann nur noch schlimmer würde. Warum half mir niemand? Sah es denn keiner? Tat ich niemandem Leid?

      Ich fühlte mich so verlassen und schutzlos. Wie sollte ich mich dagegen wehren? Was konnte ich tun, damit sie endlich aufhörten? Ich hatte so viele Fragen und keine einzige Antwort. Es tat einfach nur weh, hier zu liegen und zu wissen, dass der morgige Tag genauso weitergehen würde. Doch ich musste in die Schule gehen. Es irgendwie ertragen. Schließlich waren es nur noch ein paar Jahre. Die konnten doch nicht so schlimm werden, oder?

      Ein verzweifeltes Lachen kam über meine Lippen, wobei ich erneut spürte, wie sich mein Magen verkrampfte, wodurch ich mich noch einmal tiefer in das Laken unter mir verkroch. Sie würden mich leiden lassen. Immer mehr und irgendwann würden sie körperlich auf mich losgehen. Das wusste ich. Ich hatte es so oft gehört, gelesen und selbst gesehen gehabt. All das würde mir jetzt auch passieren. Ich hatte keine Chance. Sollte ich vielleicht doch mit jemanden darüber reden?

      Erneut verkrampfte sich alles in mir und ich schüttelte den Kopf. Nein, das war keine Lösung. Es würde nichts bringen. Rein gar nichts. Wahrscheinlich würde dadurch nur alles schlimmer werden. Viel schlimmer, als es mir selbst lieb war.

      Ein Seufzer stahl sich über meine Lippen und ich zwang mich zur Ruhe. Versuchte zu erzwingen, dass das Zittern in meinem Körper nachließ und die Tränen versiegten. Es dauerte eine Weile, in der ich mich bewusst auf das Atmen konzentrierte und mich so immer mehr beruhigte.

      Ich musste durchhalten. Vielleicht sollte ich sie einfach nur ignorieren. Das wäre zumindest eine Idee, die man ausprobieren könnte…

      Der nächste Tag kam und ich versuchte, meine Idee in die Tat umzusetzen. Erneut beschimpfte und bewarf man mich. Ich ignorierte es einfach, so gut es ging, und reagierte in keiner Weise auf irgendetwas von ihnen. Sah sie nicht einmal an und es hörte auf. Sie stoppten tatsächlich.

      Ich konnte es gar nicht begreifen und mein Glück kaum fassen, wodurch ich dem Unterricht wieder mit einem kleinen Lächeln verfolgte. Vielleicht war dieser Terror nun vorbei. So hoffte ich es zumindest.

      Doch auch dieses Mal sollte ich mich irren. Als die Glocke schließlich zur Pause schlug, ging ich auf den Schulhof und ließ mich in einer ruhigen Ecke nieder, wo der Schatten mich vor der Sonne schützte und ich auch nicht sofort jeden ins Auge fiel. Ich wollte einfach nur verschwinden und niemanden mehr zur Last fallen.

      Gerade biss ich in mein Sandwich, als sich plötzlich vier Jungs vor mir aufbauten. Um eine Konfrontation zu vermeiden, unterdrückte ich den Impuls, den Kopf zu heben und sie anzusehen, denn ich wollte einfach nur meine Ruhe haben. Warum ließen sie mich nicht in Frieden? Was erhofften sie sich davon? War meine Anwesenheit wirklich eine solche Pein für sie?

      „Wie lange willst du uns noch ignorieren, Felix?“ Es war die Stimme von Robert gewesen, die diese Frage ausgesprochen hatte, was mich trocken schlucken ließ. Nein, es schien ihm nicht zu genügen, dass er mich verraten hatte. Anscheinend führte er diese ganze Bewegung auch noch an. Warum?

      Doch ich reagierte nicht, sondern biss noch einmal von meinem Sandwich ab und hoffte, dass sie einfach verschwanden, wenn ich weiter schwieg und so tat, als wären sie nicht da. Warum wurde meine Hoffnung nicht erfüllt?

      Man packte mich grob am Kragen und zog mich in die Höhe, wodurch ich in die Augen von Robert blickte. All die Freundlichkeit und Wärme, die ich in den ganzen Jahren unserer Freundschaft dort hatte sehen dürfen, waren verschwunden. Nun spiegelten sich darin nur noch bodenloser Ekel und Hass.

      „Wieso?“ Ich konnte nicht mehr sagen und ich bekam auch keine wirkliche Antwort, sondern man schlug mir stattdessen nur das Sandwich aus der Hand und ich sah wie es im Dreck landete. Warum taten sie das? Weshalb tat Robert das Alles?

      Bevor ich erneut etwas sagen konnte, schlug man mir hart in die Magengrube. Ich stöhnte auf, als der Schmerz durch meinen Körper raste und war kurz davor, dass ich mich übergab, jedoch konnte ich das noch in letzter Sekunde verhindern.

      Immer wieder wurde mein Körper von neuen Schmerzen überrannt, als Robert einfach weiter auf mich einschlug. Dabei konzentrierte er sich vorzugsweise auf meinen Oberkörper, damit man die blauen Flecken nicht sofort sah, weshalb ich mich irgendwann nur noch schützend zusammen rollte.

      Es schien eine halbe Ewigkeit zu dauern bis die Fäuste und Füße verschwanden und der Schmerz langsam abebben konnte. Nur am Rande nahm ich dabei die Schulglocke war, doch ich blieb einfach liegen und erneut liefen mir Tränen über die Wangen.

      Alles tat mir weh und die Hilflosigkeit stürmte meine Gedanken. Warum kam niemand um mir zu helfen? Wieso ließen alle es einfach geschehen?

      Erneut warf sich ein Schatten über mich, wodurch ich mich instinktiv noch mehr zusammenrollte aus Angst, dass man mich erneut schlagen könnte, jedoch drang stattdessen eine sanfte Stimme zu mir durch: „Brauchst du Hilfe?“

      Unsicher öffnete ich die Augen und blickte in ein Paar Smaragde, die mich besorgt ansahen, was ich nicht verstand.

      „Der Unterricht beginnt bald. Wir sollten gehen“, sprach er weiter, „kannst du aufstehen? Was ist denn passiert, dass du hier so liegst?“

      Ich begriff nicht, warum dieser Junge vor mir stand. Sein braunes Haar fiel in einem Pferdeschwanz über seine Schultern, als er weiter die Hand nach mir ausgestreckt hielt und ich sie schließlich zögerlich ergriff.

      „Nichts Besonderes. Ich bin wohl eingeschlafen“, versuchte ich erneut zu lügen, doch ich sah, dass er es mir nicht glaubte. „Dann schläfst du aber verdammt komisch.“ Er lächelte kurz und begann vorsichtig den Dreck von meiner Kleidung zu klopfen „Wir müssen uns echt beeilen, sonst kommen wir beide noch zu spät. Ich würde gerne mit dir ein wenig reden. Lust, dass wir uns in der nächsten Pause hier an diesem Ort treffen?“