Indignor, quandoque bonus dormitat Homerus;
Verum operi longo fas est obrepere somnum.
Leid ist mir's, doch der treffliche Homer
Nickt auch zuweilen; aber, daß der Schlaf
Bei solchem langen Werk uns überschleiche,
Ist in der Ordnung –
Denn wir müssen das hier nicht so verstehen, wie es vielleicht einige verstanden haben, daß ein Autor wirklich einschlafe, derweil er sein Werk schreibt. Den Leser kann freilich so etwas leicht überfallen; wäre aber das Werk so lang, als irgend die längste Postille, so ist der Autor doch dabei viel zu behaglich beschäftigt, als daß ihn die geringste Schläfrigkeit anwandeln sollte. Er ist nach Popens Bemerkung
Sleepless himself to give his readers Sleep.
Schlaflos er selbst, um seinen Lesern Schlaf zu schaffen.
Die reine Wahrheit zu sagen, so sind diese schlafeinladenden Stellen so viele künstlich eingeschobene ernsthafte Szenen, um die übrigen zu kontrastieren und lebendiger zu machen: und dies ist die wahre Meinung eines jüngstverstorbenen witzigen Schriftstellers, welcher dem Publikum sagte: es könne sich darauf verlassen, es stecke allemal eine Absicht dahinter, wenn er Langeweile mache.
In diesem Lichte also, oder vielmehr in diesem dunkeln Schatten wünsche ich, daß der Leser diese Einleitungsversuche betrachten möge. Und wenn er, nach dieser Warnung immer noch der Meinung bleibt, daß er in andern Teilen dieser Geschichte genug Ernsthaftes finden könne, so mag er diese überschlagen, in welchen wir eingestandnermaßen langweilig sind, und geflissentlich die folgenden Bücher nur gleich beim zweiten Kapitel anfangen.
In welchem Tom Jones, während der Zeit, daß er das Zimmer hütete, manchen freundschaftlichen Besuch erhält; nebst einigen feinen Tuschen im Gemälde der Leidenschaft der Liebe, welche unbewaffneten Augen kaum sichtbar sein möchten.
Tom Jones empfing, während er das Bett und Zimmer hütete, manchen Besuch, ob ihm gleich einige davon nicht gar angenehm sein mochten. Herr Alwerth besuchte ihn fast täglich; allein, so viel Mitleiden er mit Toms Schmerzen hatte und so sehr er das wackere Betragen, wodurch er sich solche zugezogen, billigte, so dachte er dennoch, dies sei eine günstige Gelegenheit, ihn zu kalten Ueberlegungen seiner vorherigen unbesonnenen Aufführung zu bringen; daß also auf diesen Endzweck zielender heilsamer Rat zu keiner bequemern Zeit angebracht werden könne, als eben zu dieser, wo das Gemüt durch Schmerzen und Krankheit erweicht und durch Gefahr geängstet und seine Aufmerksamkeit nicht durch jene aufrührerischen Leidenschaften umnebelt wäre, welche den Menschen treiben, seinen Vergnügungen nachzujagen.
Zur Zeit, oder zur Unzeit also (wie ein gewisser erhabener Schriftsteller dazu anzumahnen scheint), wenn der gute Mann mit dem Jünglinge allein war, besonders wenn der letztre sich völlig in Ruhe befand, nahm er Gelegenheit ihn an seine vormaligen Fehltritte zu erinnern; aber auf die sanfteste und zärtlichste Weise, und bloß, um seinen Warnungen auf die Zukunft, die er ihm so väterlich erteilte, Eingang zu verschaffen. Von welcher zukünftigen Aufführung allein, wie er ihn versicherte, seine eigne Glückseligkeit und die Güte abhängen würde, welche er noch von seinem Pflegevater zu erhalten sich versprechen dürfe, wofern er sich in Zukunft dessen guter Meinung nicht ganz und gar verlustig machte. Denn, was das Vergangne anbeträfe, sagt' er, so sollte das völlig vergessen und vergeben sein. Deswegen also riet er ihm, von dem gegenwärtigen Zufalle den besten Gebrauch zu machen, damit solcher, als eine Heimsuchung, zu seinem eigenen Besten ausschlagen möge.
Schwöger war gleichfalls nicht zu saumselig in seinen Besuchen und auch er betrachtete ein Krankenlager als einen schicklichen Ort zu Bußpredigten. Sein Stil war indessen etwas eindringlicher und bitterer, als der Stil des Herrn Alwerth. Er schärfte seinem Zöglinge ein: er müsse sein zerbrochnes Glied als eine Züchtigung des Höchsten, wegen seiner Missethat ansehen: deshalben würde es seine Pflicht sein, sich täglich auf seine Kniee zu werfen und dem Himmel zu danken, daß er nur seinen Arm und nicht den Hals gebrochen habe, welches letztre, wie er sagte, sehr wahrscheinlicherweise auf eine künftige und nicht weit entfernte Gelegenheit verschoben sein möchte. Er für sein Teil, sagt' er, habe sich oft gewundert, daß ihn nicht schon längst ein Zorngericht des Himmels betroffen habe; allein aus dem Gegenwärtigen könne man schon ersehen, daß Gottes Rache zwar langsam aber doch gewiß den Sünder erreiche. Daher warnte er ihn dann gleichfalls mit eben solcher Gewißheit, die weit größern Uebel zu erwarten, welche ihm noch bevorstünden und die ihn ebenso sicher, wie ein Dieb in der Nacht, in seinem unbekehrten Zustande überraschen würden. »Diese können nur,« sagt' er, »durch eine so völlige und aufrichtige Reue und Buße abgewendet werden, welche man von einem so gottvergessenen Jüngling weder erwarten, noch hoffen kann, dessen Herz, wie ich fürchte, völlig verderbt ist. Meine Pflicht indessen ist, Sie zur Buße und Besserung zu ermahnen, ob ich gleich nur zu sehr überzeugt bin, daß alles Vermahnen vergebens und fruchtlos sein wird. Aber meinetwegen! Liberavi animam meam. Ich kann mir in meinem Gewissen keine Versäumnis Schuld geben, ob ich gleich dabei mit innigster Bedauernis sehe, wie Sie dahin fahren, zu gewissem Verderben in dieser Welt und zur ebenso gewissen Verdammnis in jener Ewigkeit.«
Quadrat sprach aus einem ganz andern Tone. Er sagte: »Solche Zufälligkeiten, wie ein gebrochener Knochen, wären nicht wert, daß ein weiser Mann darauf achte. Es sei überflüssig hinreichend, um die Seele bei allen solchen Widerwärtigkeiten im Gleichgewichte zu erhalten, daß man wisse, wie sie auch die Weisesten unter den Menschenkindern befallen können, und daß solche ganz unbezweifelt zum Besten des Ganzen gereichen.« Er sagt: »es sei ein bloßer Mißbrauch der Worte, diese Dinge Uebel zu nennen, in welchen kein moralischer Widerspruch liege. Schmerz, das Aergste was aus solchen Zufällen entstehen könne, wäre die allerverächtlichste Kleinigkeit von der Welt,« – mit mehr dergleichen Sentenzen, entlehnt aus dem zweiten Buche von Ciceros tusculanischen Fragen, oder aus den Schriften des großen Lords Shaftesbury. Er war eines Tages so emsig, dergleichen Sentenzen herzusagen, daß er sich unglücklicherweise darüber auf die Zunge biß und zwar dergestalt, daß es nicht nur seiner Rede ein Ende machte, sondern ihn auch in heftige Bewegung setzte und ihn ein oder ein paar Flüche ausstoßen ließ. Was aber dabei das schlimmste war, so gab dieser Zufall dem Schwöger, der sich gegenwärtig befand und welcher alle solche Lehren für heidnisch und atheistisch hielt, Veranlassung, ihm ein Gottesurteil auf die Schultern zu heften. Nun geschah dies dazu noch mit einem so boshaften Himmelsblick, daß es die ganze Fassung des Philosophen, wenn ich so sagen darf, aus Thür' und Angeln hob, da sie der Biß auf die Zunge ohnedem schon ein wenig zum Wackeln gebracht hatte. Und weil er außer stand gesetzt war, seinen Aerger durch die Lippen auszulassen, so hätte er vielleicht gewaltsamere Wege gefunden, sich zu rächen, hätte sich nicht der Wundarzt, der zum Glück eben im Zimmer war, seinem eignen Vorteil zuwider dazwischen gelegt und den Frieden erhalten.
Herr Blifil besuchte seinen Freund Tom nur selten und niemals allein. Dieser würdige junge Mann bezeigte indessen viele Achtung für ihn und ein herzliches Mitleiden mit seinem Unglücke, vermied aber mit vieler Behutsamkeit allen vertrauten Umgang, damit, wie er sich öfter merken ließ, solches seinem eigenen unbescholtenen Charakter keinen Makel anhängen möchte, des Endes er dann auch beständig das salomonische Sprichwort im Munde führte, welches gegen böse Gesellschaft gerichtet ist. Nicht, daß er ebenso bitter gewesen wäre als Schwöger, denn er äußerte immer noch eine schwache Hoffnung zu Jones' Bekehrung, welche, wie er sagte, die beispiellose Güte, die sein Onkel bei dieser Gelegenheit bewiesen habe, bei einem nicht ganz und gar verstockten Menschen bewirken müsse. »Aber,« schloß er dann, »wenn mein Freund Tom hernach von neuem ausschweift, so werd' ich nicht im stande sein, eine einzige Silbe zu seinem Besten zu sagen.«
Anlangend Junker Western, so entfernte der sich selten aus der Krankenstube, es sei denn, daß er gegen das Wild zu Felde zog oder sein Wesen mit der Weinflasche trieb. Ja, er begab sich zuweilen hierher, um sein Oktoberbier zu trinken, und es kostete Mühe, ihn abzuhalten, daß er den Jones nicht zwänge, ebenfalls von seinem Bier zu zechen: denn kein Marktschreier