Tom Jones. Henry Fielding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Henry Fielding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754175279
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erwirbt, und das liegt, wenn wir der gemeinen Meinung trauen dürfen, in der natürlichen Furchtsamkeit dieses Geschlechts, welche, wie Osborne sagt, so weit geht, daß ein Frauenzimmer das feigste unter allen Geschöpfen ist, die Gott jemals auf die Welt gesetzt hat. Ein Ausspruch, der mehr wegen des platten Ausdrucks als wegen seiner Wahrheit merkwürdig ist. Aristoteles läßt ihnen, glaub' ich, in seinen Abhandlungen über die Politik mehr Gerechtigkeit widerfahren, wenn er sagt: »Die Bescheidenheit und Seelenstärke des Mannes ist weit unterschieden von eben diesen Tugenden bei dem Weibe; denn eben der Mut, welcher ein Weib ziert, wäre für einen Mann nur Feigheit, und die Bescheidenheit, welche dem Manne wohl ansteht, würde bei einem Weibe Frechheit sein.« Vielleicht steckt auch nicht mehr Wahrheit in der Meinung derer, welche die Parteilichkeit, womit die Weiber den tapfern Männern anzuhängen pflegen, aus diesem Uebermaße ihrer Furchtsamkeit herleiten. Bayle (ich glaube im Artikel Helena) schreibt es, und zwar mit großer Wahrscheinlichkeit, ihrer heftigen Liebe zum Heldenruhme zu. Eine Wahrheit, wofür wir die Autorität eines Dichters haben, der vor allen übrigen die tiefsten Blicke in die menschliche Natur gethan hat und welcher die Heldin der Odyssee das große Muster ehelicher Liebe und Treue so vorstellt, daß der Ruhm ihres Gemahls der einzige Quell ihrer Liebe für ihn gewesen sei.

      Wie dem aber auch sei, so ist gewiß, daß die Begebenheit sehr stark auf Sophie wirkte; und in der That, nachdem ich mich nach der Sache genau erkundigt habe, bin ich geneigt zu glauben, daß eben zu derselbigen Zeit die reizende Sophie nicht weniger Eindruck auf das Herz unsres Helden machte; die Wahrheit zu sagen, er hatte schon vor einiger Zeit die unwiderstehliche Macht ihrer Zauberreize empfunden.

Vierzehntes Kapitel.

      Die Ankunft eines Wundarztes. Seine Operationen und ein langer Dialog zwischen Sophien und ihrer Jungfer.

      Als man in Westerns Wohnsitze angelangt war, sank Sophie, welche mit Not und Mühe den Weg hergewankt war, in einen Lehnstuhl nieder; durch Beihilfe von Riechwassern ward sie aber vor einer Ohnmacht bewahrt, auch war sie schon ziemlich wieder zu Kräften gelangt, als der Wundarzt erschien, den man für Jones hatte rufen lassen. Herr Western, der die Symptome an seiner Tochter ihrem Falle zuschrieb, riet ihr, sich alsobald eine Ader öffnen zu lassen. In dieser Meinung ward er von dem Wundarzte unterstützt, der so viele Gründe fürs Aderlassen anführte und so manchen Kasum hererzählte, wo es den Leuten übel ergangen, die es versäumten, daß der Junker sehr dringend ward und wirklich, einmal für allemal, darauf bestand, seine Tochter solle Blut lassen.

      Sophie gab bald den Befehlen ihres Vaters nach, obgleich ganz und gar wider ihre eigne Neigung: denn sie besorgte, wie ich glaube, weit weniger Gefahr von ihrem Schrecken, als beide, der Vater und der Wundarzt. Sie hielt also ihren schönen weißen Arm hin und der Operateur schickte sich an zum Werke.

      Unterdessen, daß die Bedienten die erforderlichen Gerätschaften herbeiholten, begann der Chirurgus, welcher Sophiens bezeigten Widerwillen ihrer Furcht zuschrieb, sie mit Versicherungen zu trösten, daß nicht die geringste Gefahr dabei sei; denn, sagte er, beim Aderlassen könne niemals das geringste Unglück geschehen, es sei denn durch die abscheuliche Unwissenheit elender Pfuscher in der Chirurgie, welches, wie er so ziemlich deutlich zu verstehen gab, hier gar nicht der Fall sei. Sophie versicherte, ihr sei gar nicht ängstlich dabei, und fügte hinzu: »Wenn Sie auch eine Arterie träfen, so versprech' ich, daß ich's Ihnen verzeihen will.« – »Willst du!« rief Western. »Ein Schurke bin ich, wenn ich will!« – »Wenn er dir's geringste Unheil macht, ein Schelm will 'ch sein, wenn 'ch 'n nicht en Aderlaß in sein Herz hinein mache!« Der Wundarzt willigte ein, ihr auf diese Bedingung die Ader zu öffnen, und schritt darauf zur Operation, die er mit all der Geschicklichkeit verrichtete, die er verheißen hatte, und auch mit großer Geschwindigkeit, denn er nahm ihr nur sehr wenig Blut, weil es, wie er sagte, besser wäre, lieber öfters zu lassen, als auf einmal zu viel Blut wegzunehmen.

      Sophie begab sich auf ihr Zimmer, sobald ihr Arm verbunden war, denn sie war nicht gesonnen, (auch war's vielleicht nicht so ganz wohlanständig) bei der Operation an Jones gegenwärtig zu sein.

      In der That war eine von den Ursachen, warum sie dem Aderlaß hatte ausweichen wollen, (ob sie sie gleich nicht sagte) die Verzögerung gewesen, die der Verband von Jones' Armbruch darüber leiden würde. Denn Western hatte, wenn Sophie im Spiele war, eine andre Gedanken als an sie; und was Jones selbst anbelangt, so saß er da »wie die Gelassenheit, welche auf einem Monumente dem Grame zulächelt«. In Wahrheit, als er das Blut aus dem lieblichen Arme der Sophie springen sah, dachte er kaum an das, was ihm selbst begegnet war.

      Der Wundarzt befahl nun, seinen Patienten bis aufs Hemde zu entkleiden, und nachdem er selbst den Arm völlig entblößt hatte, fing er an, ihn dergestalt zu recken und zu visitieren, daß der Schmerz davon den Jones einigemal saure Gesichter ziehen ließ, worüber der Chirurgus, der das wahrnahm, sich höchlich wunderte und schrie: »Was haben denn der Herr? Ich weiß doch gewiß, es ist ganz unmöglich, daß ich Leids thun kann.« Dann hielt er den gebrochenen Arm gegen die Versammlung und dabei eine lange und sehr gelehrte anatomische Vorlesung, worin er die einfachen und doppelten Knochenbrüche, wie auch die mancherlei Arten auseinandersetzte, auf welche Jones seinen Arm hätte brechen können, mit den erforderlichen Noten, zu beweisen, welche besser und welche schlimmer gewesen sein würden als der vorliegende Kasus.

      Nachdem er endlich seine ausgearbeitete Rede zu Ende gebracht hatte, wovon das Auditorium, ob solche gleich dessen Aufmerksamkeit und Bewunderung erregt hatte, doch vielleicht deswegen nicht sonderlich erbaut war, weil es von allem, was der Redner gesagt, wirklich nicht eine einzige Silbe verstanden hatte: so schritt er zu seinem Geschäft, welches er dann auch geschwinder zu Ende brachte, als er geschwind gewesen war es anzufangen.

      Jones wurde darauf angewiesen, zu Bette zu gehen, welches ihn Western nötigte in seinem Hause anzunehmen, und dann ward ihm die Haferwelgenbuße angekündigt.

      Unter der honetten Gesellschaft, welche im Saal der Operation des Armschienens beigewohnt hatte, war auch Jungfer Honoria. Sobald aber der Verband angelegt worden, ging sie auf den Ruf der Schelle zu ihrem Fräulein hinauf, welche sie fragte, was der junge Herr Jones mache? Zur Antwort ergoß sich die treue Putzjungfer in ein übertriebenes Loben und Preisen des Höllenmuts, wie sie's nannte, seines Benehmens, welches, wie sie sagte, »einen so scharmanten jungen Herrn so allerliebst kleidete.« Dann brach sie in noch wärmere Lobsprüche aus über die Schönheit seiner Person, wobei sie manche einzelne Teile derselben besonders durchging und zuletzt mit der Versicherung schloß, daß seine Haut bis zum Entzücken weiß wäre.

      Dieses Gespräch hatte eine solche Wirkung auf Sophiens Fassung, daß es vielleicht dem Scharfblick der Kammerjungfer nicht entwischt sein möchte, hätte sie ihrer Herrschaft nur ein einziges Mal ins Angesicht gesehen, so lange sie mit ihrer Erzählung im Gange war. Ein Spiegel aber, der ihr sehr bequem gegenüber hing, gab ihr Gelegenheit, diejenigen Gesichtszüge zu betrachten, die vor allen übrigen das meiste Vergnügen gewähren, so daß sie während ihrer ganzen Rede die Augen von diesem liebenswürdigen Gegenstande nicht ein einziges Mal wegwenden konnte.

      Jungfer Honoria war mit dem Gegenstande, worüber sich ihre Zunge bewegte, und mit dem teuren Bilde, das ihr da vor Augen schwebte, so emsiglich beschäftigt, daß sie ihrem Fräulein Zeit ließ, ihre Verwirrung zu unterdrücken, die dann, als sie damit fertig war, ihrer Jungfer mit Lächeln sagte: »sie wäre gewiß in den jungen Menschen verliebt.« – »Ich, verliebt, 'R Gnad'n!« antwortete sie, »mein'r Ehr, Gnädigs Frölen, ich versichre, auf meine Seele, 'R Gnad'n, ich bin's nicht.« – »Nun, nun,« sagte ihre Herrschaft, »wenn Sie's nun wäre! Ich seh' nicht, warum Sie sich dafür schämen sollte, denn es ist gewiß ein hübscher junger Mann.« – »Ja wohl, 'R Gnad'n, das sagen 'R Gnaden nur noch einmal. 'S ist Ihn'n der schönste Mann, den 'ch mein Lebetage gesehn habe; ja mein'r Ehr, das ist er! Und wie 'R Gnad'n sag'n, w'rum sollt 'ch mich schämen, wenn 'ch 'n lieb hielt? Obschons er viel vornehm'r ist, als ich; denn, mein'r Ehr, adliche Leute sind auch nur Fleisch und Blut, und nichts mehr, als wir hipsche Diensten. Und, ja, Herr Tom Jones, obschons Herr von Alwerth en'n Junker aus 'n gemacht hat, so ist 'r doch nicht 'emal so ehrbar auf d' Welt kommen, als unser Eins: denn, ob 'ch wohl nur 'ne demüt'ge Kammerjungfer bin: so bin 'ch ein ehrlicher Leute ehrlich's Kind, und mein Vater