Tom Jones. Henry Fielding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Henry Fielding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754175279
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unsern Lesern etwas auf den Aermel zu heften, und deswegen mögen diejenigen, welche mit der heidnischen Theologie nichts zu thun haben wollen, unsere Göttin nach Belieben in obbesagtes Sträußermädchen verwandeln. Unsere Absicht mit kurzen Worten ist, unsre Heldin mit der größesten Feierlichkeit, die in unsern Kräften steht, mit einer Erhabenheit des Stils und mit allen Umständen einzuführen, welche dazu beitragen können, die Ehrerbietung des Lesers zu erhöhen. In der That möchten wir, aus gewissen Ursachen, unsrem Leser, wenn er sich eines Herzens bewußt ist, raten, nicht weiter fort zu lesen, wären wir nicht versichert, so liebenswürdig auch das Porträt unsrer Heldin erscheinen wird, weil es wirklich nach der Natur gemalt ist, werden trotz dem manche unsrer schönen Landsmänninen würdig erfunden werden, die edelsten Leidenschaften einzuflößen, und jeder Idee von weiblicher Vollkommenheit entsprechen, deren unser Pinsel fähig ist.

      Und nun gehen wir ohne weitere Vorrede über zu unserem nächsten Kapitel.

Zweites Kapitel.

      Kurzer Wink von dem, was wir im Erhabenen zu leisten vermögen, und eine Beschreibung des Fräuleins Sophie Western.

      Schweig', selbst leisestes Lüftchen, schweig'! Und du, heidnischer Satrap der Winde, leg' in eiserne Fesseln die groben Glieder des brausenden Boreas und den scharfbeißenden, mit spitzer Adlersnase dahersausenden Eurus. Und du, leiser Zephyr, hebe dich aus deinem Blumenlager; besteig' den westlichen Himmel und führ' uns herauf jenes liebliche Wehen, dessen Reiz die Farben entzündende Flora ihrer von Perlentau duftenden Kammer entruft, wenn sie am ersten des Juni, ihrem jährlichen Feste, schwebenden Fußes leicht hinhüpft über grünende Auen, wo jede Blum' emporstrebt der schönen Göttin zu huldigen, bis bunter Schmelz die Felder bedeckt und Farben streiten mit Wohlgerüchen, wer mehr, wer angenehmer sie entzücken soll.

      In so reizvoller Schönheit möge sie nun erscheinen. Und ihr, gefiederte Sänger der Büsche und Wälder, deren süßwirbelnde Melodeien selbst ein Händel mit Künstlerneid bewundert, stimmt eure tonreichen Kehlen, ihrer Erscheinung entgegenzugrüßen. Liebe erzeugte euer Lied und lockt wieder Liebe hervor. So erweckt denn dies sanfte Gefühl in jedes zarten Jünglings Brust, denn siehe! geschmückt mit jedem Reiz, womit Natur nur schmücken kann; geziert mit Schönheit, Jugend, Unschuld, regem Geiste und zart bescheidner Sittsamkeit; von ihren Rosenlippen Maiendüfte atmend; von ihrem funkelnden Auge Morgenglanz strahlend, kommt sie daher, die liebenswürdige Sophie!

      Leser, du hast vielleicht die Statue der mediceischen Venus gesehen. Vielleicht hast du auch eine Sammlung der ähnlichsten Porträts von den berühmtesten Schönheiten, verfertigt durch die ersten Meister unsrer Zeit, in dem Studierkabinette eines Fürsten oder Liebhabers gesehen; vielleicht erinnerst du dich noch von deinen Reisen durch England, Frankreich und Italien der schönsten Prinzessinnen, Gräfinnen und anderer Schönheiten, auf deren Wohl so manches Glas Wein geleert wurde; oder wenn ihr Reich nicht in deine Tage fiel, so hast du vielleicht ihre nicht weniger reizenden Töchter gesehen, deren Namen, wenn wir sie hierher setzen wollten, wie wir fürchten, den ganzen Band anfüllen würden.

      Nun, hast du alles das gesehen, so fürchte nur nicht die ziemlich ungefeilte Antwort, welche einst Lord Rochester einem Manne gab, der viele Dinge gesehen hatte. Nein. Wenn du alles jenes gesehen hast, ohne zu wissen, was Schönheit sei: so hast du keine Augen, und hast du's gesehen, ohne seine Macht zu empfinden – nun so hast du kein Herz.

      Dennoch, lieber Freund, ist's möglich, daß du alles jenes gesehen haben magst, ohne fähig zu sein, dir ein genau treffendes Bild von Sophie vorzustellen. Denn genau glich sie keiner einzigen von jenen allen. Am genauesten glich sie dem Porträt der Gräfin A. Mehr noch hat man mir gesagt, der Herzogin von Z. Am meisten aber glich sie einem Mädchen, dessen Bild nimmer aus meinem Herzen verlöschen wird, und wenn du dich deren noch erinnerst, mein Freund, so hast du eine ganz ähnliche Idee von Sophie.

      Allein, weil du allenfalls nicht so glücklich gewesen sein möchtest, so wollen wir uns nach unsrem besten Vermögen bemühen, dieses Urbild zu beschreiben, ob wir gleich sehr wohl fühlen, daß unsre höchste Geschicklichkeit dieser Unternehmung nicht gewachsen sein wird.

      Sophie also, die einzige Tochter des Junker Western, war ein Frauenzimmer von mittlerer Größe; doch eher darüber als darunter. Ihr Wuchs war nicht nur sehr regelmäßig, sondern sehr zierlich, und das genaue Ebenmaß ihres Arms versprach das schönste Verhältnis ihres übrigen Gliederbaues. Ihr schwarzbraunes Haar war von so langem Wuchs, daß es, ehe sie es, um sich nach der Mode zu bequemen, abschnitt, bis über ihren Gürtel herabreichte; und nun fiel es ihr in so anmutigen Locken um den Nacken, daß wenige glauben wollten, es sei ihr eignes. Wofern die Scheelsucht einen Teil ihres Gesichts aufspüren konnte, der weniger Bewunderung verdiente als das übrige, so mochte sie vielleicht meinen, die Stirn hätte ohne Nachteil des Ganzen ein wenig höher sein können. Ihre Augbrauen waren voll, eben und so gewölbt, daß keine Kunst vermögend war, sie nachzuahmen. Ihre schwarzen Augen hatten einen strahlenden Glanz, den alle ihre Sanftmut nicht auszulöschen vermochte. Ihre Nase war durchaus regelmäßig, und ihr Mund, welcher zwei Reihen Elfenbeins enthielt, entsprach pünktlich der Beschreibung des Dichters Suckling in folgenden Zeilen:

      »Her Lips were red, and one was thin,

      Compar'd to that was next her Chin.

      Some Bee had stung it newly.«

      Ihre Lippen war'n rot, und eine war dünn,

      Verglichen mit der zunächst ihrem Kinn.

      Ein Bienlein hatte sie neulich gestochen.

      Ihre Wangen waren von der ovalen Art, und in der rechten hatte sie ein Grübchen, welches sich beim kleinsten Lächeln zeigte. Ihr Kinn hatte gewiß seinen Anteil an Ausbildung der Schönheit ihres Gesichts; es war aber schwer zu sagen, ob es schmal oder breit sei, vielleicht war es ein wenig mehr das letzte. Ihre Gesichtsfarbe ähnelte mehr der Lilie als der Rose; wenn aber körperliche Bewegung oder Schamhaftigkeit ihre natürliche Farbe erhöhte, so kam ihr das schönste Karmin nicht bei. Dann war man geneigt mit dem Dr. Donne auszurufen:

      »– Her pure and eloquent Blood

      Spoke in her Cheeks, and so distincty wrought,

      That one might almost say her Body thought.«

      – Ihr reines und beredsam Blut

      Sprach auf den Wangen; sprach so hell, so gut,

      Daß man fast gern gesagt, ihr Körper denke.

      Ihr Hals war lang und stand auf einem höchst feinen Gewölbe; und hier, wenn ich nicht besorgte, ihre Delikatesse zu beleidigen, möchte ich mit Grund der Wahrheit sagen, wären die höchsten Schönheiten der Mediceischen Venus übertroffen worden. Hier war eine Weiße, mit der sich weder Lilien, noch Elfenbein, noch Alabaster messen konnten. Den feinst gebleichten Musselin konnte man beschuldigen, er bedecke aus Neid einen Busen, weil er weißer als er selbst. Er war wirklich:

      »Nitor splendens Pario marmore purius.«

      Reinern Glanzes als der hellest polierte Marmor von Paros.

      So war Sophiens Aeußeres beschaffen. Auch ward dieser schöne Bau von keinem unwürdigen Bewohner erniedrigt. Ihre Seele war in allem Betracht dem Körper gleich; ja der letztere entlieh noch Reize von der erstern, denn wenn sie lächelte, goß die sanfte Güte ihres Herzens jenen strahlenden Schimmer über ihr Antlitz, den keine Regelmäßigkeit den Gesichtszügen zu geben im stande ist. Jedoch, da sie keine Tugendvollkommenheit besitzt, welche sich nicht in der vertrautesten Bekanntschaft, in die wir unsern Leser mit diesem liebenswürdigen jungen Geschöpfe zu bringen willens sind, von selbst entdecken werden, so ist es überflüssig solche hier aufzuzählen. Ja, es wäre sogar eine Art von Mißtrauen in den Verstand des Lesers und würde ihn des Vergnügens berauben, welches er dabei empfinden wird, wenn er sein eigenes Urteil über ihren Charakter fällt.

      Es mag indessen nicht undienlich sein zu sagen: daß ihre Geistesgaben, so viele sie deren auch von der Natur empfangen hatte, doch einigermaßen durch die Kunst weiter ausgebildet waren; denn sie war unter