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Ryan
In dem Moment, in dem ich die Polizistin gesehen habe, habe ich beschlossen, dass ich mir einen Spaß daraus machen werde, dass sie so unsicher ist. Und das sie unsicher ist, hat man auf den ersten Blick erkannt. Schon alleine aus dem Grund, weil sie nicht wusste, wie sie sich verhalten soll, als sie wiederum auf mich aufmerksam geworden ist.
Mit großen Augen hat sie mich überrascht angesehen, während sie von ihren Kollegen dazu gedrängt wurde, in eine Rolle zu schlüpfen, die ihr anscheinend nicht gefällt. Zumindest hat mir das ihr Gesichtsausdruck gesagt.
Während ihres Vortrags hat sie ihren Blick nicht von mir abgewendet. Ich konnte erkennen, dass sie eine Weile gebraucht hat, bis sie verarbeitet hat, dass ich wirklich hier sitze.
Und genauso habe ich gemerkt, dass ihr nicht Wohl dabei war, das Wort zu übernehmen. Und ja, ich habe es nicht besser gemacht, da ich sie schief angegrinst habe. Mehrmals habe ich gemerkt, dass sie kurz davor stand, den Faden zu verlieren. Doch mir gefällt es, dass ich sie so leicht aus der Ruhe bringen kann.
Doch je mehr sie erzählt, umso größer wird meine Wut. Und je mehr von ihr kommt, umso mehr spüre ich die Wut, die von ihr ausgeht. Doch Kimberley ist auch genervt, was ich aber verstehen kann.
Sie ist nicht glücklich darüber, dass sie nach den letzten Wochen und Monaten noch keinen Schritt weiter sind und sie sich nun sogar Hilfe von außerhalb holen mussten. Wenn man es genau nimmt, stehen sie trotz intensiver Arbeit am Anfang. Ich kann nachvollziehen, dass sie nicht begeistert davon ist. Auch wir hatten schon mit harten Fällen zu tun, daher weiß ich, dass es irgendwann nur noch frustrierend ist.
Das erkenne ich genau an ihrem Gesichtsausdruck und den angespannten Muskeln.
Der Unterschied besteht allerdings darin, dass wir es auch so schaffen.
Diesen Gedanken behalte ich allerdings für mich. Vor allem auch deswegen, weil uns noch andere Möglichkeiten zur Verfügung stehen.
Jeden Tag sterben unzählige Menschen an diesem Zeug. Schwangere Frauen nehmen es und machen so schon ihre ungeborenen Kinder abhängig. Mütter und Väter sterben an einer Überdosis und lassen ihre Kinder alleine und schutzlos zurück. Obwohl ich sagen muss, dass sie bei ihren Eltern in diesem Fall wahrscheinlich auch nicht sehr viel Schutz genossen haben. Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass sie noch in der Lage waren, ihre Kinder zu verteidigen.
Männer, die eh schon als gewalttätig eingestuft werden sollten, gehen auf ihre Frauen und Kinder los, bringen sie unter Umständen sogar um. All das nehmen die Menschen in Kauf, die nur Dollarzeichen in den Augen haben.
Sie weisen die Schuld von sich und erkennen nicht, dass sie genauso schuldig sind wie die Täter. Und das nur aus Profitgier.
„Für mich hört sich das an, als würde es einen Spitzel geben“, erklärt Sean und sieht jeden der Polizisten nacheinander an, nachdem sie geendet hat. Und mit dieser Feststellung spricht er auch den ersten Gedanken aus, der mir im Kopf herumgegangen ist.
Plötzlich ist es still im Raum. Keiner sagt etwas oder bewegt sich. Es dauert eine Ewigkeit, bis einige Sekunden vergangen sind. Auch wenn ich nicht glücklich darüber bin, müssen wir uns vor Augen halten, dass es durchaus so sein könnte.
Ich lasse sie ebenfalls nicht aus den Augen. Daher erkenne ich, dass jeder von ihnen große Augen bekommt. Ein wenig macht es den Anschein auf mich, als hätten sie vorher noch nicht darüber nachgedacht. Und ich muss sagen, dass ich das von Polizisten sehr naiv finde. Wenn Einsätze gegen die gleiche Organisation immer wieder schiefgehen, drängt sich dieser Gedanke einem schließlich auf. Er sollte mit als einer der ersten Vermutungen ausgesprochen werden.
Oder sie haben ein Problem damit, dass Sean diesen Verdacht einfach ausspricht und dabei nicht den Anschein macht, als würde es ihm leidtun.
Allerdings kenne ich meinen Kollegen lange genug, um zu wissen, dass es ihm wirklich nicht leid tut. Dafür hat er aber auch keinen Grund. Schließlich ist es sein Job.
Als ich einen Blick auf Kimberley werfe, erkenne ich, dass sie keine Ahnung hat, wie sie auf diesen Gedankengang reagieren soll. Ihr Blick huscht immer wieder zu mir, als würde sie sich von mir Hilfe erhoffen. Allerdings habe ich keine Ahnung, wie ich ihr helfen kann. Niemand kennt ihr Team besser, als sie selber.
Ganz davon abgesehen gefällt mir das selber nicht. Wir hatten es erst vor nicht allzu langer Zeit mit zwei Maulwürfen zu tun. Da würde ich gerne noch ein wenig Abstand von diesem Thema haben.
Da es aber immer wieder nicht funktioniert hat, ist diese Schlossfolgerung am naheliegendsten. So, wie es sich angehört hat, sind alle Personen, die an diesem Fall arbeiten, hier versammelt. Daher ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass der Maulwurf auch hier steht.
Falls es einen gibt.
Langsam schiebe ich meinen Stuhl ein Stück nach hinten und stehe auf. Dabei lasse ich keinen von ihnen aus den Augen. Meinem geübten Blick entgeht gerade nichts.
Nachdem ich mich zu meiner vollen Größe aufgerichtet habe, setze ich mich langsam in Bewegung. Auch ihre Blicke kleben an mir fest. Mir ist bewusst, dass sie mich und mein Verhalten gerade nicht einschätzen können. Wenn man sich vor Augen hält, dass ich erfahrene Polizisten vor mir stehen habe, finde ich ihr Verhalten schon ein wenig lustig. Schließlich sind sie bestimmt nicht in dieser Gruppe gelandet, weil sie einfach nur gut aussehen.
Doch genau das ist es, worauf ich es angelegt habe. Sie sollen verunsichert sein, da sie so eher einen Fehler machen. Mir ist bewusst, dass sie Wahrscheinlichkeit dafür sehr gering ist, schließlich sind es alles Cops. Dennoch will ich diesen Versuch unternehmen.
Beinahe in Zeitlupe gehe ich an ihnen vorbei. Jeden einzelnen sehe ich genau an. Ich wurde dazu ausgebildet, mich in Menschen hineinzuversetzen und ihnen ihre Lügen anzusehen. Man kann mich auch als einen menschlichen Lügendetektor bezeichnen.
Auf den ersten Blick erkenne ich, dass sie nicht wissen, wie sie sich verhalten sollen. Zumindest ist das bei den meisten der Fall. Je länger die Stille im Raum anhält, umso nervöser werden sie. Sie sind nicht hergekommen, um sich verdächtigen zu lassen, daher wissen sie jetzt auch nicht, was sie machen sollen. Keiner von ihnen war darauf vorbereitet, dass dieser Verdacht ausgesprochen wird.
Mein Verstand sagt mir sogar, dass einige von ihnen wahrscheinlich sogar selber noch keinen Gedanken daran verschwendet haben. Den anderen scheint es jedoch egal zu sein.
Schließlich bleibe ich vor Kimberley stehen, die die Letzte in der Reihe ist. Ich befinde mich so dicht vor ihr, dass sie ihren Kopf ein wenig in den Nacken legen muss, um mich ansehen zu können. Sie ist die Einzige, von der ich mit Gewissheit sagen kann, dass sie es nicht ist.
Sie sieht mich aus einem anderen Grund unsicher an.
Kurz betrachte ich sie, dann grinse ich sie schief an. Kimberley will es endlich hinter sich bringen und diese Männer schnappen. Das zeigt mir ihre Körperhaltung und die Art und Weise, wie sie vorhin gesprochen hat.
Es dauert einen Moment, doch schließlich macht sie einen Schritt nach hinten und bringt so ein wenig Abstand zwischen uns, sodass ich ein leises Lachen nicht für mich behalten kann. Mir ist bewusst, dass wir von ihren und meinen Kollegen umgeben sind. Und genauso bin ich mir darüber bewusst, dass sie uns beobachten. Doch das ist kein Grund für mich, sie ziehen zu lassen.
„Gut, dann werden wir das Problem mal angehen. Dieses Dreckszeug gehört von der Straße. Je eher, desto besser“, verkünde ich schließlich.
Für den Maulwurf lasse ich es so klingen, als wäre dieses Thema vom Tisch. Allerdings ist es das nicht. Ich will ihn nur in Sicherheit wiegen.
Meine Stimme ist nicht mehr als ein Knurren. Auf diese Weise gebe ich jedem zu verstehen, dass ich wütend bin und man sich mit mir gerade am besten nicht anlegen sollte.
Einen Augenblick sieht Kimberley mich