„Ich bin schon lange der Meinung, dass wir alle enger zusammenarbeiten sollten. So haben wir eine bessere Chance, um manche Leute zu schnappen, die dringend geschnappt werden müssen. Dennoch war ich ein wenig überrascht über den Anruf, da ich nicht damit gerechnet habe. Doch ich habe ein Team hier, welches gerade keine Einsätze hat und Ihnen sicherlich gerne hilft. Ich kann Ihnen garantieren, dass die Jungs genau wissen, was sie machen. Es gibt niemanden, der sich vor ihnen verstecken kann. Ich habe ein wenig über diesen Fall in den Nachrichten verfolgt. Daher bin ich mir sicher, dass es genau das ist, was Sie jetzt brauchen.“
Der Mann sieht jeden von uns nacheinander an und lächelt freundlich.
„Kommen Sie“, fordert er uns auf und dreht sich herum.
Nacheinander folgen wir ihm in das Innere des Hauses und durch einen Flur, auf dem uns ein paar Soldaten entgegenkommen, die uns ebenfalls grüßen. Dabei stelle ich fest, dass es von außen definitiv nicht so groß aussieht. Es dauert ein wenig, bis wir schließlich in einem riesigen Besprechungszimmer stehen, welcher sich auf der anderen Seite des Hauses befindet.
Nachdem wir ihn betreten haben, erkenne ich, dass sechs Männer schon an dem riesigen Tisch sitzen und uns neugierig ansehen. Doch nur einer ist es, der meine Aufmerksamkeit auf sich zieht.
Um genau zu sein ist es der Mann, der mir seit gestern nicht mehr aus dem Kopf geht.
Im ersten Moment habe ich keine Ahnung, wie ich darauf reagieren soll, dass er sich hier befindet. Seit unserer Ankunft habe ich immer wieder nach ihm Ausschau gehalten. Doch ich habe nicht gedacht, dass er in dem Team ist, mit dem wir zusammenarbeiten werden. Und ehrlich gesagt weiß ich auch nicht, was ich davon halten soll.
Mit großen Augen sieht er mich ebenfalls für einige Sekunden überrascht an, während wir alle gegenseitig uns vorgestellt werden.
Aber wenigstens kenne ich jetzt seinen Namen.
Ich bin mir sicher, dass er im ersten Moment nicht weiß, wie er darauf reagieren soll, dass ich hier stehe. Das sagt mir mein Gefühl und sein Gesichtsausdruck.
Aber da sind wir eindeutig schon zu zweit.
Bevor ich mich jedoch wieder fangen kann, bildet sich ein sexy Grinsen auf seinen Lippen, welches dafür sorgt, dass mein Herz schneller schlägt. Mein Mund ist plötzlich trocken und mein Kopf wie leer gefegt.
Für einige Sekunden bin ich nicht mehr in der Lage etwas zu sagen, oder mich zu bewegen.
Die gleiche Reaktion hat er mir gestern schon entlockt. Und da habe ich mir vorgenommen, dass es mir kein zweites Mal passieren wird. Egal bei wem. Doch auch jetzt er nur wenige Sekunden gebraucht, um mich vom Gegenteil zu überzeugen.
Ich habe keine Ahnung, wieso er mich so gut im Griff hat. Doch mir ist klar, dass dies nicht der richtige Ort und auch nicht der richtige Zeitpunkt ist, um die Kontrolle zu verlieren.
Beinahe verzweifelt versuche ich mir in Erinnerung zu rufen, wo wir sind und wer sich um uns herum befindet. Dabei ist mir bewusst, dass mich gerade wahrscheinlich alle beobachten. Das ändert aber nichts daran, dass ich es nicht ändern kann.
Es dauert eindeutig zu lange, bis ich mich wenigstens so weit wieder beherrschen kann, dass ich mir nicht selber wie eine Idiotin vorkomme. Das ist mir bewusst, doch ich bin froh darüber, dass ich es irgendwann überhaupt wieder habe.
„Das sind die Kollegen vom siebten Revier“, verkündet der Colonel und zeigt auf meine Kollegen und mich. „Ich bin ja noch nicht so lange hier, aber wenn ich das richtig in Erfahrung gebracht habe, gab es hier noch keine Zusammenarbeit zwischen Seals und der Polizei. Man kann also sagen, dass es eine Premiere ist. Daher hoffe ich, dass es gut funktionieren wird.“
Bei seinen Worten frage ich mich automatisch, wie lange er erst an diesem Stützpunkt ist. Außerdem frage ich mich, was mit demjenigen passiert ist, der vor ihm diesen Job hatte. Doch genauso schnell stelle ich dieses Thema wieder nach hinten, da es gerade unwichtig ist. Obwohl ich zugeben muss, dass es eine schöne Abwechslung ist, da ich mich dann wenigstens einmal nicht mit dem Grund dafür befassen muss, wegen dem wir hier sind.
„Es geht um die internationale Drogenbande, von der man immer wieder hört. Ich bin mir sicher, dass ihr davon in den Nachrichten etwas mitbekommen habt.“
„Wie könnten wir nicht? Es wird ja groß ausgebreitet, was in den letzten Wochen alles geschehen beziehungsweise nicht geschehen ist.“
Der Mann, der neben Ryan sitzt, sieht erst seinen Vorgesetzten an, ehe er sich auf uns konzentriert.
Sein Blick ist beinahe ausdruckslos, sodass ich nicht genau weiß, was in seinem Kopf vor sich geht. Allerdings verzieht er das Gesicht, als würde er bereits darüber nachdenken, wie sie die Hintermänner am besten ergreifen können.
Auf jeden Fall hoffe ich, dass er sich darüber den Kopf zerbricht. Denn ich gebe zu, dass ich es langsam nicht mehr weiß, was ich machen soll. Und wenn ich die Blicke meiner Kollegen richtig deute, geht es ihnen auch so.
Das ist auch der Grund dafür, wieso wir hier sind.
„Kimberley wird Sie nun auf den neusten Stand bringen“, verkündet mein Chef und bedeutet mir, dass ich einen Schritt nach vorne machen soll.
Ein letztes Mal atme ich tief durch, ehe ich mich neben ihn stelle. Dabei kann ich jedoch nicht für mich behalten, dass ich nervös bin.
Ich hasse es, Vorträge halten zu müssen. Und wenn man es genau nimmt, ist es das. Schon in der Schule wollte ich mich am liebsten jedes Mal davor drücken und habe es so oft es nur ging, den anderen überlassen, Referate vorzutragen. Und auch jetzt ist genau das wieder der Fall.
Mir ist allerdings klar, dass keiner meiner Kollegen das übernehmen wird. Und genauso schlagartig wird mir klar, wieso sie wollten, dass ich das übernehme. Ihnen ging es nicht darum, dass ich zu denen gehöre, die am längsten daran sitze und nach ihrer Meinung am meisten darüber weiß. Auf jeden Fall nicht allen. Bei Amelie und Damian kann ich mit Gewissheit sagen, dass sie wollten, dass ich mich blamiere. Schließlich ist es kein Geheimnis, dass ich das nicht gerne mache.
Als ich nun Amelies Blick begegne, erkenne ich das herausfordernde Glitzern darin. Um ihr zu signalisieren, dass mir durchaus klar ist, was sie vorhat, ziehe ich meine Augenbrauen ein Stück nach oben, bevor ich mich auf die Männer konzentriere.
„Wir sind einem internationalen Drogenring auf der Spur. Dieser kommt aus Mexiko, Kuba und dem Nahen Osten. Ein paar Mal hatten wir nun schon die Chance, sie zu schnappen. Allerdings konnten sie sich kurz vorher jedes Mal wieder ins Ausland absetzen“, erkläre ich den Männern souverän und lasse mir dabei nichts anmerken. „Vor drei Wochen haben wir nur noch das bereits startende Flugzeug gesehen und hatten keine Chance mehr, noch einzugreifen. Man kann behaupten, dass es das einzige Mal war, dass wir uns ihnen bis auf wenige Meter nähern konnten. So nah waren wir ihnen bis jetzt noch nie gekommen.“
Ich kann nicht für mich behalten, dass ich nicht sehr froh darüber bin. Allerdings bin ich der Meinung, dass es den meisten so geht. Schließlich haben wir schon viel Zeit in diese Ermittlungen investiert und sind noch keinen Schritt weiter.
Zumindest keinen großen.
Während ich von unseren Fehlschlägen berichte, versuche ich so sachlich wie möglich zu klingen. Dies gelingt mir allerdings nicht so gut, wie ich es gerne hätte. Und das vor allem aus dem Grund, weil Ryan mich keine Sekunde aus den Augen lässt.
Dieser Mann hat eine Wirkung auf mich, die es mir schwermacht, mich auf meine Arbeit zu konzentrieren. Ich kann mich ihm nicht entziehen, egal wie sehr ich es versuche. Ich muss aber auch zugeben, dass ich gerade nicht die nötige Kraft dazu habe.
Bereits jetzt kann ich erahnen, dass die nächste Zeit nicht leicht für mich werden wird. Dennoch werde ich versuchen, es so professionell wie möglich zu halten. Auch wenn mein Gefühl mir sagt, dass es nur ein Versuch bleiben wird. Eine leise Stimme in meinem Kopf flüstert nämlich, dass er es mir nicht leicht machen wird.
Woher