„Praise the Lord“, sagt Ariana.
„Ja, ich weiß, das gibt es in fast jeder Religion. Aber zu wissen, wo genau man stirbt ist doch erleichternd, findest du nicht?“
„Von welcher Zeitspanne reden wir hier? Der terminale Krebskranke in seinem Hospizbett weiß auch genau, wo er sterben wird.“
Da ist wieder Adrianas Überheblichkeit, die mir heute kolossal auf die Nerven geht.
„Glaubst du, dass Diego irgendwie von seinem Tod träumt?“, frage ich.
„Wenn ich mir seine kaputte Gestalt anschaue, sein verwüstetes und dreckiges Gesicht, dann glaube ich allerdings, dass er täglich seinen Todestraum auslebt. Außerdem ist der Rabe deiner Erzählung wirklich nichts Besonderes. Er ist in vielen Kulturen ein mythologischer Vogel, ein Bote aus dem Jenseits, ein Zukunftsflüsterer, ein Gestaltenwandler, Hugin und Munin, bla, bla.“
Adriana zerkaut die Reste eines Eiswürfels und grinst dabei:
„Ich stelle mir gerade vor, wie so ein schwarzer Rabe auf Diegos Schulter hockt und ihm tiefsinnige Orakel einflüstert, die dieser in seinem Suffkopf natürlich gar nicht verstehen kann. Na ja, anderseits sind Orakel auch nicht dazu da, verstanden zu werden.“
„Ich gehe jetzt ins Bett“, sage ich, stehe auf und lasse sie dort einfach sitzen, bevor sie noch etwas sagen kann.
„Gute Nacht.“
Ich liege wach.
An manchen Tagen ist Claudia mir fern. Sie ist weit weg, eine schemenhafte Figur auf der Reling eines auslaufenden Schiffes. Sie entzieht sich.
Dann aber ist sie plötzlich wieder hier, bei mir. Es handelt sich hierbei natürlich nicht um eine körperliche Präsenz, das wäre bedenklich. Nein, sie ist so etwas wie ein übergeordneter Bereich meiner Gedankenwelt. Eine Einflüsterin. Und mit ihr kommt diese Dunkelheit auf, der ich wahrscheinlich nie entkommen werde oder auch entkommen will. Es ist eine samtene, traurige Dunkelheit in einer Tiefe, die nur mir zugänglich ist. Ich denke da vielleicht gar nicht mehr an sie, sondern mit ihr. Öfter glaube ich, durch ihre Augen zu sehen, und die Welt, die ich dann betrachte, gehört eher ihr als mir.
An anderen Tagen gehe ich einfach zurück in die Zeit mit ihr.
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