Flug in den Weltraum. Dominik Hans. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dominik Hans
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754175743
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      »Ich sage ein halbes Kilo!« beharrte Jones bei seiner ersten Schätzung.

      »Vollständig ausgeschlossen, Robert!« Während Watson es sagte, legte er den Metallbrocken aus der linken in die rechte Hand und machte im nächsten Augenblick ein so verdutztes Gesicht, daß Jones laut auflachte.

      »Lach nicht!« fuhr Watson ihn an, während er den Brocken zwischen seinen beiden Händen hin und her wechseln ließ. »Da! Überzeuge dich bitte selbst!« Er legte Jones das Stück in die Hand. »Bitte! Wie schwer schätzt du es?«

      »For heaven's sake! Da soll doch . . .« Die Reihe zu staunen war jetzt an Jones. »Das Ding ist plötzlich viel leichter geworden! Wie ist das möglich?«

      »Einen Augenblick, my dear!« Watson griff wieder zu, drehte das Metallstück um und legte es mit der anderen Seite nach unten in die Hand von Jones zurück.

      »Ja, was ist das?« wunderte sich der. »Kannst du zaubern, Henry? Jetzt ist das Stück wieder so schwer wie zuerst.«

      »Kein Zauber, nur ein wenig Beobachtung. Wenn das Stück mit dieser Seite nach unten liegt, dann mag es ungefähr ein halbes Kilo wiegen. Wenn die andere nach unten kommt . . .«, er drehte das Stück in der Hand von Jones wieder um, »dann wiegt es eben nur noch 100 Gramm.«

      Jones ließ den Brocken fallen und faßte sich an den Kopf. »Das geht über meinen Verstand«, begann er zögernd, »ein Stoff, der sich der Schwerkraft gegenüber verschieden verhält, je nachdem, ob er die eine oder die andere Seite nach unten kehrt . . . das gibt's doch auf unserer alten Erde nicht.«

      »Doch gibt es das, Robert. Da liegt es ja groß und breit vor dir und läßt sich nicht wegleugnen.«

      »Nein und nochmals nein!« verteidigte Jones seine Meinung. »Das ist kein irdischer Stoff, Henry! Wer weiß, aus welchen Himmelsfernen er zu uns gekommen ist.«

      »Keine voreiligen Hypothesen!« unterbrach ihn Watson. »Ich denke, wir sind zwei ernsthafte Wissenschaftler. Als solche wollen wir systematisch vorgehen und exakt festlegen, was wir gemeinsam beobachtet haben.«

      Schon während der letzten Worte hatte er sein Notizbuch gezogen und begann zu schreiben. Ein reguläres Protokoll wurde es, was ihm Zeile für Zeile aus der Feder floß. Nüchtern und klar enthielt es kein Wort zuviel, aber auch keins zuwenig. Er setzte seinen Namen unter das Geschriebene und bat Jones, ebenfalls zu unterzeichnen.

      »So!« sagte er, während er das Notizbuch wieder einsteckte, »das werden wir morgen O'Neils zeigen; mag er sehen, ob er aus der Sache klug wird.« Dann langte er nach dem Brocken, wickelte ihn in eine Seite seiner Zeitung und schob ihn in die Rocktasche. Er war damit beschäftigt, die Scherben des zerschlagenen Porzellans aufzuheben, als Jones ein paarmal tief und schwer seufzte. »Was fehlt dir, Robert? Ist dir das Dinner nicht bekommen?« fragte ihn Watson.

      Jones schüttelte den Kopf. »Das ist's nicht, Henry. Der verteufelte Brocken, den uns das Schicksal in unser Picknick geschleudert hat, macht mir Sorge. Viel Arbeit wird er uns bringen . . . Überstunden, zahllose Versuche, und der Himmel mag wissen, was sonst noch alles.«

      »Kann dir nichts schaden, Robert. Fängst sowieso an, etwas bequem zu werden. Arbeit erhält frisch und jung«, versuchte Watson zu scherzen, während ihm zum Bewußtsein kam, daß auch seine Gedanken unablässig um diesen mysteriösen Brocken kreisten.

      Die Sonne stand schon tief im Westen, als Robert Jones und Henry Watson entlang dem Potomac River, der wie flüssiges Gold in der Abendsonne dahinfloß, die Heimfahrt antraten.

       * * *

      »Die Asche brennt nicht, Doktor.« Gesprochen wurden diese Worte um die Mittagsstunde des gleichen Tages, in dessen weiterem Verlauf Watson und Jones in den Riverside-Park fuhren. Im Kasino des Forschungsinstitutes zu Gorla, wo nach dem Mittagsmahl noch fünf Personen an einem runden Tisch bei Kaffee und Tabak zusammensaßen, sagte sie Chefingenieur Grabbe zu Dr. Thiessen, dessen Bemühungen, seine Zigarre wieder in Brand zu setzen, vergeblich blieben, weil er es versäumt hatte, den Aschenkegel abzustreifen.

      »Dank für die gütige Belehrung, Herr Kollege«, quittierte Dr. Thiessen die ironische Bemerkung des Chefingenieurs.

      Ein kaum merkliches Lächeln glitt über die Züge des Physikers Yatahira, der ebenso wie der neben ihm sitzende Saraku von Tokio nach Gorla gekommen war, um hier im Institut die letzten Ergebnisse der Kernphysik an der Quelle zu studieren. Einen kurzen Moment trafen sich die Blicke der beiden Japaner.

      »Sie sagen, daß die Asche nicht brennt?« wandte sich jetzt der fünfte am Tisch, Professor Lüdinghausen, an den Chefingenieur.

      »Ich war so frei, es zu behaupten, Herr Professor.«

      Lüdinghausen schob ihm die Streichhölzer und die Zuckerdose hin. »Würden Sie die Güte haben, ein Stück Zucker anzuzünden.«

      Mit drei oder vier Streichhölzern versuchte Grabbe es vergebens, dann meinte er resigniert: »Wenn Sie es fertigbringen, können Sie mehr als ich.«

      Professor Lüdinghausen nahm einen anderen Zuckerwürfel aus der Dose, verrieb eine winzige Menge Zigarrenasche auf seiner Fläche, brachte die Flamme eines Streichholzes heran, und der Zucker fing Feuer. Er stellte den Würfel auf einen Teller vor sich hin, und mit einer schwach bläulichen Flamme brannte er wie eine Kerze weiter.

      Verwundert sah sich der Chefingenieur das Schauspiel ein Weilchen an, dann sagte er: »Wie kommt das zustande?«

      »Asche, Herr Grabbe. Die Spur Asche, die ich auf den Zucker rieb, vermittelt die Verbrennung.«

      Seine Worte gaben das Signal zu einer Diskussion, an der sich alle Anwesenden beteiligten.

      Als eine Art Dochtwirkung des feinen Aschenstaubes versuchte Yatahira den Vorgang darzustellen, von einer Katalysatorwirkung sprach Dr. Thiessen, und noch andere Erklärungen brachten die anderen vor, ohne zu einer Einigung zu kommen.

      »Beenden wir den müßigen Streit«, meinte Lüdinghausen schließlich, »ich zeigte Ihnen das Experiment, weil es gewissermaßen im kleinen ein Abbild unserer Arbeiten im Labor darstellt . . .«

      »Oho! Wieso? . . .« Von allen Seiten her kamen die Zwischenrufe und Fragen.

      »Sehr einfach, meine Herren«, fuhr Lüdinghausen fort. »Hier haben wir den Zucker, der an und für sich durchaus brennbar ist, uns aber, wie Sie gesehen haben, den Gefallen nicht tut, auf ein einfaches Streichholz zu reagieren. Im Labor haben wir ein Material, das auch nicht so will, wie wir gern möchten. Hier bei dem Zucker haben ein paar Stäubchen Asche genügt, um die Geschichte in Gang zu bringen, obwohl ja, wie Kollege Grabbe sehr richtig bemerkte, die Asche selbst nicht brennt. Im Labor wollen wir unserem Stoff ein wenig von einer an sich harmlosen Substanz zufügen, um dadurch den gewünschten Prozeß zu beschleunigen . . .«

      Wieder mußte Professor Lüdinghausen seine Rede unterbrechen und seinen Zuhörern Zeit geben, ihre eigenen Meinungen zum Ausdruck zu bringen. Erst dann konnte er fortfahren.

      »Bis jetzt«, sagte er, während er auf das noch immer mit ruhiger Flamme weiterbrennende Stückchen Zucker wies, »habe ich von der Ähnlichkeit der beiden Vorgänge gesprochen; jetzt will ich von der Unähnlichkeit reden. Mit Zucker und Asche können Sie kein Malheur anrichten, ganz gleich, in welchen Verhältnissen Sie die beiden Stoffe mischen. Bei unseren Versuchen im Labor aber ist das ganz anders, da müssen wir den Zusatz mit größter Vorsicht dosieren und nur ganz behutsam Schritt für Schritt weitergehen, wenn wir nicht riskieren wollen, daß uns die ganze Bude in die Luft fliegt. Ja, meine Herren«, schob Professor Lüdinghausen die Einwendungen seiner Tischgenossen beiseite, »es lag mir daran, Ihnen das noch einmal nachdrücklich ans Herz zu legen. Halten Sie sich auf das genaueste an die Vorschriften. Legen Sie das Ergebnis jedes neuen Versuches sorgfältig in einem Protokoll fest. Verstärken Sie die Zusatzmengen von Versuch zu Versuch höchstens nach Milligrammen. Nur dann haben wir Aussicht, von unangenehmen Überraschungen verschont zu bleiben.« So nachdrücklich und mit solchem Ernst hatte Lüdinghausen die letzten Worte gesprochen,