Lady Hamilton. Alexandre Dumas. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alexandre Dumas
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754175682
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Worte drangen mir ins Herz wie ein glühendes Eisen. Ich raffte mich auf und ging durch Deanstreet nach dem Strand hinunter.

      Kaum hatte ich einige Schritte zurückgelegt, so sah ich mich Mr. Plowdens Kaufladen gegenüber, in welchem ich, wie man sich erinnert, einen Monat als Ladenmamsell fungiert. Das Leben war hier für mich weder glücklich noch glänzend, wenigstens aber ruhig gewesen. An der Stelle, wo ich während jenes Monats gesessen, sah jetzt ein anderes junges Mädchen von meinem Alter. An ihren sanften, zufriedenen Zügen sah man mit leichter Mühe, daß sie dadurch, daß sie Mr. Plowdens Ladenmamsell geworden, das Ziel ihrer Wünsche und ihres Ehrgeizes völlig oder doch beinahe erreicht hatte. Die rauhen Worte des Polizeiers waren mir noch zu frisch in der Erinnerung, als daß ich vor Mr. Plowdens Laden ebenso stehengeblieben wäre, wie ich vor Miß Arabellas Hotel stehen geblieben war.

      Ich ging den Strand hinauf bis King Williamstreet und dann diese entlang nach Leicester Square.

      Gerade, als ob ich Stufe um Stufe die Leiter meiner Erinnerungen hinaufsteigen sollte, fand ich hier jenes kleine Haus Mr. Hawardens wieder, wo ich bei meiner ersten Ankunft in London so wohlwollende und gastfreie Aufnahme gefunden. Vom Strand an war ich im Regen gegangen, welcher jetzt immer heftiger zu fallen begann. Meine Abgestumpftheit hatte jedoch einen solchen Grad erreicht, daß ich nicht bemerkte, wie ich bis auf die Haut durchnäßt war. Das kleine Haus hatte immer noch seinen soliden puritanischen Anstrich. Ich setzte mich auf die Stufen einer Art ambulanten Theaters, welches auf der Mitte des Platzes aufgeschlagen war.

      Vor mir hatte ich die Tür von Mr. Hawardens Haus. Über zwei Stunden blieb ich so im Regen sitzen und fühlte, wie sich allmählich in mir der Hunger zu regen begann. Dennoch war ich zu stolz, um in diesem gastlichen Haus ein Stück Brod zu erbetteln. Unglücklicherweise waren zwei der Hilfsquellen, auf welche ich in der bedrängten Lage, in der ich mich befand, hätte rechnen können, mir gegenwärtig verschlossen. Mr. Sheridan, dessen Namen ich so oft genannt, war durch den Brand des Drury-Lane-Theaters, dessen Direktor er war, und wo ich ein Unterkommen hätte finden können, in die Unmöglichkeit versetzt, mir nützlich zu sein. Was Romney betraf, so hatte dieser mir niemals seine Adresse gegeben. Ich glaubte mich bloß zu entsinnen, daß er in der Nähe von Cavendish-Square oder in Cavendish-Square selbst wohnte. Diese Erinnerung war jedoch zu unbestimmt, als daß ich auf dieselbe hin sein Haus aufzusuchen vermocht hätte.

      Ich bedurfte aber rascher und wirksamer Hilfe. Ich hatte Hunger, ich wußte nicht, wo ich etwas zu essen hernehmen, die Nacht brach ein und ich wußte nicht, wo ich ein Nachtlager finden sollte. Ich hob die Augen gen Himmel, um den Zorn desselben durch einen flehenden Blick zu entwaffnen zu suchen.

      In diesem Augenblick fuhr ein Wagen wenige Schritte von der Stelle entfernt vorüber, wo ich saß. Er machte Halt, der Schlag öffnete sich. Eine Frau von vierzig bis fünfundvierzig Jahren in einem prachtvollen indischen Kaschemirshawl stieg aus und kam, trotz des auf mich und auf sie herabrieselnden Regens auf mich zu. In den Zügen dieser Frau lag ein Gemisch von Zynismus und Gemeinheit, welches mit ihrer eleganten Toilette in offenem Widerspruch stand. Da ich nicht glauben konnte, daß sie mit mir sprechen wollte, so ließ ich meine Stirn wieder auf meine beiden Hände herabsinken. Sie berührte mich an der Schulter. Ich richtete den Kopf wieder empor. Die Frau stand vor mir. Sie heftete einen frechen Blick auf mich und murmelte ziemlich laut: »Meiner Treu, sie ist hübsch; sie ist sehr hübsch!« Erstaunt sah ich sie an. Was wollte diese Frau von mir? »Warum bleiben Sie hier im Regen sitzen?« fragte sie mich. – »Weil ich nicht weiß, wo ich hin soll,« antwortete ich. – »Na,« sagte sie, »wenn man ein so hübsches Gesicht hat, wie Sie, so kommt man nicht so leicht in Verlegenheit, ein Nachtlager zu finden.« – »Aber dennoch befinde ich mich in dieser Verlegenheit, wie Sie sehen.« – »Warum sind Sie so bleich?« – »Weil mich friert und hungert.«

      – »Sie sind doch nicht krank?« – »Nein, aber ich werde es wohl werden, wenn ich die Nacht auf der Straße zubringen muß.«

      – »Wer zwingt Sie denn, die Nacht auf der Straße zuzubringen?«

      – »Habe ich Ihnen nicht schon gesagt, daß ich nicht weiß, wo ich hin soll?« – »Kommen Sie mit mir.« – Ich sah sie wieder an. – »Wer sind Sie?« fragte ich sie. – »Ich bin jemand, der Ihnen bietet, was Sie nicht haben, – Nahrung, Wohnung, Kleider, Geld.« – »Und was verlangen Sie dafür?« – »Das wird man Ihnen später sagen. Jetzt machen Sie schnell. An Zeit fehlt es mir allerdings nicht, wohl aber ruiniere ich meinen Shawl und meinen Hut, wenn ich noch länger hier mit Ihnen plaudere.«

      – Ich zögerte. »Gute Nacht denn, schönes Kind,« sagte die elegante Frau und tat einen Schritt, um sich wieder zu ihrem Wagen zurückzuverfügen. »Madame! Madame!« rief ich ihr nach.

      – »Nun, haben Sie sich entschlossen?« – »Wenn mir morgen die Absichten, welche Sie mit mir haben, nicht zusagen, wird es mir dann freistehen, Sie wieder zu verlassen?« – »Jawohl; aber es versteht sich, daß Sie mir dann die Auslagen wieder erstatten, die ich vielleicht für Sie gemacht haben werde.« – »Ich folge Ihnen, Madame.« – Ich erhob mich. Der Regen troff mir von den Kleidern herab. – »Setzen Sie sich auf den Vordersitz und schmiegen Sie sich so viel als möglich zusammen.« Ich gehorchte.

      Sie schüttelte den Kopf. »Sie befinden sich in einem traurigen Zustand! – Apropos, Sie haben doch nicht etwa eine Geschichte mit der Polizei auszumachen?« – »Ich?« – »Ja, Sie.« – »Wie sollte ich etwas mit der Polizei auszumachen haben? Ich habe erst diesen Morgen meine Wohnung verlassen.« – »Ah, Sie hatten eine Wohnung?« – »Ja.« – »Und wo befand sich Ihre Wohnung?« – »In Piccadilly.« – »Piccadilly ist aber keines unserer Quartiere.« – »Keines Ihrer Quartiere? Ich verstehe Sie nicht.« Die elegante Frau sah mich wieder an und spitzte die Lippen. »Das ist wohl möglich,« sagte sie. »Sie haben wirklich ein ehrliches Gesicht und das macht sich sehr gut.« – »Madame,« sagte ich, über diese triviale Ausdrucksweise fast erschreckend, »wenn Sie das Anerbieten, welches Sie mir gemacht haben, bereuen, so bin ich bereit, wieder auszusteigen.« – »Nein, nein, bleiben Sie.« – Dann schlug sie die Wagentür selbst zu und sagte zu dem Kutscher: »Nach Hause!« – Zehn Minuten später hielt der Wagen an der Tür eines Hauses in Haymarket, dessen Fenster sämtlich geschlossen waren.

      Es fror mich sehr, als ich aber dieses Haus betrat und die Tür sich hinter mir schließen hörte, fror mich noch mehr. Es war mir, als träte ich in ein Grab. Es war auch in der Tat ein Grab, ein Grab der Keuschheit und Tugend, welches man niemals wieder verläßt, ohne die Spuren jenes moralischen Todes an sich zu tragen, welche noch weit furchtbarer sind als die des physischen.

      21. Kapitel.

      Mein dringendstes Bedürfnis, selbst noch vor dem der Speise und Trankes, war ein vollständiger Wechsel der Kleidung und ein Bad. Mistreß Love – war dieses Wort, welches »Liebe« bedeutet, ein Spitzname, den ihr die Stammgäste ihres Hauses gegeben, oder eine Laune des Zufalls? – Mistreß Love begriff dieses doppelte Bedürfnis sehr gut, denn sofort nach unserer Ankunft gab sie Befehl, ein Bad zu bereiten und dann wurden frische Wäsche und ein Negligé in das Zimmer gebracht, welches sie für mich bestimmte. Als ich dieses Zimmer betrat, sank ich fast bewußtlos, vernichtet, erstarrt und kaum bemerkend, was um mich her vorging, in einen Lehnstuhl. Mistreß Love beaufsichtigte mit auffallendem Eifer alles selbst und ihr Blick verwendete sich keinen Augenblick von mir. Als das Bad bereitet war, wollte sie selbst die Dienste einer Zofe bei mir verrichten. Sie unterzog sich diesem Amt mit einer Sorgfalt, die ich mir nicht erklären konnte, um die ich mich aber in der Stumpfheit, in welcher ich befangen war, weiter nicht kümmerte.

      Mein Kleid klebte mir auf den Schultern – man trug zu jener Zeit sehr enge Kleider. Mistreß Love riß es ohne weiteres auf und durchschnitt den Senkel meines Schnürleibes mit der Schere. Ehe noch viele Augenblicke vergangen waren, sah ich mich nackt. Obschon ich mich nur in Gegenwart einer Frau befand, so empfand ich doch ein rasch aufsteigendes Gefühl von Scham, welches meine Wangen rötete. Ich flüchtete mich in meine Badewanne, deren durchsichtiges Wasser mir nur einen ungenügenden Schleier ließ. Als ich in dieses laue Wasser hineinkam, empfand ich ein unaussprechliches Gefühl von Wohlbehagen. Meine Brust weitete sich und mein