Der fliegende Holländer. Фредерик Марриет. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Фредерик Марриет
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754928752
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und das gestohlene Eigentum wieder zurückzugeben, war sein erster Gedanke; aber die Furcht vor Vanderdeckens Ungestüm tat Einsprache, weshalb er beschloß, nach Kräften zu eilen, um sein Haus zu erreichen. Dort konnte er sich verschanzen und so das entwendete Gut bergen oder wenigstens seine Bedingungen machen, ehe er es herausgab. Mynheer Poots hatte wohl nötig, schnell zu laufen, und tat es auch nach Kräften; seine welke Gestalt huschte rasch auf den Spindelbeinen über den Boden hin. Sobald jedoch Philipp bemerkte, dass der Doktor zu entfliehen versuchte, fühlte er sich völlig überzeugt, dass dieser der Schuldige war und verdoppelte deshalb seine Anstrengungen. Hundert Schritte von seiner Tür hörte Mynheer Poots Philipps raschen Tritt immer näher kommen, und die Todesangst beschleunigte seine Eile. Näher und näher vernahm er seinen Verfolger, bis er zuletzt dessen Atemzüge unterscheiden konnte; er schrie deshalb in seiner Furcht laut auf, wie der Hase im Rachen des Windspiels. Philipp befand sich nur noch eine Elle hinter ihm: sein Arm war bereits ausgestreckt, als der Doktor, vor Schrecken völlig gelähmt, zusammensank. Vanderdecken schoss in seinem Ungestüm über ihn weg, tat einen Fehltritt und sank, während er sein Gleichgewicht zu erhalten bemüht war, rollend auf den Boden. Dies rettete den Geizhals – er war ganz das Seitenstück eines Hasen. Im Nu befand er sich wieder auf den Beinen, und noch ehe Philipp sich erheben konnte, hatte Poots bereits seine Tür erreicht und sie von innen verriegelt. Der junge Mann war jedoch entschlossen, seinen wichtigen Schatz nicht aufzugeben, und warf keuchend seine Blicke umher, um zu sehen, welche Mittel sich darböten, um einen Eingang in das Haus zu erzwingen. Da jedoch die Wohnung des Doktors abgelegen stand, war jede Vorsichtsmaßregel getroffen worden, um den Eigentümer gegen Beraubung zu sichern; die untern Fenster hatten starke Gitter und die des oberen Stockes waren zu hoch, als da sie hätten erklommen werden können. Wir müssen hier bemerken, dass Mynheer Poots, der seiner anerkannten Tüchtigkeit eine gute Praxis verdankte, doch allgemein im Rufe eines hartherzigen, gefühllosen Geizhalses stand. Niemand durfte je über seine Schwelle kommen, oder hatte überhaupt nur Lust dazu. Er war so abgeschieden von seinen Nebenmenschen, wie seine Wohnung, und ließ sich überhaupt nur in Kranken- und Leichenstuben blicken. Wie es in seinem Hauswesen aussah, wusste Niemand zu sagen. Als er sich in der Gegend niederließ, zeigte sich hin und wieder auf das Klopfen Derjenigen, welche die Dienste des Doktors verlangten, ein altes, abgelebtes Weib; aber sie war bereits seit einiger Zeit begraben, und seitdem antwortete Mynheer Poots in Person, während die zudringlichen Hilfsbedürftigen in seiner Abwesenheit gar keinen Bescheid erhielten. Daraus folgerte man, dass der alte Mann ganz allein lebe, denn er war zu filzig, um einen Dienstboten zu bezahlen. Auch Philipp war dieser Ansicht, und sobald er wieder zu Atem gekommen war, sann er auf einen Plan, durch den er sich in den Stand setzen konnte nicht nur das gestohlene Eigentum wieder an sich zu bringen, sondern auch derbe Rache zu üben. Die Tür war stark und ließ sich durch die Hilfsmittel, welche sich Vanderdeckens Augen darboten, nicht erbrechen. Einige Minuten hielt er inne, um zu überlegen, und da sich in dieser Zeit sein Zorn kühlte, beschloss er, sich mit Zurückgabe der Reliquie zu begnügen, ohne Gewalttat anzuwenden. Er rief daher mit lauter Stimme: – »Mynheer Poots, ich weiß, dass Ihr mich hören könnt. Gebt mir zurück, was Ihr mir genommen habt, und ich will Euch kein Leid zufügen. Habt Ihr übrigens keine Lust dazu, so müsst Ihr die Folgen auf Euch nehmen, denn Ihr sollt mir den Diebstahl mit Eurem Leben bezahlen, ehe ich von der Stelle weiche.« Diese Worte waren in der Tat vernehmlich genug, um von Mynheer Poots gehört zu werden; der kleine Geizhals hatte sich jedoch von seinem Schrecken wieder erholt, und da er jetzt sicher zu sein wähnte, konnte er sich nicht entschließen, die Reliquie so leichten Kauf's aufzugeben. Er antwortete deshalb nicht, in der Hoffnung, Philipps Geduld werde sich erschöpfen, und sann auf ein Abfinden, etwa auf das Opfer einiger Gulden, die für einen armen Teufel wie Philipp keine Kleinigkeit waren, um sich so die Reliquie zu sichern, die ihm einen hohen Preis einzubringen versprach. Als Vanderdecken bemerkte, dass keine Antwort folgte, brach er in heftige Schimpfreden aus und entschied sich für Maßregeln, die ihrer Natur nach keineswegs unentschieden genannt werden konnten. Nicht weit von dem Hause stand ein kleiner Schober dürren Futters und unter der Hauswand ein Haufen Brennholz. Mit derartigen Hilfsmitteln gedachte Vanderdecken das Haus in Brand zu stecken und so, wenn er auch seine Reliquie nicht erhielt, wenigstens volle Rache zu nehmen. Er brachte mehrere Arme voll Heu herbei, legte sie an die Tür des Hauses und schichtete Reißbündel und Holzscheite auf, bis von der Tür nichts mehr zu sehen war. Dann griff er zu Stein, Stahl und Zunder, die jeder Holländer stets bei sich führt und hatte bald den Stoß zur Flamme angefacht. Der Rauch stieg in dichten Wolken zu den Dachsparren empor, während das Feuer unten wütete. Auch die Tür entzündete sich und vermehrte die Wuh der Flamme. Philipp jubelte in wilder Freude über den glücklichen Erfolg seines Versuches. »Ha, du erbärmlicher Leichenberauber – du armseliger Dieb, jetzt sollst du meine Rache fühlen,« rief Philipp mit lauter Stimme. »Wenn du drinnen bleibst, wirst du von den Flammen verzehrt, und versuchst du herauszukommen, so sollst du von meinen Händen sterben, – Hört Ihr's, Mynheer Poots – hört Ihr's?« Philipp hatte seine Anrede kaum beendigt, als das Fenster des oberen Stocks, das von der brennenden Tür am weitesten entfernt war, aufgerissen wurde. »Ha – jetzt kommst du, um zu bitten und zu betteln: aber da wird nichts daraus,« rief Philipp, machte aber plötzlich Halt, da sich an dem Fenster etwas zeigte, was ihm wie eine überirdische Erscheinung vorkam, denn statt der Jammerfigur des Geizhalses erblickte er eine der lieblichsten Gestalten, welche die Natur je zu schaffen beliebt hatte, ein wahres Engelwesen von ungefähr sechszehn oder siebenzehn Jahren, das in der Mitte der Gefahr, von welcher es bedroht war, die größte Ruhe und Entschlossenheit behauptete. Das lange Haar des Mädchens war in Flechten gelegt und zweimal um den schöngebildeten Kopf geschlungen; aus ihren großen dunkeln Augen leuchtete eine sanfte Glut, und ihre hohe weiße Stirne, ihr Grübchen-Kinn, die feingeschnittenen und gewölbten rubinroten Lippen stachen allerliebst, bezaubernd gegen die kleine, gerade Nase ab. Ein lieblicheres Antlitz kann man sich nicht leicht denken; es erinnerte an das, was die besten Maler in ihren glücklicheren Au-genblicken bisweilen zu verkörpern vermögen, wenn sie eine schöne Heilige darzustellen wünschen. Dazu noch die leckende Flamme und der Rauch, der an dem Fenster vorbeiqualmte – man hätte sie in ihrer ruhigen Haltung für eine Märtyrerin auf dem Scheiterhaufen nehmen mögen. »Was beginnst du, ungestümer junger Mann? Warum sollen die Bewohner dieses Hauses durch dich den Tod erleiden?« rief die Jungfrau mit Fassung. Philipp starrte die Gestalt einen Augenblick an und vermochte nicht zu antworten; dann erfasste ihn der Gedanke, dass er im Begriff sei, seiner Rache ein so liebliches Wesen zum Opfer zu bringen. In ihrer Gefahr alles Andere vergessend, ergriff er einen der großen Pfähle, die er zur Nahrung für die Flamme herbeigebracht hatte, und warf die brennende Masse nach allen Richtungen ausei-nander, bis nichts mehr zurückblieb, was das Gebäude hätte beschädigen können, als die lodernde Tür, welche gleichfalls noch keine sehr wesentliche Beeinträchtigung erlitten hatte, da sie aus einer dicken, eichenen Bohle bestand. Aber auch hier wurde die Flamme bald gelöscht, indem Philipp dem verzehrenden Element durch Erdklöse ein Ziel setzte. Während dieser tätigen Maßregeln von Seiten des jungen Mannes sah die Jungfrau schweigend zu. »Alles ist jetzt sicher, junge Dame,« sagte Philipp, »Gott verzeih' mir, dass ich ein so kostbares Leben in Gefahr setzen konnte. Ich hatte jedoch nur die Absicht, an Mynheer Poots meine Rache zu kühlen.« »Und welchen Grund kann Mynheer Poots zu einer so schrecklichen Rache gegeben haben?« versetzte das Mädchen ruhig. »Welchen Grund, junge Dame? Er kam in mein Haus und beraubte die Toten, indem er der Leiche meiner Mutter eine unschätzbare Reliquie abnahm.« »Er beraubte die Toten? – Nein, gewiss, das kann nicht sein – Ihr tut ihm Unrecht, junger Mann.« »Nein, nein. Es ist Tatsache, meine Dame – und diese Reliquie – verzeiht mir – aber diese Reliquie muss ich haben. Ihr wisst nicht, was davon abhängt.« »Geduldet Euch, junger Mann,« erwiderte die Jungfrau. »Ich werde bald wieder zurückkehren.«

      Philipp wartete mehrere Minuten in Gedanken und Bewunderung verloren. Ein so schönes Wesen im Hause von Mynheer Poots! Wer mochte sie sein? Während er seine Betrachtungen über diese Frage anstellte, wurde er durch die Silberstimme aus seinen Träumen geweckt. Der Gegenstand derselben lehnte im Fenster und hielt in der Hand das schwarze Band, an welchem der so sehnlich verlangte Gegenstand befestigt war. »Hier ist Eure Reliquie, Herr,« sagte das Mädchen. »Ich bedaure recht sehr, dass mein Vater eine Tat beging, welche wohl geeignet war, Euren Zorn zu rechtfertigen. Aber hier ist Euer Eigentum,« fuhr sie fort, die Kapsel auf den Boden niederfallen lassend, »und jetzt könnt Ihr Euch entfernen.« »Euer Vater, Jungfrau? Kann dieser