»Heiliger Prophet! Was gibt es denn?«
»Nichts, als was wir Alle schon zuvor wussten,« versetzte Philipp; »ich bin im Begriffe, euch zu verlassen – das Schiff wird in einer Woche ausfahren.«
»Oh! Also in einer Woche gedenkt Ihr abzusegeln?«
In dem Gesichte des alten Mannes lag ein wunderlicher Ausdruck von Freude, den er jedoch vor Amine und ihrem Gatten zu verbergen bemüht war. Seine Züge gingen allmählich in eine gewisse Gravität über und er sagte: –
»Das ist in der Tat eine schlimme Kunde.«
Amine und Philipp gaben keine Antwort darauf, sondern verließen mit einander das Gemach.
Wir müssen diese Woche übergehen, da sie eben mit Vorbereitungen zu Philipps Abreise ausgefüllt wurde, während Aminens Heldenmut ihre Gefühle beherrschte, wie sehr auch der Schmerz über die Trennung von ihrem angebeteten Gatten ihr Innerstes zerriss. Auch können wir nicht bei dem Widerstreite in der Brust unseres Helden verweilen, der Wohlstand, Glück und Liebe verlassen sollte, um Gefahren, Entbehrungen und dem Tode entgegen zu gehen. Das eine Mal war er fest entschlossen, zu bleiben, das andere Mal nahm er wieder die Reliquie von seiner Brust, rief sich sein Gelübde ins Gedächtnis und wünschte sich fast den Tag der Abreise früher herbei. Auch Amine pflegte in den Armen ihres Gatten die wenigen Stunden zu zählen, die ihnen noch übrig waren, oder konnte schaudernd zusammenfahren, wenn sie wachend dalag, und über Philipps Zukunft Betrachtungen anstellte, während der Wind draußen heulte. Es war für Beide eine lange Woche; aber obgleich sie wähnten, dass die Zeit mit Flügeln dahineile, fühlten sie doch fast eine Erleichterung, als der Morgen des Abschiedes herankam, denn dann konnten sie doch ihren ängstlich verhaltenen gepressten Gefühlen Luft machen. Die ungewisse Spannung war dann verschwunden und die Hoffnung blieb zurück, um den dunkeln Horizont der Zukunft aufzuhellen.
»Philipp,« sagte Amine, als sie mit verschlungenen Händen neben einander saßen, »ich werde weniger erschüttert sein, wenn du fort bist. Ich will mir ins Gedächtnis rufen, dass du mir Alles vor unserer Vermählung vorausgesagt hast, und dass ich aus Liebe zu dir das Wagnis übernahm. Die Stimme der Zärtlichkeit in meinem Innern flüstert mir oft zu, dass du zurückkehren wirst; aber sie könnte mich täuschen. – Du kehrst vielleicht zurück, aber nicht im Leben. In diesem Zimmer werde ich dich erwarten: auf diesem Sofa, das seine alte Stelle wieder einnehmen soll, will ich sitzen, und wenn ich dich auch im Leben nicht mehr sehen sollte, so versage mir nicht, wo möglich doch nach deinem Tode zu erscheinen. Ich werde mich vor keinem Sturme, vor keinem Auffliegen des Fensters fürchten. O nein! Auch die Anwesenheit deines Geistes soll mir willkommen sein. Noch einmal – lass dich nur sehen – lass mich überzeugt sein, dass du tot bist, damit ich wisse, ich habe hienieden für Nichts mehr zu leben und könne freudig einer Wiedervereinigung in einer besseren Welt entgegeneilen. Versprich mir das, Philipp.«
»Ich verspreche dir Alles, was du wünschest, vorausgesetzt, dass es mir vom Himmel gestattet wird; aber Amine« – und Philipps Lippen zitterten – »ich kann nicht – barmherziger Gott! Diese Prüfungsstunde ist zu schwer – Amine, ich kann nicht länger weilen.«
Aminens dunkle Augen hafteten auf ihrem Gatten – sie vermochte nicht zu sprechen – ihre Züge waren krampfhaft verzerrt – die Natur konnte nicht länger gegen das Übermaß der Gefühle Stand halten – sie sank in seine Arme und blieb regungslos liegen. Als ihr Philipp einen letzten Kuss auf die blassen Lippen drückte, bemerkte er, dass sie ohnmächtig geworden war.
»Sie fühlt es jetzt nicht,« sagte er, als er sie auf das Sofa niederlegte; »es ist besser, dass es so kam – ach, nur zu bald wird sie zum Elend erwachen!«
Er rief aus dem anstoßenden Zimmer Mynheer Poots herbei, damit er seiner Tochter Hilfe leiste, griff nach seinem Hut, drückte noch einen glühenden Kuss auf ihre Stirne, stürzte aus dem Hause und war schon ferne, ehe sich Amine aus ihrer Ohnmacht erholte.
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