Wie ich Betti nach drei Monaten im Schrank wiederfand. Jannik Winter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jannik Winter
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742706911
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gewärmt. Sie kann nicht einschlafen, wenn die eiskalt sind. Dann streckt sie die auf meine Bettseite rüber und ich bleibe geduldig liegen. Ich bin der beste Ehemann der Welt, unabhängig davon, wohin sie mir ihre kalten Dinger steckt. Das ist wahre Zuneigung, wenn Betti sich nach vierzehn Ehejahren immer noch die Füße an meinen Körperteilen wärmen darf.

      Also kann ich Wörter wie ›Umbringen‹ oder ›Abfall‹ niemals benutzt haben. Allerdings erinnere ich mich daran, was ich Kathi zugerufen habe. Nach dem Wutausbruch wurde ich allmählich wieder empfänglich für die Umwelt und bemerkte die Spannerin. Lots Weib aus der Bibel hatte es angemessen erwischt und Kathi wünschte ich in dem Moment auch so eine Salzsäule an den Hals. Neugierige Nachbarweiber gehen mir unheimlich auf den Senkel, da werden Worte der Notwehr zwingend notwendig.

      »Was glotzt du blöde Schlampe so dämlich! Verpiss dich, sonst bist du auch dran.«

      Den Satz, den sie zurückgeschrien hat, fand ich maßlos überzogen.

      »Ich zeig dich an, du perverser Frauenmörder!«

      Mörder? Ich bin ein liebevoller Ehemann, geduldig und besorgt um die Familie. Gut, ich hätte Betti einen Tag früher bei der Polizei als vermisst melden können. Oder zwei. In den Krimis zeigen sie immer, dass die ohnehin nichts machen. Dann bekommst du beruhigende Sätze mit auf den Weg, die deine emotionale Lage nur verschlimmern. »Nun gehen Sie ganz entspannt nach Hause. Sie ist eine erwachsene Frau und kein kleines Kind mehr. Wenn sie zurückkommt, öffnen Sie ihr die Tür und nehmen sie in den Arm. Dann möchte sie getröstet werden und wird sich entschuldigen.«

      Genau so.

      Sie könnte bei ihrer Schwester Judit sein. Eventuell bei den Eltern. Oder ganz woanders. Deswegen bin ich nicht zur Polizei marschiert. Es hätte noch gefehlt, dass ein Uniformierter meine Betti aus dem Bett dieses Hallodris ziehen muss.

      Schwiegermonster Hildegard konnte vorher schon nervig sein. »Wieso fährst du den großen Schlitten und die arme Betti darf sich in den Polo quetschen?«

      Betti kann froh sein, so ein handliches Auto fahren zu dürfen. Stichwort Einparken. Nur ein einziges Mal konnte ich dabei neben ihr sitzen bleiben, bekam Schweißausbrüche und Herzrasen. Meine wertvollen Tipps hat sie ignoriert und nur dümmlich gegrinst. Dafür darf sie jetzt allein zum Einkaufen fahren. Die Wasserkisten schleppe ich auch nicht mehr, die kann sie selbst rauswuchten und in der Garage stehen lassen. Als Angriff auf meine persönliche Ehre empfand ich allerdings, dass sie ihr zwei Monate später das Golf Cabrio gekauft haben. Betti hat mich ja nie danach gefragt, sonst wäre es von mir. Das Dach öffnet sich elektrisch. In vier Sekunden. Sogar während der Fahrt.

      Pah.

      Schwiegernörgel wurde irgendwann dauerlästig.

      »Wenn du das nicht machst, dann gehen wir eben zur Polizei.« Männchen Christian stand daneben und nickte ergeben. Schleimer! Sie konnten es nicht lassen und wollten mir auch diese Initiative entreißen. Ich sah schon den anklagenden Blick des Polizisten.

      »Herr Rohwinkel, Ihre Frau ist entführt worden und Sie haben das drei Tage lang nicht gemeldet? Blablabla.«

      Dann würde sich Schwiegeralbs die Hände reiben und mich fertigmachen. »Sie ist ihm egal. Unsere geliebte Tochter geht ihm am Arsch vorbei.«

      Nein, Bettina ist mir nicht egal, deswegen musste ich ihnen diesen Triumph versalzen. Zugegeben, körperlich ist Hildegard noch top in Form und saß schneller im Wagen, als ich Gas geben konnte.

      »Wir kommen mit.«

      Die Plappertante wollte ich eigentlich nicht mitschleppen, doch sie stieg trotz massiver Drohungen nicht wieder aus. Kriecher Christian blieb dann natürlich auch hocken.

      Auf dem Präsidium war der Beamte zuvorkommend und höflich. Bettinas Name und der Sachverhalt wurden in ein Informationssystem eingetragen. So weit ist es bei der Polizei schon gekommen. Sachverhalt? Pah. Für die Farbe ihrer Kleider interessierte sich der Beamte. Muss ein Mann kontrollieren, ob seine Frau ordentlich angezogen ist? Fehlte nur, dass er mir mit einem lüsternen Grinsen ihre BH-Größe entlocken möchte. Wie war die noch mal? Ich glaube XL. Ne, das steht in meinem T-Shirt.

      Doch er saß da, tippte alles in eine Datei, speicherte und beendete das Programm mit einem »Das war es auch schon.« Ich hätte mit einer Hundertschaft gerechnet. Suchhunde, Hubschrauber, Aufrufe im Fernsehen. Stattdessen sah er mich kritisch an.

      »Sie kommen spät. Gibt es dafür bestimmte Gründe?«

      Genau den Satz wollte ich vermeiden. Möchte ich ein einziges Mal die Polizei vor blindem Aktionismus bewahren, wird mir daraus ein Strick gedreht. Also gab ich keine Antwort, besorgtes Kopfschütteln war angesagt und ein deutliches Nö hinzugefügt. Er nickte einigermaßen überzeugt.

      »Ihre Frau ist somit zur Fahndung ausgeschrieben. Wir informieren Sie, sobald wir Näheres erfahren.«

      Dann fragte er mich noch, ob ich einen Verdacht hätte.

      »Was für einen Verdacht soll ich denn haben?«

      Es folgte die Litanei der Fragen, die ich aus den Krimis kenne: Auszeit von der Ehe, Streit, allein in den Urlaub, bei Verwandten, Bekannten, eventuell eine Affäre?

      »Hören Sie auf mit diesen Unterstellungen. Niemals. So etwas hätte sie mir gesagt. Unsere Ehe beruht auf absolutem Vertrauen. Wir lieben einander sehr und da gibt es überhaupt keine Geheimnisse.«

      Gut, dass der Beamte in dem Moment auf den Computer starrte, sonst wäre ihm Mamis vernichtender Blick aufgefallen. Der wurde bei den Wörtern ›Vertrauen‹ und ›Wir lieben uns sehr‹ besonders angriffslustig.

      Aus der Antwort des Beamten hörte ich ein wenig Neid heraus. Es stimmt ja auch, von so einem problemlosen Verhältnis wie bei Betti und mir träumen viele.

      »Wir kümmern uns um den Fall. Es wird jemand zu Ihnen nach Hause kommen und sich das Umfeld ansehen. Sie haben eine Tochter? Dann sollte sie dabei sein. Und halten Sie bitte ein aktuelles Foto Ihrer Frau bereit. Zusätzlich brauchen wir eine Liste aller Verwandten und Freunde. Die Nachbarn werden wir auch befragen.«

      Auf mich machte der Beamte bis dahin einen hilfsbereiten und mitfühlenden Eindruck. Deshalb musste ich ihm diese dumme Idee ausreden. Die sollen Betti besser suchen, anstatt Leute zu belästigen.

      »Die Nachbarn? Das halte ich für überflüssig. Zu denen haben wir kein besonderes Verhältnis. Untertrieben gesagt sind die uns völlig schnuppe. Die wissen auch nichts, da bin ich mir absolut sicher.«

      Er sah mich so merkwürdig an. »Das ist bei uns Routine.«

      Die lieben Schwiegereltern nickten heftig und sprachen auf der Rückfahrt kein einziges Wort.

      Nachbarn befragen? Schwachsinn.

      Sie machten es trotzdem.

      Deswegen musste ich dann zu Oberkommissar Muckel. Der Name allein bürgt ja schon für Einfühlungsvermögen und er zeigte sich deutlich verständnisvoller für meine Situation.

      2. Büro Muckel, vormittags

      Die drei DIN-A4-Bögen auf dem Schreibtisch imponieren durch exakte Abstände und an einer Linie ausgerichtete Oberkanten. Über dem linken Blatt liegt ein Kugelschreiber mit der Aufschrift Sparkasse, über dem mittleren ein Radiergummi, und rechts ein Bleistift nebst Anspitzer. Den hat er wohl vor Kurzem benutzt, denn er schiebt die Brösel mit der Hand in den Mülleimer.

      »Guten Tag, ich bin Oberkommissar Maximilian Muckel. Sie sind hier als Zeugen geladen, weil Sie Nachbarn der vermissten Bettina Hofer-Rohwinkel sind. Können Sie etwas zur Aufklärung beitragen?«

      »Ja, können wir. Er war das. Das Schwein hat sie umgebracht und im Wald verscharrt. Es wäre ja auch nicht das erste Mal. Ein Serientäter ist er. Jawohl. Serienkiller und Lustmörder.«

      Muckels Blick irrt von der Zeugin Katharina Strauch über die drei leeren Bögen zu ihrem Sohn Lukas, der auf dem Smartphone spielt. Dann sieht Muckel zur Decke. Seine Atmung ist