Dunkles Wasser - Heller Mond. Wolfgang Ommerborn. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Wolfgang Ommerborn
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754186251
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      Wolfgang Ommerborn

      Dunkles Wasser - Heller Mond

      Das Leben des Philosophen Li Zhuowu

      Dieses ebook wurde erstellt bei

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      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       Vorbemerkung

       Kapitel 1: Prolog

       Kapitel 2: Die Jahre 1536-1552

       Kapitel 3: Das Jahr 1552

       Kapitel 4: Die Jahre 1563-1565

       Kapitel 5: Die Jahre 1565-1573

       Kapitel 6: Das Jahr 1574

       Kapitel 7: Die Jahre 1577-1586

       Kapitel 8: Die Jahre 1587-1602

       Kapitel 9: Das Jahr 1602

       Glossar

       Impressum neobooks

      Vorbemerkung

      Dieser Roman wurde von dem außergewöhnlichen, durch Höhen und Tiefen geprägten Leben des in der Ming-Zeit (1368-1644) wirkenden chinesischen Philosophen Li Zhi (1527-1602) inspiriert, der hier unter seinem Pseudonym Li Zhuowu in Erscheinung tritt. In seinem Leben und Denken spiegelt sich der Konflikt und die Zerrissenheit zwischen den konventionellen Verpflichtungen gegenüber der Familie, der Gesellschaft und dem Staat einerseits und dem Drang nach konsequenter Selbstverwirklichung des Einzelnen andererseits im Kontext des vorherrschenden konfuzianischen Systems in aller Deutlichkeit wider.

      Li Zhuowu war ein individualistischer und kritischer Denker, der die zu seiner Zeit als orthodox geltende und das Geistes- und Gesellschaftsleben dominierende Strömung innerhalb des Konfuzianismus und ihre zeitgenössischen Anhänger mit scharfer Zunge attackierte. Zwar hatte auch er eine traditionelle konfuzianische Ausbildung durchlaufen, sogar Ämter in der staatlichen Administration ausgeübt, sympathisierte aber gleichzeitig mit buddhistischen und daoistischen Vorstellungen. Den herrschenden Dogmatismus und seinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit lehnte er rigoros ab. Zugleich prangerte er die Glorifizierung geistiger Autoritäten an, von denen behauptet wurde, dass nur sie den Weg zur Wahrheit aufzeigen würden. Li Zhuowu betonte hingegen, dass der Maßstab für das richtige Denken und Handeln in jedem einzelnen Menschen natürlich vorhanden ist und schließlich auch nur dort individuell gefunden werden kann. Beeinflusst wurde er dabei auch von konfuzianischen Strömungen, die im Gegensatz zur Orthodoxie standen und darum vielfach als ketzerisch inkriminiert wurden. Außergewöhnlich und seiner Zeit weit voraus waren zudem seine Vorstellungen zur Bedeutung und Rolle der Frau, die im patriarchalischen Denken des konfuzianischen China und seiner festgefügten patriarchalischen Gesellschaftsordnung ausgesprochen provokativ wirkten. Immer wieder geriet er aufgrund seiner Lehren und seiner Haltung in Konflikt mit konfuzianischen Gelehrten und den von konfuzianischen Beamten geführten staatlichen Behörden. Als für Staat und Gesellschaft gefährlicher Ketzer angefeindet und angeklagt, endete sein Leben schließlich auf dramatische Weise in einem Gefängnis der kaiserlichen Hauptstadt Beijing.

      Der Roman stellt keine exakte Biographie Li Zhuowus dar. Er folgt wichtigen und charakteristischen Phasen und Begebenheiten seines Lebens, wobei Phasen und Begebenheiten, die für die Handlung dieses Romans nicht relevant oder von sekundärer Bedeutung sind, ausgeklammert bleiben. Die authentischen Ereignisse, die geschildert werden, sind durch Biographien über Li Zhuowu bzw. seine Autobiographie oder andere, meist von Zeitgenossen vorgenommene Beschreibungen dokumentiert, wie z.B. die Schicksalsschläge innerhalb seiner Familie oder der Bruch mit seiner Frau und Tochter, wiederum andere sind Fiktion, wie z.B. die Begegnung mit den Piraten oder seine Liebesbeziehung zu einer jüngeren Frau. Aber auch die fiktiven Darstellungen orientieren sich nach Möglichkeit an die den Quellentexten zu entnehmenden Angaben hinsichtlich der Charaktereigenschaften und der Lebensweise dieses Mannes.

      Kapitel 1: Prolog

       Die Verhaftung

       逮捕

      Zeit des Frühlingsfests im 30. Jahr der Regierung des Kaisers Wanli (Anfang Februar 1602).

      Die beiden Männer betraten vom dunklen Hof kommend das einstöckige Gebäude, gingen in einen gedämpft beleuchteten Raum und ließen sich einander gegenüber an einem flachen Tisch nieder. Ein Krug mit warmem Reiswein und zwei Becher standen bereit. Der Raum bestand vor allem aus Regalen, die mit dicht aneinandergereihten oder übereinandergestapelten Büchern und Dokumenten vollgestopft waren. Die Regale, ebenso wie die anderen Möbel, zwei Tische, Stühle und ein mit kunstvollen Schnitzereien verzierter offener Schrank, in dem eine Sammlung kostbarer Jadefiguren den Blick auf sich zog, waren aus rötlich-dunklem Rosenholz. An den Wänden hingen Rollbilder mit Kalligraphien und Landschaftsmalereien. Letztere zeigten steil emporragende und wolkenverhangene Berge, Wasserfälle, die von Bergwänden in einen See hinabstürzten, bizarr und knorrig geformte Bäume, wilde Felsformationen, winzige Menschen, die in den gewaltigen Naturszenen verloren wirkten, und Vögel, die am weiten Himmel davonflogen. Vor einem der holzvergitterten Fenster standen zwei große Keramikvasen mit blauen Drachen- und Wolkenmustern auf weißem Hintergrund. Die Männer nippten an ihren Trinkschalen. Der warme Wein tat ihnen gut, denn als sie den breiten Hof durchquert hatten, war ihnen ein eisig schneidender Wind entgegengeschlagen. Und der Ofen, der in einer Ecke stand, war erst kurz vorher von einem Diener angezündet worden. Es war darum noch kühl in dem Raum.

      Der eine der beiden Männer hieß Li Zhuowu. Er wurde in diesem Jahr fünfundsiebzig Jahre alt und machte einen erschöpften und gebrechlichen Eindruck. Obwohl von großer Gestalt, wirkte er klein, so gebeugt und zusammengekauert hockte er vor seinem Becher. Sein ernstes, von einem bewegten Leben gezeichnetes Gesicht war aschfahl, der Kopf kahlgeschoren. Er sah hager aus, wie ein asketischer buddhistischer Mönch. Aber in seinen Augen konnte man noch das Feuer ahnen, das ihn einmal erfüllt und angetrieben haben musste. Der andere war etwas mehr als zehn Jahre jünger. Er hieß Jiao Ruohou, war von untersetzter Gestalt, mit einem glatten runden Gesicht, und hatte lange als Beamter im Personalministerium in der kaiserlichen Zentralregierung gearbeitet, bis er vor einem Jahr auf eigenen Wunsch in den Ruhestand getreten war. Das Haus, in dem sich die beiden Männer aufhielten, gehörte ihm. Es lag in Tongzhou, einer Stadt östlich der Hauptstadt, die das nördliche Ende des Kaiserkanals markierte.

      „Geht es dir jetzt wirklich besser, Zhuowu?“ fragte Ruohou seinen Freund.

      „Wie ich dir schon gesagt habe, ich fühle mich noch immer müde. Aber ich spüre, dass es besser wird. In der letzten Nacht habe ich zum ersten Mal seit langem gut schlafen können.“

      Gestern war er am späten Nachmittag in Tongzhou angekommen, nachdem er mehrere Monate unterwegs gewesen war. Die Reise in den Norden im Winter erwies sich als äußerst strapaziös und schwierig. Doch er