Ich zündete mir einen Glimmstengel an, klappte den Klodeckel hoch und beschloss, erst einmal ein fettes Ei zu legen. Meiner Erfahrung nach waren es gerade die profanen Alltäglichkeiten wie zum Beispiel der Stuhlgang, die am nachhaltigsten zur Entspannung meiner überdrehten Hirnzellen beitrugen.
Als ich eine Viertelstunde später die enge Kabine verließ, fühlte ich mich wie neugeboren. Du musst die Sache positiv sehen, sagte ich mir. Denk an all die Kohle, die du hier verdienst.
In der Frauentoilette nebenan war der öde 08/15-Fick endlich im Kasten. Jetzt fehlte nur noch der sogenannte Cum-Shot, also die Einstellung, wo der Typ abspritzt. Meistens volle Pulle ins Gesicht der Frau, weil die Kunden das angeblich ganz toll fanden und sich gar nicht sattsehen konnten an Frauengesichtern, die mit zähflüssigem Sperma besudelt waren.
Ich fand diese Bilder, die ganze Situation am Set während dieser speziellen Kameraeinstellung, immer ziemlich daneben. Da knieten die Mädels vor den Typen, die sich einen runterholten, nur um ihr ihren Samen an den Kopf zu ballern. Mit ihren weit aufgerissenen Mündern wirkten sie auf mich wie fleischgewordene Pissbecken, sie ähnelten den Urinalen auf dem Herrenklo.
Irgendwie kam es mir absurd vor, wie wir vom Aufnahmeteam um diese ohnehin schon irre Szenerie herumlungerten und darauf warteten, dass die Stecher endlich zum Schuss kamen.
Ich fragte mich, warum die Konsumenten diese Störung hatten und so verrückt waren nach diesen hässlichen Bildern. Meine Vermutung war, dass die Typen in ihrer Kindheit ihre orale Phase nicht richtig ausgelebt hatten. Egal, irgendwann hörte ich auf, darüber zu grübeln, warum die Leute so kaputt waren. Was ging es mich an?
1.8 Mein Tagebuch / 3
Oh, wie geil,
jetzt kriegt die alte Fotze noch eine leckere Eiweißkur gratis in die Fresse!
Da geht ihm aber einer ab, dem gehirnamputierten Flachwichser. So ganz heimlich und allein vor der Glotze daheim...
Was ist eigentlich so erregend daran, einer Frau eine Spermadusche zu verpassen?
Manchmal verspüre ich einen regelrechten Abscheu vor den Pornokonsumenten. Ihre emotionale Beschränktheit, ihre verschissene Abhängigkeit von dem Stoff, den wir am Fließband produzieren, widert mich zutiefst an. Was unterscheidet mich von einem Drogendealer, der seine Kunden verabscheut, weil sie willenlose Junkies sind und ihm so widerlich sklavisch aus der Hand fressen?
Und ja ich weiß, in diesen Zeilen schwingt jede Menge Verachtung mit. Sie ist zeitweilig so stark, dass sich mir eine existenzielle Frage aufdrängt.
Was wäre die Konsequenz, wenn ich dieses Maß an Verachtung auch für mich selbst empfinden würde? Könnte ich damit leben, mich so vor mir selbst zu ekeln? Oder würde ich mir die Kugel geben?
1.9 Cumshot
Der Schlappschwanz
stand verbissen masturbierend und mit geschlossenen Augen in der Ecke. Wahrscheinlich staubte er in seiner beschränkten Vorstellungswelt gerade seine Sammlung an dreckigen Lieblingsphantasien ab, polierte sie zusammen mit seinem Pimmel auf Hochglanz, um endlich zum Orgasmus zu kommen. Seine Partnerin lümmelte derweil demonstrativ gelangweilt auf einem Klodeckel, rauchte mechanisch Kette und wartete auf ihren eiweißhaltigen Fangschuss.
Während der Kerl wie besessen seinen unansehnlichen Halbsteifen bearbeitete, versuchten wir die obszönen Graffiti auf den Klowänden zu entziffern, rätselten im verhaltenen Flüsterton über die diversen Interpretationsmöglichkeiten der literarischen Spontanergüsse triebgesteuerter Discobesucher. Als die Kunstwerke auf den weißen Kacheln nichts mehr hergaben, fingen wir an, hinter dem Rücken des Darstellers, in aller Stille, ähnlich einem Stummfilm mit großen Gesten und überzogener Mimik, die dämliche Wichsfresse des Darstellers nachzuäffen und machten hinter seinem Rücken böse Scherze über ihn. Auch wenn er in der Hackordnung der Pornowelt meilenweit unter uns stand und es der Produktionsleitung scheißegal war, wie wir unsere Ficksklaven behandelten, sollte er doch trotzdem nichts mitbekommen von unseren fiesen Hänseleien, denn jede weitere Verzögerung des Cum-Shots würde zu unseren Lasten gehen und unsere wohlverdiente Pause herauszögern.
Dann war endlich Mittagspause in der Pornofabrik und da blieb das Filmteam gerne unter sich. Schließlich machten wir hier nur unsere Arbeit und hatten ansonsten nichts gemeinsam mit diesen ganzen Nutten und Zuhältern. Auf den Glückskeks verzichtete ich diesmal dankend, irgendwie brachten mir diese Dinger überhaupt gar kein Glück.
Nachmittags, wir kurbelten gerade eine dieser unterbelichteten Lesbenszenen, in der sich zwei ausgemachte Heterofrauen bemühten, geil und begeistert rüberzukommen, während sie sich gegenseitig mit einem Doppeldildo in XXL-Format in die Ärsche bumsten, kam wieder mal einer dieser aufgeplusterten Aushilfsluden ans Set und lieferte Frischfleisch ab. Zwei blutjunge Küken, die nicht für sich selbst sprechen durften. Das erledigte ihr Herr und Meister für sie.
„Das ist taufrische Ware, erste Sahne, gerade erst eingeritten...“
Aus dem Hinterzimmer hörten wir, wie der Typ stümperhaft mit der Produktion um mehr Gage feilschte, er wollte wohl ein bisschen nachverhandeln. Den Mädels war das sichtlich peinlich, unsicher traten sie von einem Stöckelschuh auf den anderen. Ich wollte sie nicht länger zappeln lassen und stellte mich vor.
„Hy, ich bin Clemens Mahler, der Regisseur.“
Die Mädels waren ziemlich gut dressiert, auf das Stichwort Regisseur hin nahmen sie pronto Haltung an. Bauch einziehen, Hohlkreuz machen, Arsch und Titten raus, alles wurde in Windeseile tipptopp getunt auf maximale Optik. Als ob ich der Oberlude vom Dienst wäre.
Ich hasste diese unterwürfige Reaktion, für mich ist das alles nur ein großes Missverständnis. Wer außer mir brachte denn so etwas wie Mitgefühl und Verständnis für diese ganzen Bräute auf? Ich war doch der Einzige am Set, der sie nicht nur wie ein Stück Fleisch taxierte, sondern auch den Menschen hinter dieser billig aufgemotzten Fassade wahrnahm. Ich fragte mich, warum die gar nicht merkten, dass ich anders war und sich hinter meiner Rolle als Pornoregisseur eigentlich ein guter Mensch verbarg, der so weit ging, einen Hauch Mitgefühl in seinen Job einfließen zu lassen? Natürlich so, dass niemand checkte, welch zartes Innenleben sich unter meiner harten Schale verbarg, Mitgefühl undercover sozusagen.
Nein, ich bin nicht so ein Drecksschwein von Ausbeuter wie du, hätte ich dem Muskelmann mit blondierter Dauerwelle am liebsten entgegnet, als er mir kollegial grinsend seine klobige Ghettofaust zum Abschied hinhielt. Meine Meinung sagte ich ihm dann doch lieber nicht, ignorierte aber immerhin erfolgreich seinen Anbiederungsversuch. Die Tatsache, dass ich ihn links liegenließ, war ihm nicht mehr als ein Achselzucken wert. Anstatt sich mit mir anzulegen, hob er noch einmal drohend seinen wurstigen Zeigefinger und starrte seine Hühner in Grund und Boden.
„Das ich keine Klagen höre!“
Um die Ernsthaftigkeit seiner Aussage etwas abzumildern, lächelte er dünnlippig, ich spürte aber allzu deutlich, dass er es bitterernst meinte.
Was mich angesichts solcher Szenen immer wieder beschäftigte, war die Frage, warum reihenweise hübsche, nette Frauen auf solche brutalen Hinterwäldler hereinfallen und sich nach Strich und Faden von ihnen verarschen ließen. Dieses Phänomen zwischenmenschlicher Anziehung war mir absolut schleierhaft.
Steckte dahinter der fragwürdige Wunsch, unter dem Schutzschirm einer archaisch anmutenden Männerherrschaft zu stehen oder eine