CARLOS steht auf.
Gott, Gott! ich gehe –
Ich will Sie ja verlassen. – Muß ich nicht,
Wenn Sie es also fordern? Mutter! Mutter!
Wie schrecklich spielen Sie mit mir! Ein Wink,
Ein halber Blick, ein Laut aus ihrem Munde
Gebietet mir, zu sein und zu vergehen.
Was wollen Sie, das noch geschehen soll?
Was unter dieser Sonne kann es geben,
Das ich nicht hinzuopfern eilen will,
Wenn Sie es wünschen?
KÖNIGIN.
Fliehen Sie.
CARLOS.
O Gott!
KÖNIGIN.
Das Einzge, Karl, warum ich Sie mit Tränen
Beschwöre – Fliehen Sie! – eh meine Damen –
Eh meine Kerkermeister Sie und mich
Beisammen finden und die große Zeitung
Vor Ihres Vaters Ohren bringen –
CARLOS.
Ich erwarte
Mein Schicksal – es sei Leben oder Tod.
Wie? Hab ich darum meine Hoffnungen
Auf diesen einzgen Augenblick verwiesen,
Der Sie mir endlich ohne Zeugen schenkt,
Daß falsche Schrecken mich am Ziele täuschten?
Nein, Königin! Die Welt kann hundertmal,
Kann tausendmal um ihre Pole treiben,
Eh diese Gunst der Zufall wiederholt.
KÖNIGIN.
Auch soll er das in Ewigkeit nicht wieder.
Unglücklicher! Was wollen Sie von mir?
CARLOS.
O Königin, daß ich gerungen habe,
Gerungen, wie kein Sterblicher noch rang,
Ist Gott mein Zeuge – Königin, umsonst!
Hin ist mein Heldenmut. Ich unterliege.
KÖNIGIN.
Nichts mehr davon – um meiner Ruhe willen –
CARLOS.
Sie waren mein – im Angesicht der Welt
Mir zugesprochen von zwei großen Thronen,
Mir zuerkannt von Himmel und Natur,
Und Philipp, Philipp hat mir sie geraubt –
KÖNIGIN.
Er ist Ihr Vater.
CARLOS.
Ihr Gemahl.
KÖNIGIN.
Der Ihnen
Das größte Reich der Welt zum Erbe gibt.
CARLOS.
Und Sie zur Mutter –
KÖNIGIN.
Großer Gott! Sie rasen –
CARLOS.
Und weiß er auch, wie reich er ist? Hat er
Ein fühlend Herz, das Ihrige zu schätzen?
Ich will nicht klagen, nein, ich will vergessen,
Wie unaussprechlich glücklich ich an Ihrer Hand
Geworden wäre – wenn nur er es ist.
Er ist es nicht – Das, das ist Höllenqual!
Er ist es nicht und wird es niemals werden.
Du nahmst mir meinen Himmel nur, um ihn
In König Philipps Armen zu vertilgen.
KÖNIGIN.
Abscheulicher Gedanke!
CARLOS.
O, ich weiß,
Wer dieser Ehe Stifter war – ich weiß,
Wie Philipp lieben kann und wie er freite.
Wer sind Sie denn in diesem Reich? Laß hören.
Regentin etwa? Nimmermehr! Wie könnten,
Wo Sie Regentin sind, die Alba würgen?
Wie könnte Flandern für den Glauben bluten?
Wie, oder sind Sie Philipps Frau? Unmöglich!
Ich kanns nicht glauben. Eine Frau besitzt
Des Mannes Herz – und wem gehört das seine?
Und bittet er nicht jede Zärtlichkeit,
Die ihm vielleicht in Fieberglut entwischte,
Dem Zepter ab und seinen grauen Haaren?
KÖNIGIN.
Wer sagte Ihnen, daß an Philipps Seite
Mein Los beweinenswürdig sei?
CARLOS.
Mein Herz,
Das feurig fühlt, wie es an meiner Seite
Beneidenswürdig wäre.
KÖNIGIN.
Eitler Mann!
Wenn mein Herz nun das Gegenteil mir sagte?
Wenn Philipps ehrerbietge Zärtlichkeit
Weit inniger als seines stolzen Sohns
Verwegene Beredsamkeit mich rührte?
Wenn eines Greisen überlegte Achtung –
CARLOS.
Das ist was andres – Dann – ja, dann – Vergebung.
Das wußt ich nicht, daß Sie den König lieben.
KÖNIGIN.
Ihn ehren ist mein Wunsch und mein Vergnügen.
CARLOS.
Sie haben nie geliebt?
KÖNIGIN.
Seltsame Frage!
CARLOS.
Sie haben nie geliebt?
KÖNIGIN.
– Ich liebe nicht mehr.
CARLOS.
Weil es Ihr Herz, weil es Ihr Eid verbietet?
KÖNIGIN.
Verlassen Sie mich, Prinz, und kommen Sie
Zu keiner solchen Unterredung wieder.
CARLOS.
Weil es Ihr Eid, weil es Ihr Herz verbietet?
KÖNIGIN.
Weil meine Pflicht – – Unglücklicher, wozu
Die traurige Zergliederung des Schicksals,
Dem Sie und ich gehorchen müssen?
CARLOS.
Müssen?
Gehorchen müssen?
KÖNIGIN.